# taz.de -- Straßenumbenennung in Berlin-Mitte: Die M-Straße und ihre Freunde | |
> Es gibt hunderte Widersprüche gegen die Umbenennung der M-Straße, aber | |
> die neue Gesetzeslage macht den Befürwortern Hoffnung. | |
Bild: Gegen die geplante Umbenennung der Mohrenstraße gibt es Einwände | |
BERLIN taz | Die Umbenennung der M-Straße in Mitte in | |
Anton-Wilhelm-Amo-Straße hat viele Befürworter – aber auch viele Gegner. | |
1.134 Widersprüche gegen den neuen Namen waren bis Anfang Juli beim | |
Bezirksamt eingegangen. 600 seien davon noch übrig, nachdem man die | |
Betreffenden informiert habe, wie ein Widerspruch korrekt einzulegen und | |
dass dieses Rechtsmittel kostenpflichtig sei, sagte Kulturstadträtin Sabine | |
Weißler (Grüne) am Mittwoch der taz. „Viele Menschen haben offenbar einfach | |
mal ihren unspezifischen Unmut geäußert und nicht gewusst, dass sie damit | |
die Ebene der Meinungsäußerung verlassen und ein Rechtsmittel einlegen. Wir | |
haben alle angeschrieben und erklärt, dass und warum ein Widerspruch vom | |
Gesetzgeber mit einer Gebühr belegt ist“, erklärte sie. | |
Weil nur 30 der Widersprüche von AnwohnerInnen kommen, geht die | |
Inititiative Dekolonize Berlin davon aus, „dass es um einen allgemeinen | |
Widerstand gegen eine kritische Aufarbeitung der deutschen | |
Kolonialgeschichte und dessen Wirksamkeiten“ gehe. Dass die Widersprüche | |
den Prozess der Umbenennung verzögern, wie die Initiative befürchtet, ist | |
laut Weißler noch nicht ausgemacht. Die Widersprüche würden vom Bezirksamt | |
schnell beantwortet – mit einer Abweisung. „Aber wenn dagegen jemand klagt, | |
könnte das Jahre dauern.“ | |
Das jedenfalls legt die Erfahrung aus dem Afrikanischen Viertel nahe: Gegen | |
die vor über zwei Jahren beschlossene Umbenennung dreier Straßen im Wedding | |
ist laut Weißler weiterhin eine Klage beim Verwaltungsgericht anhängig – | |
daher wurde die Umbenennung, der jahrelange Debatten in Politik und | |
Bürgerschaft vorangegangen waren, dort bislang nicht vollzogen. | |
In Neukölln hatte man da kürzlich weniger Bedenken: Auch gegen die dortige | |
Umbenennung der Wissmannstraße in Lucy-Lameck-Straße gibt es eine Klage, | |
über die noch nicht entschieden ist. Man habe die [1][Umbenennung dennoch | |
im April vollzogen], weil die Klage laut Rechtsabteilung des Bezirks wenig | |
Aussicht auf Erfolg habe, da die Klägerin „offensichtlich nicht antrags- | |
bzw. klagebefugt“ sei, erklärte eine Bezirkssprecherin der taz. Diese | |
Auffassung sei in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom | |
Verwaltungsgericht bestätigt worden. | |
## Koloniale Namen dürfen weg | |
Auch Weißler geht davon aus, dass das Verfahren bei der M-Straße schneller | |
geht. „Es ist inzwischen einfacher, weil die Ausführungsvorschriften zum | |
Berliner Straßengesetz geändert wurden“, erklärt sie. [2][Seither ist es | |
ausdrücklich möglich], Straßennamen zu ändern, die im Zusammenhang mit | |
Kolonialismus stehen. Die Zurückweisung der Widersprüche sei damit | |
einfacher zu begründen, und auch Klagen seien damit wohl schneller | |
erledigt, hofft die Stadträtin. | |
Seit den 90er Jahren fordern vor allem Schwarze Initiativen die Umbenennung | |
der M-Straße. Seit 2014 fand jährlich zum „Internationalen Tag zur | |
Erinnerung an den Versklavungshandel und seine Abschaffung“ am 23. August | |
das „Umbenennungsfest“ für die Straße statt, das seit 2015 vom Bündnis | |
Dekolonize Berlin veranstaltet wurde. Das Bündnis hatte auch den neuen | |
Namen vorgeschlagen, der zurückgeht auf den ersten Schwarzen Gelehrten | |
Preußens. | |
Doch die M-Straße hat auch Befürworter: Für sie ist M. kein rassistischer | |
Begriff, sondern gehört seit 320 Jahren zur Stadtgeschichte. Prominenter | |
Vertreter dieser Ansicht ist der Historiker Götz Aly, [3][der kürzlich in | |
der Berliner Zeitung schrieb]: „Zur Zeit der Benennung wurden in der | |
ständisch verfassten Gesellschaft einzelne Menschen- und Berufsgruppen mit | |
Straßennamen nicht diskriminiert, sondern ehrend als Gemeinschaften | |
hervorgehoben.“ Dem „grün-rot-rot durchherrschten Amt“ warf er vor, an d… | |
Einwohner*innen vorbei zu planen und sich zum Büttel einer einer | |
„kleinen, wenig informierten antikolonialistischen Gruppierung“ zu machen. | |
Diesen Vorwurf konterte Tahir Della vom Bündnis Dekolonize Berlin mit dem | |
Hinweis, dass im vergangenen Sommer eine Petition zur Umbenennung in | |
wenigen Tagen fast 15.000 UnterstützerInnen fand. Außerdem wies er darauf | |
hin, dass die Initiative zur Umbenennung vor allem von Menschen ausgeht, | |
die von Rassismus betroffen sind. Es sei geboten, ihre Expertise zur | |
Grundlage der Debatte zu machen, sagt Della. „Jedes Mal, wenn die | |
Haltestelle in der U-Bahn aufgerufen wird, werden Betroffene rassistisch | |
diskriminiert – das muss geändert werden.“ | |
Aly dagegen rief in seiner Kolumne dazu auf, beim Bezirksamt Widerspruch | |
gegen die Umbenennung einzulegen. Nicht wenige der Briefe und Mails an | |
Sabine Weißler dürften auf diesen Appell zurückzuführen sein. | |
14 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Strassenumbenennung-in-Berlin/!5762407 | |
[2] https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/verkehr/service/rechtsvorschriften/am… | |
[3] https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/rettet-die-berliner-mohren… | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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