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# taz.de -- Ukraine-Fans bei EM 2024: Die Powerbanks sind aufgeladen
> Die Ukraine kann der Welt bei der EM zeigen: Wir leben, wir kämpfen, wir
> gewinnen. Ihre Fans müssen schwierigen Bedingungen trotzen.
Bild: Ukrainische Fans feiern den Sieg bei den Playoffs im März 2024
Die Menschen in der Ukraine glauben an ihre Nationalmannschaft. Kein
Wunder. Sie sind die „Golden Boys“, eine besonders talentierte Generation,
etliche von ihnen sind Stammspieler bei den ganz großen Vereinen in Europa.
Doch es geht um mehr als um Fußball. Für das vom Krieg zerrissene Land ist
die Teilnahme an einem solch großen Sportereignis eine Plattform, um der
Welt zu sagen: Wir leben, wir kämpfen und wir gewinnen. Auch für die
Olympischen Spiele in Paris haben sich die ukrainischen Fußballer
qualifiziert. Zum ersten Mal überhaupt.
Schon einmal wurde eine ukrainische Nationalmannschaft als „Golden Boys“ in
ein Turnier geschickt – zur Europameisterschaft 2016. Die Erwartungen waren
damals hoch. Die Generation um Andrij Jarmolenko und Jewhen Konopljanka
sollte zumindest eine Medaille aus Frankreich mitbringen. Daraus wurde
nichts.
Auch dieser Tage trauen die Fans in der Ukraine ihrer Mannschaft viel zu.
Doch längst nicht alle Ukrainer*innen werden die Möglichkeit haben, die
Spiele anzuschauen. Wegen der regelmäßigen Stromabschaltungen werden
Bildschirme dunkel bleiben. In diesem Frühjahr haben die Russen [1][drei
große Raketenangriffe auf den Energiesektor durchgeführt]. Die Behörden
haben die Zerstörung auf bis zu 40 Prozent der Energiekapazität beziffert.
Eine schnelle Reparatur ist nicht möglich.
Dazu kommt, dass im Sommer ganze Kernkraftwerk-Blöcke für Reparaturen
abgeschaltet werden müssen. Obwohl der Spitzenverbrauch im Herbst und
Winter zu verzeichnen ist und nicht jetzt, wurden Anfang Mai in der Ukraine
detaillierte Stromausfallpläne eingeführt. Meistens wird das Licht abends
ausgeschaltet – da laufen viele Spiele.
## Gebete an die Energieversorger
Und selbst wenn der Strom fließt, wird man die späten Begegnungen nicht in
Ruhe in den Kneipen verfolgen können. Die Ausgangssperre beginnt in den
meisten Städten der Ukraine um 23 Uhr, lange vor Schlusspfiff. In diesem
Sinne hat die Ukraine mit den Spielen in der Gruppenphase Glück – sie
finden nachmittags statt. Die Spiele gegen Rumänien und die Slowakei werden
um 16 Uhr ukrainischer Zeit angepfiffen (15 Uhr MESZ), das finale
Gruppenspiel gegen Belgien um 19 Uhr.
Sollte das ukrainische Team weiterkommen, die Spiele gar in die
Verlängerung gehen, müssten sich Fans über die Ausgangssperre hinwegsetzen.
Zusätzlich müssen alle mit Luftangriffen rechnen. Die Ukrainer*innen
haben mittlerweile gelernt zu unterscheiden, welche Angriffe eine größere
oder geringere Bedrohung darstellen. Millionenstädte wie Charkiw, Dnipro,
Saporischschja oder Odessa stehen fast täglich unter russischem Beschuss.
