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# taz.de -- Transfeindlicher Angriff in Osnabrück: Hasskriminalität oder nich…
> Die Osnabrücker Ausstellung „Gender Piracy“ wurde zum Ziel einer
> transfeindlichen Attacke. Die Polizei sieht darin erstmal keine
> Hasskriminalität.
Bild: Für die Polizei vor Ort nur Sachbeschädigung: Die beschmierte Scheibe d…
Osnabrück taz | Eigentlich könnte Joran Yonis zufrieden sein. Am
vergangenen Samstag hat im Osnabrücker Kunstraum „Hase 29“ „Gender Pirac…
eröffnet, eine schonungslose, aufklärerische Ausstellung „zur
Dekonstruktion von Geschlecht“. Sechs internationale künstlerische
Positionen hat Yonis für sie kuratiert, vom Video bis zur Installation. Das
Ziel der Ausstellung: der gesellschaftlichen Ausgrenzung von inter*-,
trans*- und nicht-binären Personen entgegenzutreten. Die Umsetzung ist
überzeugend gut gelungen.
Aber zufrieden ist Yonis nicht. Denn in der Nacht des Eröffnungstags kommt
es zu einer Attacke auf die Fensterfront der Galerie. Unbekannte sprayen
ein transfeindliches Bibel-Graffito auf die Scheibe, riesig groß, schwarz:
„Gott schuf euch als Mann und Frau“ steht da.
„Erst hatten wir überlegt, das dranzulassen“, sagt Yonis. „Aber die
Ausstellung will empowern, gerade auch Jugendliche, deswegen haben wir es
abgemacht.“ Aber auch wenn die Scheibe jetzt wieder sauber ist: Die Tat
wirkt nach.
[1][Die Ausstellung „Gender Piracy“] stelle gesellschaftliche Normen
infrage, sprenge Rollenbilder, wolle Sichtbarkeit herstellen, so Yonis. Das
ruft Abwehr auf den Plan, Unverständnis, Hass. „Dass was passiert, hat mich
nicht gewundert“, sagt Yonis. „[2][Viele Queer- oder Transpersonen erleben
in ihrem Alltag Übergriffe], auch physische.“ Aber dass es so schnell
geschehen würde, und in dieser Form, damit habe keiner gerechnet.
Die Polizei kommt. Elisabeth Lumme, Vorsitzende der „Hase 29“, erstattet
Anzeige. Was dann geschieht, schockiert Yonis, die dabei ist und die mit
den Polizisten spricht, bis heute: „Das hätte doch als Hasskriminalität
gewertet werden müssen! Aber für die Polizei war das nur eine
Sachbeschädigung.“ Schließlich stünden keine Schimpfwörter an der Scheibe,
außerdem sei niemand verletzt worden, habe man ihr gesagt.
„Die Polizisten haben das Spray-Tag völlig kontextlos gesehen“, sagt
Elisabeth Lumme. „Und das halte ich für falsch.“ Die Vorsitzende des
Kunstraums versucht, der Polizei zu erklären, dass es eine Rolle spielt,
dass das Spray-Tag so positioniert ist, dass es in den Ausstellungstitel
eingreift, dass es ihn angreift. Sie versucht zu erklären, dass hier eine
demonstrative Verachtung der Inhalte von „Gender Piracy“ vorliegt, eine
Verachtung von Queer- oder Trans-Personen. „Aber da hieß es nur, das sei
durch das Grundgesetz gedeckt.“
Diana Häs, queerpolitische Sprecherin der Ratsfraktion der Osnabrücker
Grünen, zeigt sich entsetzt über die Tat: „Der transfeindliche Spruch auf
dem Schaufenster von ‚Hase 29‘ ist ein Angriff auf die freie Bürgerschaft
unserer Friedensstadt. Hier sollen inter- und transsexuelle Menschen
eingeschüchtert und die Kunstfreiheit beschränkt werden“, sagt sie. Das
werde man sich nicht bieten lassen. „Die Politik muss sich solidarisch
zeigen. Das hat der Stadtrat im Rahmen seiner gestrigen Sitzung auch
getan.“
Volker Bajus, Abgeordneter der Grünen im Niedersächsischen Landtag,
ergänzt: „Von der Polizei erwarten wir, dass sie die Tat als
Hasskriminalität verfolgt. Denn genau darum handelt es sich hier!“ Das als
Sachbeschädigung abzutun, verniedliche die Tat und verkenne, dass mit der
Ausstellung auch die Künstler*innen angegriffen worden seien.
„In dieser Sache wurde eine Anzeige aufgenommen“, bestätigt
Polizeioberkommissarin Konstanze Heine. Das Ermittlungsverfahren werde
„aufgrund der Gesamtumstände beim hiesigen Staatsschutzkommissariat
geführt“. Das setze eine politische Motivation voraus.
Und die Vor-Ort-Einordnung als reine Sachbeschädigung? Hasskriminalität,
erklärt Heine, bezeichne politisch motivierte Straftaten, „wenn in
Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie aufgrund von Vorurteilen des
Täters“ begangen wurden. Zwei der Kriterien für eine solche Einordnung
seien „Geschlecht/sexuelle Identität“ und „sexuelle Orientierung“. Hass
trifft es also doch, oder? Heine lässt das offen.
Wer vorherrschende Vorstellungen von Geschlecht hinterfragen will, dem gibt
„Gender Piracy“ starke Impulse. Und genau der Hass, den die Schau durch die
Spray-Attacke erlebt hat, wird in der Ausstellung thematisiert. Die Attacke
zeigt unfreiwillig, wie wichtig die Ausstellung ist. Yonis hofft, dass aus
Bibelschwärze an der Scheibe etwas Hoffnungshelles erwächst: „Vielleicht
steigt dadurch ja die Sensibilisierung“, sagt die Künstler*in.
„Gender Piracy“ hat nicht nur im Stadtrat Bestärkung erfahren. Bei
[3][Instagram] zeigen Hunderte Unterstützer*innen Solidarität. Auf
[4][Facecook] spricht das Osnabrücker Festival „Gay in May“ von
Diskriminierung, solidarisiert sich die Kulturszene der Stadt. „Keep up the
good work“, schreibt dort ein Kommentator. „Und lasst euch nicht
einschüchtern.“
18 Nov 2021
## LINKS
[1] https://hase29.de/gender-piracy/
[2] /Gewalt-gegen-LGBTIQ-Community/!5738694
[3] https://www.instagram.com/hase29/?hl=de
[4] https://www.facebook.com/29hase/
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Diskriminierung
Transgender
Transfeindlichkeit
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Osnabrück
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Hamburg
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