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# taz.de -- Autorinnen über Hass und Bedrohungen: „Das Ziel ist, Zeit zu rau…
> Die Autorinnen Katharina Nocun und Pia Lamberty beschäftigen sich mit der
> verschwörungsgläubigen Szene. Angefeindet werden beide fast täglich.
Bild: Katharina Nocun (rechts) und Pia Lamberty (links) sind Drohungen ausgeset…
taz: Frau Nocun und Frau Lamberty, wie sah die Bedrohungslage vor der
Pandemie bei Ihnen aus?
Katharina Nocun: Ein Grundrauschen war bei mir schon immer da, einen ersten
Höhepunkt gab es 2016, als ich [1][auf meinem Blog] das Wahlprogramm der
AfD Baden-Württemberg analysiert hatte. Daraufhin wurde ich aus der
rechtsextremen Szene bedroht und landete auf einer Todesliste. Doch allein,
wer sich bei Twitter feministisch äußert, kann schnell in verschiedene
Verteiler kommen – und dann wird es schnell hässlich. Beleidigt und bedroht
zu werden, ist leider Alltag für uns beide und seit der Pandemie hat sich
die Lage noch einmal verschärft.
Taucht der Hass [2][auch in Ihrer analogen Welt auf]?
Es passiert, dass wir auf der Straße erkannt und angepöbelt werden. An
Tagen, an denen ich viel im Fernsehen zu sehen bin oder einschlägige Demos
stattfinden, gehe ich entweder kaum raus oder trage überall Maske, damit
ich nicht erkannt werde. Einmal war ich mit Pia essen, da ist ein Typ ganz
nah an unseren Tisch gekommen und hat zu ihr gesagt: „Du bist doch der
Corona-Engel“.
Pia Lamberty: Das war sehr unangenehm. Wir wussten nicht, was wir machen
sollen. Aufstehen und gehen? Können wir sitzen bleiben? Postet er das jetzt
irgendwo? Wird es gleich gefährlich? Wir selbst posten eigentlich nie etwas
Privates oder wo wir uns gerade aufhalten. Diese Bedrohungslage macht etwas
mit einem, lässt einen deutlich vorsichtiger werden. Ich hatte einen
digitalen Stalker, der mir jeden Tag in der Pandemie Mails geschrieben hat,
inklusive Bilder von Toten.
Gruselig. Gewöhnt man sich daran?
PL: Nein, ich finde nicht. Seit wir im Mai 2020 [3][unser Buch zu
Verschwörungserzählungen] veröffentlicht haben, ist die Lage wirklich
krass. Der Hass, den wir abbekommen, verläuft meiner Wahrnehmung nach in
Wellen – und bislang gab es vier Hauptwellen: Die erste
Demonstrationsphase, im Sommer wurden wir viel aus der QAnon-Ecke bedroht,
dann kam die Aktion #AllesDichtMachen und aktuell ist es wieder sehr
aggressiv. E-Mails mit mehrfachen Todesdrohungen, Sexismus, Antisemitismus
und körperlichen Herabsetzungen sind das neue Normal. Und zwar auf allen
Plattformen: Bei Facebook, Instagram, Twitter oder Telegram. Überall da, wo
Menschen sind, ist auch der Hass.
Warum ist es jetzt gerade so schlimm?
KN: Immer wenn diese Gruppen das Gefühl haben, gesellschaftlichen
Rückenwind zu haben, wird es schlimm. Wenn sich die Gesellschaft also nicht
von Verschwörungserzählungen distanziert, sondern ihnen Raum gibt.
PL: Und die Leute haben keine Hemmungen, teilweise bekomme ich
Drohnachrichten inklusive Absender, mit Adresse und Handynummer.
Gehen Sie dann juristisch dagegen vor?
PL: Ich zeige Bedrohungen selten selbst an, damit meine Adresse nicht
aufgeführt wird. Es gibt zwar die Möglichkeit eines Antrags auf Schwärzung,
aber dem wird nicht immer gefolgt. Bei erfolgreicher Klage bekomme ich dann
vielleicht 50 Euro, aber dafür bekommt andererseits ein Hater meine
Privatadresse. Das ist es mir nicht wert. Ich muss also einen Umweg über
einen Anwalt oder eine Opferberatungsstelle gehen. Doch wenn ich alles
anzeigen würde, was in meinem Fall strafrechtlich relevant ist, müsste die
Beratungsstelle eine eigene Person nur für meine Belange anstellen. Hass
macht viel Arbeit, Hass kostet Zeit und Geld. Und ich glaube, das verstehen
viele nicht.
KN: Alles unter expliziten Vergewaltigungs- und Morddrohungen versuchen wir
mittlerweile zu ignorieren – es wäre sonst zu viel. Und sich nur um all den
härteren Kram zu kümmern, ist schon wahnsinnig viel Arbeit. Genau das ist
das Ziel der Hater: Die Leute hoffen, dass sie einem mindestens einen Tag,
eine Woche oder vielleicht sogar einen ganzen Monat im Jahr rauben, in dem
man sich sonst intensiver mit der Arbeit beschäftigt hätte.
Nimmt [4][der Hass] immer weiter zu?
KN: Was in letzter Zeit auf jeden Fall zugenommen hat, sind die unsäglichen
NS-Vergleiche, die überall auftauchen.
PL: In Zeiten großer Shitstorms habe ich schon das Gefühl, dass der
digitale Raum sich immer mehr vergiftet. Ich habe schon mit einigen
Nachwuchswissenschaftler:innen gesprochen, die sich aus Angst vor
den Konsequenzen nicht öffentlich äußern wollen. Und das ist wirklich
gefährlich. Marginalisierte Menschen haben sich mit sozialen Medien einen
Raum erkämpft, das hat zu mehr Diversität geführt. Aber wenn wir nichts
gegen den Hass und die Hetze tun, dann werden wir das wieder verlieren.
10 Feb 2022
## LINKS
[1] https://kattascha.de/%3Fpage_id=393
[2] /Massnahmen-gegen-rechten-Terror/!5665825
[3] /Psychologin-ueber-Verschwoerungsglauben/!5685695
[4] /Bundestagspraesidentin-zu-Hass-im-Netz/!5832563
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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