So geschehen am 23. Mai in Charkiw, [2][als russische Flugzeuge mehrere
Bomben auf ein großes Einkaufszentrum abwarfen]. 19 Menschen kamen ums
Leben, 55 wurden verletzt.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Behörden und der nationale
Fußballverband selbst in frontfernen Städten vorerst keine Pläne zur
Einrichtung von Fanzonen für Public Viewing haben, wie dies bei der Heim-EM
2012 oder den Turnieren 2016 und 2021 der Fall war. Vielen Fans bleibt
daher nur die Möglichkeit, ihre Powerbanks aufzuladen, Orte aufzuspüren, in
denen die Spiele übertragen werden, sowie Gebete an die Energieversorger zu
richten, auf dass zumindest während der Spiele der ukrainischen
Nationalmannschaft ausreichend Elektrizität vorhanden sei.
## Für die Ehre des Landes
Für viele ist das überaus wichtig. Denn auch nach dem Überfall Russlands
auf ihr Land verfolgen die Ukrainer*innen alles mit großem Interesse,
was mit ihrer Nationalmannschaft zu tun hat. Die hat seit November 2021
kein Match mehr auf ukrainischem Boden bestritten. Ihre sogenannten
Heimspiele trugen [3][die Blau-Gelben aus Sicherheitsgründen im Ausland
aus]. Meist in vollen Stadien in Polen und Deutschland, wo viele
Ukrainer*innen Zuflucht vor dem Krieg gesucht haben.
Die Übertragungen dieser Spiele im ukrainischen Fernsehen waren sowohl im
Hinterland als auch an der Front große TV-Ereignisse. Millionen Menschen
haben verfolgt, wie die Auswahl im Sommer 2022 die Qualifikation zur WM in
Katar knapp in den Play-offs verpasst hat. Umso größer war der Jubel Ende
März dieses Jahres, als die Ukraine erneut in den Play-offs stand, dieses
Mal jedoch dank unfassbarer Willenskraft gegen Bosnien-Herzegowina und
Island jeweils mit 2:1 gewann.
Nun bereitet sich das Team auf seinen Kampf vor – so wie es die Soldaten an
der Front jeden Tag tun. Die Spieler von Trainer Serhij Rebrow sind von
ihren Fähigkeiten überzeugt und reisen nach Deutschland, um für die Ehre
des Landes zu spielen.
## Wir müssen weiterkommen
Der Trainer ist dabei zweifellos der Motor des Teams. Der 49-Jährige kehrte
vor einem Jahr mit seiner Familie in die Ukraine zurück. Rebrow hätte in
den Vereinigten Arabischen Emiraten bleiben können, wo er den Erstligisten
al-Ain trainierte. Doch seit 2022 engagiert er sich für die finanzielle
Unterstützung der Armee und betont auf jede erdenkliche Weise: Das ganze
Land befinde sich im Krieg. Und die Fußballspieler sollten nicht vergessen,
wem sie die Möglichkeit verdanken, das zu tun, was sie lieben. „Ich
persönlich werde weiterhin der Armee und den von der russischen Aggression
betroffenen Menschen helfen. Ich bin froh, dass ich in die Ukraine
zurückgekehrt bin und für unseren Staat arbeiten werde. Auch meine Familie
ist zurückgekehrt“, sagte Serhij Rebrow im Juni 2023.
Jetzt sind seine Trainerqualitäten gefragt. Er weiß, wie er das Spiel an
die Fähigkeiten der Kicker anpassen muss, die ihm zur Verfügung stehen.
Absoluter Hingucker der Mannschaft ist sicher Artem Dowbik vom FC Girona,
Torschützenkönig in der angelaufenen Saison in der spanischen Primera
Division, noch vor Robert Lewandowski und Jude Bellingham. Auch an den
Qualitäten von Andrij Lunin, dem Torwart von Real Madrid, bestehen keine
Zweifel. Und dann gibt es da noch ein Supertalent: Heorhij Sudakow, den
erst 21-jährigen Spielmacher von Meister Schachtjor Donezk.
Im Wissen um die Stärke der Mannschaft hat man die Auslosung, die der
Ukraine die Gruppengegner Belgien, Rumänien und die Slowakei beschert hat,
ohne große Aufregung aufgenommen. Der Tenor ist eindeutig: Wir müssen
weiterkommen.
Aus dem Russischen: Barbara Oertel
12 Jun 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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