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# taz.de -- Sprache und Rassismus: Leichter Jugo-Akzent
> Oft werden Menschen für ihren Akzent belächelt und herabgewürdigt. Dabei
> gibt es genügend Gründe, darauf stolz zu sein.
Bild: Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang Tassilo Schallenberg, der öst…
Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang Tassilo Schallenberg – so heißt
der österreichische Bundeskanzler, der seit fast zwei Monaten im Amt ist.
Nachdem [1][Sebastian Kurz nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten] ist,
wurde der ehemalige Außenminister Schallenberg am 11. Oktober zum Kanzler
angelobt. Ich finde, der Name „Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang
Tassilo“ klingt, wie wenn meine Migra friends und ich unsere ausländischen
Namen buchstabieren müssen: Erich Richard Konrad Udo Richard Theodor.
Bundeskanzler Schallenberg ist aber nicht migrantischer, sondern
aristokratischer Abstammung. Wobei, formal hat er auch
Migrationshintergrund, Schweizer, der spielt in Österreich aber keine
negative Rolle. Er hat aufgrund dieser Abstammung keine Morddrohungen
erhalten, wie [2][Österreichs Justizministerin Alma Zadić] aufgrund ihrer
bosnischen Herkunft.
Angeblich merke man seiner Sprechweise seine aristokratische Herkunft an,
er würde „schönbrunnern“, sagen die Österreicher*innen. Noch nie davon
gehört, für mich klingt er beim Sprechen ein bisschen wie Verwandte
exjugoslawischer Abstammung von mir, die würden aber „schenbrunnern“ sagen.
## Akzent meiner Familie
[3][„Hat schon wer erwähnt, dass Bundeskanzler Schallenberg beim Sprechen
so einen ganz leichten Jugo-Akzent hat?“], twitterte ich deshalb neulich,
was manche als schlimme Beleidigung bewerten: Ich wäre rassistisch, es wäre
unwürdig, so etwas zu schreiben. Wie bitte, was? Hätte ich statt
Jugo-Akzent amerikanischer oder norwegischer Akzent geschrieben, hätte das
keinen gestört.
Aber Jugo-Akzent wird als Beleidigung verstanden. Der Akzent meiner
Familie. Der Akzent, der für mich für den Mut steht, sich in der Fremde ein
völlig neues Leben aufzubauen. Diese unglaublich schwierige Sprache Deutsch
zu lernen, ohne die ebenfalls unglaublich schwierigen Sprachen
Bosnisch-Kroatisch-Serbisch (kurz: BKS) völlig auszuradieren. Es gibt
nichts, was für mich mehr nach Heimat klingt als Deutsch mit diesem, für
österreichisch-deutsche Ohren hart klingenden, Jugo-Akzent.
Ich habe es satt, dass dieser Akzent im besten Fall belächelt, im
schlimmsten herabgewürdigt wird. Zu oft erlebe ich, wie Menschen, die mir
die liebsten sind, aufgrund dieses Akzents mitten im Satz genervt
unterbrochen werden, so als würden die Zuhörenden diesen Akzent nicht eine
Sekunde länger ertragen können. Zu oft habe ich die Scham, die mit diesem
Akzent einhergeht, herausgehört, anstatt den Stolz, den er verdient. Zu oft
die Zuschreibungen in den Köpfen der Menschen gesehen, sobald jemand den
Mund aufmacht und dieser Akzent rauskommt.
Irgendwer schreibt unter meinen Tweet noch, das wäre doch kein Jugo,
sondern ein k.-u.-k. Akzent. Ach, so ist das: Wenn Aristokrat*innen so
sprechen, dann heißt es kaiserlich und königlich, wenn Migrant*innen so
sprechen, ist es ein Jugo-Akzent. Ajd čao.
29 Nov 2021
## LINKS
[1] /Oesterreichs-Ex-Bundeskanzler-Kurz/!5816203
[2] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5751082/Hasspostings_Kuge…
[3] https://twitter.com/MelisaErkurt/status/1461627020765507586
## AUTOREN
Melisa Erkurt
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