# taz.de -- Subventionen für Unternehmen: Alles über den Industriestrompreis | |
> Was tun gegen hohe Energiekosten für Unternehmen? Noch ein Ampelstreit. | |
> Aber auch Wissenschaft und Wirtschaft sind uneins. | |
Bild: Wirtschaftsminister Habeck im Juli zu Besuch bei ThyssenKrupp in Duisburg | |
Auch wenn Olaf Scholz bei der [1][Kabinettsklausur in Meseberg] beim Nein | |
zum Industriestrompreis blieb – die Diskussion darüber ist längst nicht | |
beendet. Denn Konsens in der Ampel ist, dass die Regierung der Wirtschaft | |
bei den Kosten für Elektrizität unter die Arme greifen will. Um das Wie | |
wird gestritten. | |
1 Was ist der Industriestrompreis überhaupt? | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert den [2][Industriestrompreis] | |
bereits seit Mai. Der Grünen-Politiker schlägt einen subventionierten | |
Strompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde für energieintensive Unternehmen | |
vor, die im internationalen Wettbewerb stehen. Andere fordern 4 bis 6 Cent. | |
Da die Subventionen laut Habeck nur bis 2030 gelten sollen, ist in seinem | |
Vorschlag von einem „Brückenstrompreis“ die Rede. Denn ab 2030, so die | |
Hoffnung, hat der Ausbau der Erneuerbaren die Strompreise so weit gedrückt, | |
dass eine Förderung nicht mehr notwendig ist. | |
2 Wie hoch wären die Kosten für einen Industriestrompreis? | |
Habeck geht davon aus, dass die Höhe der Subventionen bis 2030 insgesamt 25 | |
bis 35 Milliarden Euro betragen wird. Ausschlaggebend für die tatsächlichen | |
Kosten ist die Entwicklung der Strompreise, da der Wirtschaftsminister den | |
Unternehmen die Differenz zwischen dem garantierten Strompreis und dem | |
Börsenstrompreis zahlen will. Je schneller die Strompreise sinken, desto | |
günstiger wird also die Maßnahme. | |
3 Was sind die Alternativen? | |
Während Grüne und SPD für einen Industriestrompreis sind, sind Kanzler | |
Scholz und die FDP dagegen. Die Liberalen wollen lieber die Stromsteuer | |
senken. „Wir müssen insgesamt mit den Energiekosten runter“, betonte | |
Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Rande der Kabinettsklausur. Dies | |
würde den energieintensiven Firmen allerdings nur bedingt helfen, da sie | |
teilweise bereits Rabatte auf die Steuer bekommen. Eine weitere | |
Alternative, die im Gespräch ist: die Reaktivierung der Atomkraft. | |
Allerdings hat die Kernkraft zuletzt nur noch 6 Prozent der Stromerzeugung | |
ausgemacht. Der preisdämpfende Effekt wäre wohl also nur gering, die Kosten | |
für die Reaktivierung dagegen hoch. | |
4 Was sagen Expert*innen? | |
Ähnlich zerstritten wie die Bundesregierung sind die Ökonom*innen. Zum | |
einen würden viele Unternehmen schon jetzt ein Kostenproblem haben, zum | |
anderen brauche man günstigen Strom für die Transformation der Industrie, | |
führen Befürworter*innen an. Kritiker*innen der Maßnahme sagen, | |
dass sie nur alte Strukturen zementiere. Zudem verteuere sie den Strom für | |
private Verbraucher*innen und andere Unternehmen, weil energieintensive | |
subventionierte Betriebe dann mehr Strom nachfragen und so die Preise in | |
die Höhe treiben würden. | |
5 Die Wirtschaft ist aber dafür? | |
Nein. Nicht alle Wirtschaftsverbände sprechen sich für den | |
Industriestrompreis aus. Vor allem Industrieverbände sind dafür. | |
Befürworter unter ihnen haben sich mit Gewerkschaften in der „Allianz pro | |
Brückenstrompreis“ zusammengeschlossen. Sie steht eigenen Angaben zufolge | |
für 1,1 Millionen Arbeitsplätze in über 8.000 Firmen. Auf der anderen Seite | |
warnt etwa der Verband der Familienunternehmen vor | |
Wettbewerbsverzerrungen. „Wir müssen den Strom für alle günstiger machen�… | |
spricht sich auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger gegen einen | |
Industriestrompreis aus. | |
6 Was heißt eigentlich „energieintensiv“? | |
Chemie, Pharma, Glas, Metall und Papier gelten als Industrien mit hohem | |
Energiebedarf. In diesen Branchen liegt der Anteil der Energiekosten an der | |
Produktion zwischen 3,3 und 4,9 Prozent. | |
7 Wandern die Firmen ab, wenn es keine Lösung gibt? | |
Derzeit hört man viel von Firmen, die unter hohen Energiekosten leiden. So | |
warnte der Ökonom Sebastian Dullien jüngst in der taz vor einem „Verlust | |
industrieller Substanz“. Doch Energiekosten sind nicht der einzige | |
Standortfaktor. Der Chemiekonzern BASF begründet seine China-Investitionen | |
nicht mit den hohen Energiekosten, sondern mit der Bedeutung des | |
chinesischen Markts. Gleichzeitig führen Gegner des Industriestrompreises | |
an, dass Strom im internationalen Vergleich hierzulande schon immer teuer | |
war. Wie groß der Schaden ist, wenn die Politik nicht handelt, ist also | |
nicht ausgemacht. | |
2 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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