# taz.de -- Terror in der Ukraine: Tödlicher Anschlag auf Journalisten | |
> Pawel Scheremet stirbt bei der Explosion einer Autobombe im Zentrum von | |
> Kiew. Er war ein erklärter Kritiker der russischen Ukraine-Politik. | |
Bild: Pawel Scheremet bei einer Medien-Konferenz 2013 in Moskau | |
KIEW taz | Der Journalist Pawel Scheremet, machte sich am Mittwochmorgen | |
von seiner Wohnung im Zentrum Kiews auf den Weg zu seiner Arbeitsstelle, | |
Radio Vesti. Dort sollte er seine morgendliche Sendung moderieren. Nur | |
hundert Meter weiter wurde der Wagen von einer gewaltigen Explosion | |
gestoppt. Um 7.45 Uhr verstarb Scheremet. Die Explosion ließ einen 50 | |
Zentimeter tiefen Krater zurück. | |
Augenzeugen berichten, Scheremet habe noch kurz um Hilfe gerufen. Die | |
Explosion, so die Polizei, sei aus dem Innern des Wagens gekommen. Nur eine | |
Stunde nach dem Tod des Journalisten sprach Generalstaatsanwalt Juri | |
Luzenko angesichts der drückenden Beweislast von einem Mord. | |
Die Täter seien Profis gewesen, sagte Sorjan Schkirjak, Berater des | |
ukrainischen Innenministers. Das sei an der Konstruktion der unten am Auto | |
angebrachten Bombe zu erkennen. Die Bundespolizei leitete sofort | |
strafrechtliche Ermittlungen ein. | |
Pawel Scheremet, ein Weißrusse mit russischem Pass, war ein enger Freund | |
des ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow. Die russische | |
Ukrainepolitik hat er stets offen abgelehnt. Vor drei Jahren war er von | |
Moskau in die Ukraine übergesiedelt. | |
## Bevölkerung schockiert | |
Der Mord an Scheremet schockiert nicht nur die ukrainische Bevölkerung. | |
Auch in Weißrussland und Russland ist man entsetzt. Der bei seinem Tod | |
44-jährige Scheremet hatte 1996 die Stelle eines Korrespondenten beim | |
ersten russischen Fernsehens in der weißrussischen Hauptstadt Minsk | |
angetreten. Dort hatte er schon ein Jahr später durch eine Reportage von | |
der litauisch-weißrussischen Grenze den Zorn des weißrussischen Behörden | |
auf sich gezogen. In der Folge saß er drei Monate in Haft. | |
Nach seiner Entlassung war er nach Russland übergesiedelt, wo er für | |
verschiedenen Zeitungen und Fernsehstationen gearbeitet hatte. Vor drei | |
Jahren begann er für ukrainische Medien zu arbeiten, darunter auch das | |
Internetportal Ukrainska Prawda. „Es ist vor allem das Lachen von | |
Scheremet, das ich nicht vergessen werde“, erinnert sich Sergei Nikitin vom | |
Moskauer Büro von Amnesty International an den ermordeten Journalisten. | |
„Dies ist nicht der erste Mord an einem Journalisten in der Ukraine“ so | |
Nikitin. „Die Behörden des Landes müssen alles tun, um zu verhindern, dass | |
ein Journalist getötet wird, nur weil er seine Arbeit macht“, so der | |
Menschenrechtler. | |
Auch die OSZE verurteilte den Mord. Dunya Miyatovich, Beauftragte für die | |
Freiheit der Medien, verurteilte den Mord und rief die ukrainischen | |
Behörden auf, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. „Ich weiß, warum | |
er umgebracht wurde“, kommentiert Nadja, eine Rentnerin in Kiew, die an | |
einer Haltestelle auf ihren Bus wartet, den Mord. „Dafür, dass er immer die | |
Wahrheit gesagt und geschrieben hat“. | |
## Angriff mit einem Messer | |
Viele Bewohner in Kiew fragen sich jetzt, warum man ausgerechnet auf einen | |
Journalisten einen Anschlag verübt hat, der mit den ukrainischen Behörden | |
nicht in Konflikt geraten war. Doch der Anschlag könnte auch einer anderen | |
Person gegolten haben: der Chefin des Internetportals Ukrainska Prawda, | |
Olena Prytula. Der Wagen, in dem ihr Lebensgefährte Scheremet getötet | |
wurde, gehörte ihr. | |
Unterdessen wurde bekannt, dass eine weitere Journalistin tätlich | |
angegriffen wurde. Maria Rydvan, Redakteurin der ukrainischen Ausgabe von | |
Forbes, war am Dienstag in einem Kiewer Park von einem Unbekannten mit | |
einem Messer attackiert und dabei leicht verletzt worden. | |
20 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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