| # taz.de -- Sparmaßnahmen infolge von Corona: Hamburg kürzt beim Sozialen | |
| > Die Sucht-Beratungsstellen der Stadt fürchten Stellenverluste. Und eine | |
| > Notschlafstelle für junge Erwachsene wird nicht wie geplant eröffnet. | |
| Bild: Brauchen Hilfe des Staates: schutzbedürftige Menschen auf der Straße | |
| Hamburg taz | In Hamburg treffen Sparmaßnahmen infolge von Corona jetzt den | |
| sozialen Bereich. So protestiert die „[1][Hamburgische Landesstelle für | |
| Suchtfragen]“, weil ihren rund 30 Trägern ab 2022 keine Tarifsteigerung | |
| mehr finanziert wird und sie der Stadt ihre Rücklagen abgegeben müssen. | |
| Bleibe es dabei, bedeute das einen „Abbau von mindestens 15 | |
| Vollzeitstellen“. taz-Recherchen ergaben zudem, dass die lange | |
| [2][geforderte „Notschlafstelle“ für junge Erwachsene] nicht wie geplant | |
| zum 1. Januar eröffnet wird. | |
| Beides ist mit Blick in den aktuellen Haushaltsplan der Millionenstadt zu | |
| verstehen. So müssen alle Ressorts mehr Geld zurückhalten. Die „globale | |
| Minderausgabe“ steigt von zwei auf drei Prozent. „Das trifft den [3][Etat | |
| der Sozialbehörde] fatal“, sagt der Linken-Haushaltsexperte David Stoop. | |
| Weil in deren Einzel-Etat auch die Transferleistungen des Bundes wie | |
| Hartz-IV-Gelder als „Durchlaufposten“ verbucht sind, steigt die geforderte | |
| Minderausgabe von rund 70 Millionen Euro im Jahr 2020 auf knapp 140 | |
| Millionen Euro im Jahr 2022 an. Und weil Rechtsansprüche nicht kürzbar | |
| sind, trifft es die freiwilligen Leistungen. | |
| Dazu gehört die Suchthilfe. „Wir rechnen mit Einschnitten zwischen fünf und | |
| zehn Prozent. Und das, obwohl die Bevölkerung in Hamburg wächst und die | |
| Suchtgefährdung während Corona auf keinen Fall rückläufig ist“, sagt der | |
| Vorsitzende der Landesstelle Andreas Koch. Gerade bei Alkohol gebe es eine | |
| hohe Dunkelziffer, etwa jeder Zehnte habe damit ein Problem. Etwa ein | |
| Viertel der Abhängigen konsumiere illegale Drogen. | |
| ## Drogen-Substitution steht auf dem Spiel | |
| In einer [4][ausführlichen Stellungnahme] weist die „Landesstelle für | |
| Suchtfragen“ darauf hin, dass Rot-Grün im Koalitionsvertrag den | |
| Tarif-Ausgleich ausdrücklich zugesagt hatte. Das jetzige Vorgehen sei ein | |
| „Affront“. Denn schon seit 2012 wurden die Mittel für Drogen- und | |
| Suchtkrankenhilfe „weitgehend eingefroren“. Lediglich 2019/20 gab es eine | |
| Steigerung. Dabei zeige Corona, wie unverzichtbar die Grundversorgung für | |
| Abhängigkeitserkrankte sei. | |
| So habe die Einrichtung „Abrigado“ als einzige Beratungsstelle mit | |
| integriertem Drogenkonsumraum im Süderelbe-Bereich seit Ausbruch der | |
| Pandemie kontinuierlich geöffnet. „Täglich nutzen 80 bis 250 | |
| Drogenkonsumierende unsere Angebote“, schreibt der Träger. Nun drohe der | |
| Wegfall von drei Stellen und damit eine „massive Einschränkung der | |
| Öffnungszeiten und Angebote“. Auch das „Drob Inn“ hinterm Hauptbahnhof | |
| betreibt seit Pandemiebegin eine „Substitutionsambulanz“, deren | |
| Finanzierung künftig ungeklärt ist. „Hier steht die medizinische Versorgung | |
| von bis zu 100 Opioidabhängigen auf dem Spiel“, schreibt der Träger. Diese | |
| müssten sich dann „notgedrungen wieder in die Illegalität der | |
| Drogenbeschaffung begeben“. | |
| Man sei jetzt im Gespräch über Lösungen, sagt Andreas Koch. „Unsere Kritik | |
| richtet sich nicht gegen die Fachbehörde, sondern gegen die politische | |
| Vorgabe des Senats.“ Der Linken-Gesundheitsexperte Deniz Celik will nun das | |
| Thema im Fachausschuss des Parlaments zur Sprache bringen. Es sei | |
| „unfassbar und Ausdruck der sozialen Kälte, dass der Senat die Kosten der | |
| Coronakrise ausgerechnet auf die Ärmsten und Schutzbedürftigsten abwälzt“. | |
| Für David Stoop stellt sich die Frage, ob die Stadt die Rückzahlung der | |
| wegen Corona gemachten Schulden nicht strecken kann, wie es die | |
| Nachbarländer tun. | |
| Die Sozialbehörde sagt, man sei mit den Trägern noch im Gespräch. „Es | |
| stehen noch gar keine Ergebnisse fest“, so Sprecher Martin Helfrich. | |
| ## Notschlafstelle erst im Sommer | |
| Keine Antwort gab er auf die Frage der taz nach der „Notschlafstelle“ für | |
| junge Erwachsene. Laut [5][Bürgerschaftsbeschluss sollte diese zum 1. | |
| Januar] mit 20 Schlafplätzen für junge Wohnungslose von 18 bis 27 Jahren | |
| starten, die in Obdachlosenunterkünften fehl am Platz sind. Doch obwohl das | |
| nur noch wenige Wochen hin ist, gibt es immer noch keine Ausschreibung | |
| dazu. | |
| Wie von den Grünen zu erfahren ist, wird deren Eröffnung tatsächlich auf | |
| den Sommer verschoben. Sie fände das „sehr schade“, sagt die Grüne Mareike | |
| Engels. „Ein Start in den Wintermonaten wäre besser gewesen, so hat es die | |
| Bürgerschaft schließlich auch beschlossen.“ Wichtig sei nun, dass die | |
| Stelle nächstes Jahr an den Start geht. | |
| „Der Senat will hier noch einen ganzen Winter an den jungen Obdachlosen | |
| sparen“, sagt Ronald Prieß, Ex-Jugendreferent der Linken und Botschafter | |
| der Straßenkinder. „Ich finde, das ist ein Armutszeugnis“. Es sei zu | |
| hoffen, dass sich das Projekt nicht bis 2024 verzögert. Dann nämlich wird | |
| [6][der Neubau des Pik-As für obdachlose Männer] fertig, wo die Behörde die | |
| jungen Erwachsenen mit unterbringen möchte. | |
| 11 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.landesstelle-hamburg.de/ | |
| [2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76143/notunterbringung_fue… | |
| [3] https://www.hamburg.de/contentblob/14735948/69e724395daba423f0e2f2360317e81… | |
| [4] https://www.landesstelle-hamburg.de/2021/11/04/seit-15-jahren-systemrelevan… | |
| [5] /Junge-Obdachlose-in-Hamburg/!5779357 | |
| [6] /Neue-Koalition-in-Hamburg/!5685298 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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