# taz.de -- Umgang mit Maskengegner*innen: „Anschnauzen geht an die Substanz�… | |
> Menschen in einigen Berufsgruppen sind täglich Anfeindungen durch | |
> Maskengegner*innen ausgesetzt. Wie gehen sie damit um? | |
Bild: Tägliches Angeschnauze erleben etwa Servicekräfte, Journalist*innen, Wa… | |
Wir sprechen mit einer Hausärztin im Enzkreis, einer Servicekraft in einem | |
Hamburger Café, einem Wachmann aus Hamburg und einer Lokalreporterin bei | |
der Sächsischen Zeitung. Vier Protokolle: | |
## Die Servicekraft | |
Marleen Rapp arbeitet in Teilzeit als Servicekraft in einem Hamburger Café | |
Das Café, in dem ich arbeite, erreicht man über eine Brücke. Auf dem Weg | |
hängen überall Schilder, die die aktuellen Regeln erklären: 2G+, Maske | |
tragen, Abstand halten und registrieren über [1][die Luca- oder | |
Corona-Warn-App]. Doch trotz allem muss ich immer wieder an die Regeln | |
erinnern, erklären und vor allem diskutieren. In jeder meiner Schichten | |
rede ich mir den Mund fusselig. | |
Eigentlich denke ich, dass man im dritten Pandemiejahr verstanden haben | |
kann, dass in der Gastro bestimmte Regeln gelten. Aber trotz allem kommen | |
Menschen mit beispielsweise nur einer Impfung und ohne negativen | |
Schnelltest und werden dann sauer, wenn sie weggeschickt werden. Dabei ist | |
mir das natürlich auch unangenehm, zu sagen: Entschuldigung, aber Sie | |
dürfen hier nicht sitzen ohne Test. Doch es ist eben jetzt auch mein Job, | |
dafür zu sorgen, dass sich alle Gäste an die Maßnahmen halten. | |
Einmal kam ein Mann, der keine App zur Registrierung hatte, mit seiner | |
Familie zu uns. Er musste seine Kontaktdaten dann analog hinterlassen und | |
war sichtlich genervt, hat ständig die Augen verdreht und gemeckert. Und | |
als er fertig war, hat er mich mit dem Kugelschreiber und dem Zettel | |
beworfen. Am liebsten hätte ich ihn rausgeschmissen. Bei seiner aggressiven | |
Stimmung musste ich schon kurz schlucken. | |
Viele sind genervt von den Regeln und wir als Servicekräfte bekommen die | |
ganze schlechte Laune ab. Es wäre für alle einfacher, wenn sie einfach die | |
Regeln akzeptieren würden. Ich habe mir einen Schutzschild aufgebaut, | |
sodass vieles an mir abprallt. | |
Doch mittlerweile fehlt mir echt das Verständnis für einige Gäste. Einigen | |
Kolleginnen geht [2][dieses tägliche Angeschnauze wirklich an die | |
Substanz]. Die schicken dann auch gerne andere im Team zur Kontrolle vor, | |
weil sie es selbst nicht so gut aushalten können. | |
## Der Sicherheitsmann | |
Alexander Escobar ist Sicherheitsmann und Geschäftsführer der ELB Security | |
GmbH in Hamburg | |
Besonders viel diskutieren muss man mit den Menschen immer in den ersten | |
zwei, drei Wochen, nachdem neue Maßnahmen eingeführt wurden. Viele sind | |
geduldig und zeigen freundlich ihren Ausweis, Impf- oder Testnachweis. | |
Andere haben die neuen Maßnahmen noch nicht mitbekommen und wiederum andere | |
sind [3][Corona-leugner oder Maßnahmenkritiker] und nutzen jede neue | |
Maßnahme, um ihrer Wut freien Lauf zu lassen. | |
Egal ob wir im Supermarkt, in einer kleinen Boutique oder im Hamburger | |
Impfzentrum in den Messehallen im Einsatz sind – Diskussion gibt es immer. | |
Im Supermarkt kam mal ein Mann mit einer total futuristischen Maske an und | |
hat mir gleich zehn Nachweise mitgebracht, warum seine Maske vom Schutz her | |
vergleichbar sei mit einer FFP2-Maske. Meistens geben die Menschen nach | |
einer kurzen Diskussion doch nach, aber manche werden wirklich aggressiv. | |
Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich oder meine Kollegen nicht | |
weiter wissen. Die Drohung, die Polizei zu rufen, reicht meist, damit die | |
Menschen Ruhe geben. Aber eben nicht immer. | |
Einer meiner Mitarbeiter musste sogar einmal ins Krankenhaus. Er war in | |
einem Supermarkt im Einsatz und ein Kunde hatte seine Maske unter dem Kinn | |
