# taz.de -- Tödlicher Polizeieinsatz in Dortmund: Sechs Schüsse ohne Vorwarnu… | |
> Im Prozess um den von der Polizei in Dortmund getöteten Mouhamed Dramé | |
> räumen Beamte ein, dass ohne Vorwarnung geschossen wurde. | |
Bild: Die fünf angeklagten Polizeibeamtinnen und -beamten im Gerichtssaal des … | |
DORTMUND taz | Der von der Polizei am 8. August 2022 von der Polizei in der | |
Dortmunder Jugendhilfeeinrichtung St. Antonius [1][erschossene Mouhamed | |
Dramé] ist bei dem Einsatz offenbar nicht deutlich gewarnt worden – weder | |
vor dem bevorstehenden Einsatz von Pfefferspray und Elektroschockpistolen, | |
sogenannten „Tasern“, noch vor Schüssen aus einer Maschinenpistole. Das hat | |
der am Einsatz beteiligte Polizeibeamte Hassan Abu R. am siebten Prozesstag | |
am Mittwoch als Zeuge vor dem Landgericht Dortmund ausgesagt. | |
Bestätigt wurden damit Aussagen von zwei Zivilpolizisten, die bereits eine | |
Woche zuvor als Zeugen befragt wurden – und sich ebenfalls nicht an | |
entsprechende Androhungen erinnern konnten. | |
Der [2][seit Dezember 2023 laufende Prozess] soll klären, wer für den Tod | |
des aus dem Senegal stammenden 16-jährigen Geflüchteten verantwortlich ist. | |
[3][Angeklagt sind fünf Polizist:innen]: der Maschinenpistolen-Schütze | |
Fabian S. wegen Totschlags, drei seiner Kolleg:innen wegen gefährlicher | |
Körperverletzung und ihr Einsatzleiter wegen Anstiftung dazu. | |
Schon heute macht das Gerichtsverfahren klar, wie hektisch und nervös die | |
Beamt:innen damals auftraten, wie unprofessionell der Einsatz ablief. | |
Schließlich galt [4][Mouhamed Dramé als suizidgefährdet]. Am | |
Montagnachmittag des 22. August 2022 hockte er im Hof einer | |
Jugendhilfeeinrichtung in der migrantisch geprägten Dortmunder Nordstadt, | |
richtete ein 15 bis 20 Zentimeter langes Küchenmesser gegen seinen eigenen | |
Bauch. Auf Worte von Betreuer:innen reagierte er nicht. Per Telefonanruf | |
bat der Leiter der Einrichtung die Polizei deshalb um 16.25 Uhr um Hilfe. | |
## Sechs Schüsse aus der Maschinenpistole | |
Doch nur 22 Minuten nach Beginn dieses telefonischen Notrufs, um 16.47 Uhr, | |
feuerte der Polizist Fabian S. sechs Schüsse mit einer Maschinenpistole vom | |
Typ Heckler & Koch MP5, von denen die nordrhein-westfälische Polizei in | |
jedem Streifenwagen zwei Stück mitführt, auf den Jugendlichen ab. Er traf | |
Mouhamed Dramé im Gesicht, am Hals, in Schulter, Arm und Bauch. Der | |
16-Jährige starb kurz darauf in einem nahegelegenen Krankenhaus. | |
Auslöser der Schüsse war offenbar der massive Einsatz von Pfefferspray | |
unmittelbar zuvor. Der sei erfolgt, damit Mouhamed Dramé „an seine Augen | |
greift und dabei das Messer loslässt“, sagte der Beamte Hassan Abu R. als | |
Zeuge. Direkt danach sei Dramé schnell nach rechts in Richtung der | |
Polizist:innen gelaufen – also in die einzige Richtung, die ihm zur | |
Flucht vor dem Reizgas blieb: Der 16-Jährige stand auf dem Gelände der | |
Jugendhilfeeinrichtung in einer Art Sackgasse. Hinter und links neben ihm | |
waren Gebäudemauern, vor ihm ein hoher Metallzaun. | |
## Polizist verteidigt Schüsse | |
Die Polizist:innen aber werteten die Bewegung als gefährlichen Angriff | |
– schließlich soll Dramé das Küchenmesser noch immer in der Hand gehalten | |
haben. Dabei verwiesen die als Zeugen gehörten Beamten immer wieder auf die | |
sogenannte Sieben-Meter-Regel: Die besage, dass auf einen mit einem Messer | |
bewaffneten Angreifer präventiv und aus Selbstschutz zu schießen ist, wenn | |
dieser eine Distanz von sieben Metern unterschreitet. | |
Mit einem Zeitabstand von nur 0,7 Sekunden wurde Mouhamed Dramé deshalb mit | |
zwei Tasern und der Maschinenpistole beschossen. Der Polizeibeamte Hassan | |
Abu R. hält auch den Gebrauch der MP5 noch heute für richtig: „Hätte Herr | |
S. nicht geschossen“, sagte er am Mittwoch vor dem Dortmunder Landgericht, | |
„hätte ich geschossen“. | |
7 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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