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# taz.de -- Suchtgefahren in der Pandemie: Kein Alkohol ist auch eine Lösung
> Laut einer Umfrage trinken weniger junge Menschen exzessiv, aber
> regelmäßiger Alkohol. Eine psychische Disposition verstärkt dabei die
> Suchtgefahr.
Bild: Der Januar ist vorbei – und aus eins wird zwei
Es ist wieder diese Jahreszeit, in der sich [1][alles um Selbstoptimierung]
durch Verzicht dreht. Was früher die Fastenzeit war, hat sich verstärkt
durch soziale Medien an den direkten Anfang des Jahres verschoben. Gemieden
werden den Januar über vorzugsweise tierische Produkte, Zucker oder aber –
[2][und darum geht es hier – Alkohol].
Wenn dieser Text erscheint, ist der Monat bereits fast passé, ähnlich
dürfte es sich mit den guten Vorsätzen vieler verhalten. Denjenigen, die es
geschafft haben, sich ihrem Ziel anzunähern, gratuliere ich. Sicher fiebert
ihr bereits dem ersten kühlen Bier oder dem ersten Schluck Wein entgegen.
Fair enough.
Statt wieder von null auf hundert in alte Gewohnheiten zu verfallen,
schlage ich vor, den Alkoholkonsum nachhaltiger zu überdenken. Alkohol
steht hier eher exemplarisch für was auch immer uns schwerfällt zu
regulieren. Warum sonst üben wir uns einen Monat lang im Verzicht, hätten
wir nicht das Gefühl, uns beweisen zu müssen, dass wir es (noch) können?
## Aus eins wird zwei
Mir jedenfalls geht es so, und da ich echte*r Digital Native bin, habe ich
mich dem sogenannten Dry January verschrieben. Allzu schnell schleicht sich
dort Gewohnheit ein, wo es gerade noch um Genuss ging: [3][Ein Bier nach
körperlicher Anstrengung], ein Glas Wein nach getaner Arbeit.
Aus eins wird zwei und das dann schnell mal an mehreren Tagen die Woche,
statt vielleicht früher nur am Wochenende. Vor allem seit der Pandemie
scheint sich der Alkoholkonsum noch mal verändert zu haben, oder kommt es
mir nur so vor? Nicht, wenn man sich Studien aus der Coronazeit ansieht.
Die Anzahl junger Rauschtrinker*innen, die in Krankenhäuser eingeliefert
wurden, sei seit Corona zurückgegangen, heißt es in einer von der
Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) beauftragten Forsa-Umfrage. Dafür gaben
13 Prozent der Befragten an, insgesamt regelmäßiger Alkohol zu konsumieren.
Auch ein Bericht der OECD zeigt, dass sich der Alkoholkonsum durch die
Pandemie und die damit einhergehenden veränderten Lebensumstände verändert
habe. Stress, Ängste, Frust, sogar Langeweile begünstigten den Griff zur
Flasche.
## Eigenständige Krankheit
Das früher weitverbreitete Vorurteil, Alkoholismus sei Symptom einer
bereits vorherrschenden Persönlichkeitsstörung, konnte glücklicherweise
revidiert werden. Heute ist klar, dass es sich dabei um eine eigenständige
Krankheit handelt, eine Sucht, die Körper und Geist allmählich zerstört und
an der jede*r erkranken kann.
Dennoch wirkt sich Alkohol auf Menschen mit einer psychischen Disposition
häufig schwerwiegender aus – ihre Symptome verstärken sich durch den
regelmäßigen Konsum. Was sich kurzzeitig gut, gar hilfreich anfühlt, ist es
oft nach kurzer Zeit nicht mehr.
Ich merke, dass es mir nach fast einem Monat ohne Fusel um einiges besser
geht: Ich bin weniger müde, konzentrierter. Quälen mich doch manchmal
Ängste und Hoffnungslosigkeit, finde ich andere Wege der Zerstreuung.
26 Jan 2022
## LINKS
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[3] /Alkohol-und-Gesellschaft/!5810533
## AUTOREN
Sophia Zessnik
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