getragen. Nach dem Hinweis, diese doch bitte ordentlich über die Nase zu | |
ziehen, entstand eine Diskussion. Der Kunde war Maskenverweigerer und nach | |
nur einer Minute hat er dann meinem Mitarbeiter mitten ins Gesicht | |
geschlagen. Seine Nase war gebrochen und der Täter ist geflüchtet. | |
Was ich nicht verstehe: Die Menschen können mir ja gerne sagen, dass sie es | |
scheiße finden, eine Maske zu tragen – wenn sie es danach trotzdem tun. | |
Denn wir als Sicherheitsdienst kümmern uns nur darum, dass die Maßnahmen | |
eingehalten werden, aber wir haben sie uns ja nicht ausgesucht. Trotzdem | |
bekommen wir die ganze Wut ab. | |
## Die Reporterin | |
Franziska Klemenz ist Reporterin bei der Sächsischen Zeitung | |
Der Montagabend ist bei mir oft fest für Demoberichterstattung gebucht. Das | |
war schon [4][zu Pegida-Zeiten] so und ist auch jetzt seit knapp zwei | |
Jahren immer wieder der Fall. Der Unterschied ist, dass die Demos heute | |
unberechenbar sind. Manchmal kamen trotz großer Ankündigungen nur wenige | |
Dutzende und alles blieb ruhig. An anderen Tagen war die Polizei in Dresden | |
oder Leipzig völlig überfordert mit dem Geschehen und manchmal, wie vor | |
zwei Wochen in Coswig, ist einfach gar keine Polizei vor Ort und man ist | |
als Presse auf sich allein gestellt. | |
In Coswig waren wir nur ein paar Minuten auf der Demo, da wurden wir schon | |
von Leuten aus dem Aufmarsch angepöbelt. Wir sollten aufhören zu filmen, | |
haben sie gerufen und kamen dann sofort auf uns zu. Schnell ging das | |
Gerangel los, der Begleitschutz von unseren Kollegen hat Reizgas | |
eingesetzt, um uns zu schützen. Die Antwort war eine Glasflasche, die ein | |
Mann auf unsere Gruppe geworfen hat und die knapp neben uns auf dem Boden | |
zersplitterte. Die ganze Stimmung war [5][innerhalb kürzester Zeit so | |
aggressiv], dass wir beschlossen haben, unseren Einsatz abzubrechen und mit | |
dem Auto zu fliehen. Nachdem wir darüber getwittert haben, hat die Polizei | |
Einsatzkräfte zur Demo geschickt – und auch der Haupttäter konnte | |
ausgemacht und festgenommen werden. Aber das bringt uns in der freien | |
Berichterstattung auch nicht viel weiter, wenn sich erst im Nachhinein | |
darum gekümmert wird. | |
Bei der Polizei fehlt momentan einfach eine klare Linie bei den | |
Demonstrationen: Sie ist häufig unterbesetzt, verstreut oder abgelenkt, | |
weil sie selbst aus der Demo heraus angegriffen wird. Am Ende müssen wir | |
dann als Presse immer wieder allein mit den Beleidigungen, Nötigungen und | |
teilweise auch der versuchten Körperverletzung klarkommen. Es gibt viele | |
bei der Polizei, die auf uns zukommen, fragen, wie sie uns helfen und | |
schützen können. Aber die große Linie fehlt. Das liegt auch an Sachsens | |
Innenminister, der sich regelmäßig aus der Verantwortung zieht, zu spät | |
reagiert oder Demos verharmlost. | |
Früher habe ich bei den Demos versucht, einfach in der Masse unterzugehen. | |
Doch obwohl ich meinen Zettel und Stift mittlerweile im Rucksack lasse, | |
falle ich sofort als nicht zugehörig auf. Niemand trägt mehr Maske. Wenn | |
ich meine FFP2-Maske trage, ist es ungefähr so, als ich hätte ich ein | |
Neonschild mit „Presse“ um den Hals hängen. Da kommen dann schnell | |
„Pressefotze“-Rufe und Ähnliches. Manchmal hilft es dann nur noch, sich in | |
Richtung Polizei zu retten, sonst hätte es das ein oder andere Mal | |
sicherlich schon Prügel gegeben. | |
Weil [6][uns die Polizei nicht vor allem schützen kann], nehme ich selbst | |
ein paar Sicherheitsvorkehrungen vor: Ich habe unter anderem immer einen | |
Fahrradhelm in meinem Rucksack, um meinen Kopf vor geschmissenen | |
Gegenständen zu schützen. Außerdem gibt es von unserer Chefredaktion die | |
Vorgabe, nicht mehr alleine auf Demonstrationen zu gehen. Einerseits aus | |
