# taz.de -- Überwachung von Geflüchteten: Spionage-Software gegen Migranten | |
> Das Landesamt für Einwanderung durchsucht Handys von Menschen ohne | |
> Papiere, um ihre Identität zu ermitteln: Erfolglos, zeigt eine | |
> Linken-Anfrage. | |
Bild: Das Landesamt für Einwanderung darf Handys von Papierlosen beschlagnahme… | |
BERLIN taz | In den vergangenen vier Jahren hat das Landesamt für | |
Einwanderung 64 Mobiltelefone von Geflüchteten ohne Papiere durchsucht, um | |
dadurch Auskunft über ihre Identität zu erhalten. Das geht aus einer | |
Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten | |
Niklas Schrader und Elif Eralp hervor, die der taz vorliegt. Demnach waren | |
von den Handy-Ausspähungen ausschließlich ausreisepflichtige Menschen | |
betroffen. Gebracht hat die Maßnahme allerdings wenig: In 59 Fällen führte | |
die Auswertung zu keinem eindeutigen Ergebnis, lediglich in 6 Fällen konnte | |
dadurch die Identität bzw. Staatsangehörigkeit festgestellt werden. In | |
keinem Fall kam es dadurch zu einer Neubewertung der aufenthaltsrechtlichen | |
Situation. | |
Seit 2015 dürfen Ausländerbehörden Datenträger von Menschen ohne Papiere | |
beschlagnahmen und durchsuchen, wenn sie sich dadurch Auskunft über ihre | |
Identität oder Staatsangehörigkeit erhoffen. Die Maßnahme ist wegen ihres | |
massiven Eingriffs in die Privatsphäre extrem umstritten. Selbst der | |
Bundesrat monierte seinerzeit, dass dadurch das Schutzniveau für | |
Migrant*innen geringer ist als für mutmaßliche Straftäter*innen, bei | |
denen ein Richter die Durchsuchung genehmigen muss. | |
In Berlin wurden in 30 der 64 Fälle Handys ausgewertet, obwohl die | |
Betroffenen keine Zugangsdaten zur Verfügung stellten, also kein | |
Einverständnis gaben. In diesem Fall kann die Ausländerbehörde die | |
Zugangsdaten beim Telekommunikationsdienstleister anfordern. Aus der | |
Anfrage geht nun hervor: Reicht dies nicht aus, um das Handy zu knacken, | |
verwendet das Landesamt für Einwanderung seit 2020 die Software der | |
israelischen Firma Cellebrite. Die wird vor allem von von Polizeibehörden | |
und Geheimdiensten genutzt, um schwere Straftaten zu verfolgen. Laut | |
Senatsinnenverwaltung hat die Berliner Polizei die Software für mehr als | |
17.000 Euro gekauft und dem Landesamt für Einwanderung zur Verfügung | |
gestellt. | |
## „Entwürdigend und unverhältnismäßig“ | |
Die geringe Aufklärungsquote durch die teuren und umstrittenen | |
Handydurchsuchungen zeige, „dass das Instrument zur Klärung des | |
Aufenthaltsstatus ungeeignet ist“, sagt der Innenpolitiker Niklas Schrader | |
zur taz. „In 90 Prozent der Fälle gab es kein eindeutiges Ergebnis, | |
trotzdem müssen sich die Menschen nackig machen und ihre intimsten Daten | |
preisgeben.“ Für Schrader ist die Maßnahme „entwürdigend und | |
unverhältnismäßig“. Der entsprechende Paragraf gehöre daher auf Bundesebe… | |
abgeschafft und die Praxis in Berlin müsse überdacht werden. | |
Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus: „Der Senat hält in diesen | |
Fällen die gesetzlich zulässigen Eingriffe in die Grundrechte der | |
Betroffenen für verhältnismäßig, um dem legitimen Zweck der | |
Identitätsfeststellung und der Feststellung der Staatsangehörigkeit zu | |
genügen“, heißt es seitens der Innenverwaltung. | |
Dass die Ausspäh-Software durch die Berliner Polizei angeschafft wurde, | |
lässt für Schrader viele Fragen offen: „Eigentlich wird sie in Fällen | |
schwerer Kriminalität benutzt, warum wird sie gegen Menschen eingesetzt, | |
bei denen es um ihren Aufenthaltsstatus geht? Und für was wird sie sonst | |
noch benutzt?“ | |
17 Jun 2022 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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