# taz.de -- Drogenkonsument*innen in der Coronakrise: Kaum Geld, teurer Stoff | |
> Das Leben drogenkranker Menschen hat sich „drastisch verschlechtert“, | |
> sagt die Suchthilfeorganisation „comeback“. Es fehlt an | |
> Substitutionsplätzen. | |
Bild: Für Drogenabhängige ist das Leben in Zeiten der Corona noch schwieriger… | |
Bremen taz | „Denkst Du, wir werden das überleben?“ Immer wieder hört | |
Cornelia Barth von der ambulanten Drogenhilfeorganisation „comeback“ gerade | |
diese Frage von ihren Klient*innen. „Klar hab ich Angst“, sagt Sophie | |
Meyer*, die eine von ihnen ist. Ein großer Teil der Drogenkonsument*innen | |
sind Risikopatient*innen, wenn es um das Corona-Virus geht: Sie haben | |
Vorerkrankungen an der Lunge oder am Herzen, HIV, Hepatitis oder auch mal | |
offene Wunden. | |
Und viele von ihnen können nicht einfach zu Hause bleiben, „denn sie haben | |
kein Zuhause im normalen Sinne“, sagt Barth. Die Notübernachtungen seien | |
voll, Einzelzimmer gebe es meist eh nicht. Und Kliniken und stationäre | |
Wohnangebote nähmen derzeit in der Regel keine neuen Patient*innen auf, so | |
Barth, vielfach würden Patient*innen sogar entlassen. „Viele Menschen | |
wohnen und schlafen weiter auf der Straße oder leben in prekären | |
Verhältnissen bei Bekannten.“ | |
Viele Einrichtungen, die die Konsument*innen sonst aufsuchen, sind überdies | |
zur Zeit geschlossen oder haben nur beschränkte Öffnungszeiten und beraten | |
nur noch telefonisch. Auch das Café von [1][comeback] im Tivoli-Hochhaus, | |
das sonst täglich von 80 Leuten besucht wird, hat nun zu. | |
Die Klient*innen könnten aber zum Telefonieren und Post abholen kommen und | |
auch ihre Nadeln und Spritzen tauschen, erklärt comeback. Außerdem gebe es | |
zumindest etwas Kaltes zu essen, belegte Brötchen, Frikadellen, Salate. | |
Zwar stehen die Suppenengel nun täglich auf der Bürgerweide und verteilen | |
Lebensmittel – Sophie Meyer aber geht da nicht hin: „Da sind zu viele“, | |
sagt sie. Zu groß ist ihre Angst vor einer Ansteckung. | |
## Drogen werden teurer | |
Ihr Geld verdiene sie mit dem Verkauf von Straßenzeitungen, sagt sie. „Aber | |
das ist schwer geworden.“ Je mehr Menschen sich isolieren, von zuhause | |
arbeiten, unter Quarantäne stehen und den Kontakt zu Fremden meiden, desto | |
schwieriger wird der Verkauf der [2][„Zeitschrift der Straße“], zumal deren | |
Vertriebsbüro gerade geschlossen ist, die Magazine also nur noch von den | |
wenigen Streetworker*innen verteilt werden können, die unterwegs sind. | |
Dabei braucht Sophie Meyer gerade mehr Geld als vor der Corona-Krise, denn: | |
das Gramm Stoff koste sie zur Zeit 30 Euro mehr als sonst. | |
„Manche können sich die Drogen nicht mehr leisten und im schlimmsten Fall | |
kommt es dann zu einem kalten Entzug, was für viele lebensbedrohlich sein | |
kann“, sagt [3][Bertold Reetz von der Ambulanten Suchthilfe]. Die | |
Alternative: Die Drogenkriminalität steigt. „Aber auch die Leute, die | |
klauen, haben mehr Probleme“, erzählt Meyer. Denn viele Geschäfte und | |
Kioske haben ja zu, sind also vor Diebstahl geschützt – aber die Läden der | |
Hehler sind damit eben auch zu. | |
Konsumiert werde derzeit vermehrt draußen, sagt Meyer, denn einen | |
geschützten Drogenkonsumraum gibt’s nicht. Und so gebe es gerade „mehr | |
Stress“ mit der Polizei als sonst. Die kann dazu gerade nichts sagen: Alle | |
Mitarbeiter*innen seien „aufs Höchste gefordert und müssen sich auf die | |
elementaren Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in unserer Stadt | |
fokussieren“, heißt es dort. | |
Drogenkranken fehlt es aber nicht nur an Wohnungen, Essen und Geld: „Es | |
fehlt auch an Substitutionsplätzen“, sagt Barth, also an der Möglichkeit | |
zur Vergabe von legalen Drogenersatzstoffen unter ärztlicher Aufsicht. | |
„Neben den Therapie- und Haftentlassenen bitten derzeit auch diejenigen um | |
Substitution, die sich bisher gut ohne durchschlagen konnten.“ | |
Und gerade hat die Justizsenatorin ja verfügt, dass jene, die | |
Ersatzfreiheitsstrafen absitzen, den Knast vorerst verlassen dürfen. Von | |
rund 650 Gefangenen sind das etwa 50. „Leute, die bisher nicht an | |
Substitution gedacht haben, kommen und fragen nun danach“, erzählt Barth. | |
Für EU-Ausländer*innen etwa gebe es derzeit keine Möglichkeit, sich | |
substituieren zu lassen. In Bremen gibt es drei Substitutionsambulanzen, | |
die etwa 150 Menschen betreuen. „Viele wollen den Ausstieg“, sagt Barth – | |
„und wieder Chef im Ring sein“. | |
Insgesamt habe sich die Lage für die Drogenkonsument*innen mit der | |
Corona-Krise „drastisch verschlechtert“. Wie lange das noch gutgeht? „Nic… | |
mehr lange“, sagt Sophie Meyer. | |
*Name von der Redaktion geändert | |
8 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.comebackgmbh.de/ | |
[2] https://zeitschrift-der-strasse.de/ | |
[3] /Archiv-Suche/!5673383&s=bertold+reetz&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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