Schutz, aber auch, damit man einen Zeugen hat, falls doch etwas passiert. | |
Wir organisieren gerade auch Security, die uns begleitet, da die Situation | |
uns langsam zu gefährlich wird, niemand von uns möchte im Krankenhaus | |
landen. Das Problem ist nur, dass die Sicherheitsszene in Sachsen in gar | |
nicht so kleinen Teilen mit rechten Strukturen verbandelt ist. | |
Schutz ist natürlich ein Thema, auf das ich nicht nur auf Demonstrationen | |
achte. Mein Name steht nicht an meiner Klingel und wenn ich beispielsweise | |
in der Bahn fahre, gucke ich mich um, wer sonst noch so da ist. Da hilft | |
mir dann das Maske- und Kapuzetragen, damit ich nicht erkannt werde. Es | |
ist schon vorgekommen, dass ich von einem rechten Youtuber gefilmt wurde, | |
woraufhin ich sehr viel Hass im Netz abbekommen habe. Der ruft mich immer, | |
wenn er mich sieht, und Menschen geben in seinem Youtube-Channel während | |
Demo-Großlagen Hinweise, wo sie mich zuletzt gesehen haben. Doch ich lasse | |
mir davon keine Angst machen und versuche mich emotional zu distanzieren. | |
Insgesamt aber hoffe ich sehr, dass sich etwas an der Schutzsituation von | |
Journalist:innen ändert, gerade auch, damit mehr Frauen sich trauen | |
können, Demonstrationen zu covern. | |
## Die Hausärztin | |
Nicola Buhlinger-Göpfarth ist Hausärztin und Pandemie-beauftragte für | |
Pforzheim und den Enzkreis | |
Kürzlich landete vor einer größeren Impfaktion in der Region ein dicker | |
Umschlag in meinem Briefkasten. Darin war ein 82-seitiges Rechtsgutachten | |
einer Juristin, in dem stand, dass es illegal sei, außerhalb [7][der | |
STIKO-Empfehlung] zu impfen. Es hieß, aufmerksame Menschen würden nun | |
darauf achten, was ich mache und dass ich persönlich dafür haften müsse. | |
Diese Drohung hat mich verunsichert. Denn obwohl ich wusste, dass es | |
Quatsch ist, habe ich mich bei der Kassenärztlichen Vereinigung | |
rückversichert. | |
Leider gehören Bedrohungs- und Hassnachrichten, neben all dem Lob und der | |
Anerkennung, mittlerweile zu meinem Alltag. Ich habe das Gefühl, meine | |
Handynummer ist in jeder [8][Telegram-Gruppe] schon einmal gepostet worden. | |
Aber ich lege bei solchen Anrufen einfach auf, da bringt es nämlich | |
wirklich nichts, zu diskutieren. Und wenn mich jemand in sozialen Medien | |
als „Du blöde Kuh“ oder „Du Ratte“ bezeichnet, dann ist das zwar nicht | |
nett, aber ich kann es schnell wieder vergessen. Doch es geht auch härter: | |
Einmal wurde ich zum Beispiel mit Josef Mengele verglichen. Was mich am | |
meisten ärgert, sind persönliche Unterstellungen, dass ich meinen | |
Patient:innen bewusst schaden will. Wie kommen die Menschen auf so eine | |
Idee? | |
Als wir kurz vor Weihnachten eine 24-Stunden-Impfaktion im Kongresszentrum | |
veranstaltet haben, gab es auch eine Demonstration. Es lief zwar | |
weitestgehend friedlich ab, die Polizei war vor Ort, aber natürlich ist so | |
etwas beängstigend. Ich habe dann lieber den Hintereingang genommen. Doch | |
an sich versuche ich, die ganzen Impfgegner:innen und Nachrichten eher | |
zu ignorieren. Was wäre auch die Alternative? Ich muss schließlich jeden | |
Tag in meine Praxis gehen. Und ich habe das Glück, kein allzu ängstlicher | |
Mensch zu sein. Ich kenne auch Kolleg:innen, die aus Angst vor | |
Impfgegner:innen keine Kinder impfen wollen. | |
Was mir hilft, ist der Austausch mit Kolleg:innen. Lange hatte ich immer | |
das Gefühl einer persönlichen Bedrohung, doch mittlerweile realisiert man: | |
Diese blöde Nachricht bekommen ganz viele andere auch – wie zum Beispiel | |
das 82-seitige Rechtsgutachten. Und dass all meinen Kolleg:innen bislang | |
auch nichts passiert ist, lässt mich dann auch weitermachen. | |
9 Feb 2022 | |
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Carolina Schwarz | |
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