# taz.de -- Suchtabteilung im Klinikum Emden: Zu wenig Platz für Abhängige | |
> In Emden müssen Betten auf der Suchtstation leer bleiben. Personal fehlt. | |
> Für Betroffene bedeutet das längere Wartezeiten – und eine höhere | |
> Belastung. | |
Bild: Wer alkoholabhängig ist und sich für einen Entzug entscheidet, braucht … | |
BREMEN taz | Auf der Suchtstation im Krankenhaus Emden stehen derzeit nicht | |
so viele Plätze wie gewohnt zur Verfügung. [1][Der Grund, natürlich: | |
Personalmangel]. Das berichtete die Nordwest Zeitung. Eine Sprecherin der | |
Trägergesellschaft bestätigte der taz, dass derzeit nur 14 von 20 Plätzen | |
belegt seien. „Normalerweise ist die Station voll ausgelastet“, so Andrea | |
Janssen. Die Plätze seien bereits Anfang August reduziert worden. | |
Konkret seien „krankheitsbedingte Personalengpässe“ in der Fachpflege | |
Psychiatrie derzeit das Problem. Da auf der Station die Patient:innen | |
von speziell ausgebildeten Mitarbeitenden betreut würden, sei es nicht | |
möglich, die Plätze in verschiedenen Bereichen der Klinik einzusparen und | |
die Belastung so aufzuteilen. Man suche „intensiv“ nach neuem Personal für | |
den Bereich. | |
Um die sechs aktuell leeren Betten auf der Suchtstation Emden zu schaffen, | |
seien keine Menschen vorzeitig entlassen oder verlegt worden, sagt Janssen. | |
Anfragen, die man derzeit nicht erfüllen könne, würden in Zusammenarbeit | |
mit umliegenden psychiatrischen Kliniken bearbeitet. „Unter anderem auch im | |
eigenen Klinikverbund“ mit der Ubbo-Emmius-Klinik in Norden. | |
Das Problem Personalmangel ist nicht neu. Zuletzt klagten | |
Pflegeeinrichtungen und Kliniken in der inzwischen abflauenden | |
Corona-Sommerwelle besonders laut über Ausfälle, die den ohnehin | |
vorhandenen Mangel verschärften. Betten wurden nicht belegt, Stationen | |
sogar vorübergehend dichtgemacht. | |
## Warten schwer auszuhalten | |
Dass es jetzt die Suchtstation in Emden trifft, ist für Betroffene bitter, | |
weiß Harald Spreda. Der Sozialarbeiter und Suchttherapeut leitet die | |
[2][Beratungsstellen der Diakonie in Emden] und Leer. Hierher kommen | |
Menschen, die unter Alkohol-, Medikamenten-, Medien- oder Glücksspielsucht | |
leiden, „in Einzelfällen auch Abhängige von illegalen weichen Drogen“. | |
Wenn sich Klient:innen für einen Klinikaufenthalt in Emden entscheiden, | |
liege die Wartezeit in der Regel bei ein bis drei Wochen, sagt Spreda. | |
„Mittlerweile muss man von vier bis fünf Wochen ausgehen.“ Das sei für | |
Betroffene schwer auszuhalten. | |
Denn: „Wer wirklich etwas unternehmen möchte und sich für eine Entgiftung | |
entscheidet, ist meist schon in einer sehr kritischen Situation“, sagt | |
Spreda, „gesundheitlich und sozial.“ Die Schwierigkeit sei, dann so viel | |
Geduld aufzubringen und sich auch weiter mit Drogen wie Alkohol zu | |
versorgen. | |
Klient:innen könnten nicht einfach aufhören zu konsumieren – sie seien | |
also gezwungen, weiter zu trinken, bis sie aufgenommen werden. Sofern sie | |
sich überhaupt noch selbst versorgen könnten. „Häufig stehen auch | |
verzweifelte Angehörige dahinter, die mit der Situation nicht mehr | |
zurechtkommen.“ | |
Die Klinik in Emden versuche herauszuhören, so Spreda, wo besonders | |
dringender Handlungsbedarf bestehe. Das eigentliche Problem, der | |
Personalmangel, könne es aber auch nicht abstellen. Dafür brauche es | |
[3][bessere Arbeitsbedingungen], mehr Wertschätzung und Geld für die | |
Bereiche Pflege, aber auch Sozialarbeit, sagt Spreda. „Das kann kein | |
Klinikum vor Ort ändern, da haben wir ein Umverteilungsproblem.“ | |
Die Beratungsstelle versuche, für abgewiesene Klient:innen auch Kontakte | |
zu anderen Kliniken im Umkreis zu vermitteln. Doch auch dort gebe es | |
Wartezeiten. Und nicht alle Kliniken seien für alle Indikationen geeignet. | |
Wer mit der Abhängigkeit auch schwere psychiatrische Begleiterkrankungen | |
wie eine Psychose habe, könne zum Beispiel auf der Station in Weener im | |
Landkreis Leer nicht behandelt werden. | |
Nachdem im Jahr 2020 aufgrund des Lockdowns die Anzahl der Klient:innen | |
von Spreda zurückgegangen war, haben er und seine Kolleg:innen in Emden | |
2021 einen Anstieg um 18 Prozent erlebt – in Leer sei es sogar noch | |
gravierender. Kolleg:innen aus anderen Fachstellen bestätigten dies, | |
sagt Spreda. Es gebe „deutliche Anhaltspunkte“ dafür, dass sich | |
[4][Suchterkrankungen während Corona verschärft] hätten. | |
## Eskalation im Homeoffice | |
Wobei es für Betroffene sehr unterschiedlich sei: „Manchen unserer Klienten | |
kam es ganz gelegen, dass Bars dicht hatten und Partys nicht stattfanden.“ | |
Bei anderen Menschen, die bereits vor der Pandemie einen auffälligen Konsum | |
gehabt hätten, sei es durch Homeoffice und Lockdown zu einer „Eskalation“ | |
der Situation gekommen. Genau lasse sich aber noch nicht sagen, welche | |
Auswirkungen Corona auf diese Krankheiten hat. | |
Auch weil Suchtproblematiken nicht plötzlich entstünden, sagt Spreda: „Die | |
Probleme werden oft erst deutlich, wenn man aus einer speziellen Situation | |
wieder rausgeht. Wenn jemand sehr viel alleine war und eine Kontrolle am | |
Arbeitsplatz hatte, ist das vermehrte Trinken vielleicht nicht | |
aufgefallen.“ Nach und nach werde dann aber deutlich, dass man nicht mehr | |
auf das Niveau von vorher zurückkomme. Diese Menschen seien jetzt natürlich | |
noch nicht im Hilfesystem erfasst. | |
Ähnlich sei es bei der Mediensucht. Es sei durchaus legitimiert, die | |
Freizeit allein im Lockdown hauptsächlich über das Internet zu gestalten. | |
„Das wird erst auffällig, wenn man von dem Level nicht mehr runterkommt.“ | |
17 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Notaufnahmen-sind-am-Limit/!5871713 | |
[2] https://www.diakonie-in-ostfriesland.de/fachstelle-fuer-sucht-und-suchtprae… | |
[3] /Psychologe-Bernhard-Kalicki-ueber-Kitas/!5871917 | |
[4] /Kiffer-in-Bremen-haeufiger-in-Behandlung/!5834035 | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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