# taz.de -- Drogenhandel in Irland: Dublins Dealer ziehen um | |
> In der Coronakrise hat sich der Drogenhandel noch stärker in die Viertel | |
> am Stadtrand verlagert. Im Zentrum sind die Straßen wie leergefegt. | |
Bild: Dublin fast ohne Menschen: Dealer können im Zentrum kaum mehr in der Mas… | |
DUBLIN taz | Seine abgetrennten Körperteile fand man in einer Sporttasche | |
in einem Park im Norddubliner Stadtteil Coolock. Keane Mulready-Woods | |
konnte anhand der DNS identifiziert werden. Er war 17. Kurz darauf | |
entdeckte die Polizei seinen Kopf, seine Hände und Füße in einem brennenden | |
Volvo Kombi im benachbarten Stadtteil Drumcondra. | |
Der Teenager ist nicht in Dublin umgebracht worden, sondern im Januar in | |
Drogheda, einer Kleinstadt 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Drogheda | |
ist nicht erst seit Corona ein Zentrum des Bandenkriegs – doch im Zuge der | |
Krise hat sich der Drogenhandel noch mehr in die benachteiligten Viertel am | |
Stadtrand und die Vororte verlagert. Die Dealer können sich in der Dubliner | |
Innenstadt „nicht mehr in der Menge verstecken“, sagte ein Polizeisprecher, | |
denn die Straßen sind leergefegt. [1][Die Ausgangssperre] gilt noch bis | |
mindestens 5. Mai. | |
Dessie Ellis, der Sinn-Féin-Abgeordnete für Finglas am nördlichen | |
Stadtrand, sagte: „Die Dealer konzentrieren sich jetzt wieder auf die | |
Arbeiterviertel. Vor 10, 15 Jahren hatte sich der Drogenhandel aus diesen | |
Vierteln in die Innenstadt verlagert, weil viele drogensüchtige Obdachlose | |
nachts in den Hostels in der Innenstadt unterkamen. Die sind aber jetzt zu, | |
die Junkies wohnen wieder bei den Eltern.“ Es sei ein Leben auf dem | |
Pulverfass, sagt Ellis, die häusliche Gewalt sei sprunghaft angestiegen. | |
Weil die Sozialhilfe wegen der Coronakrise nun vierzehntäglich statt bisher | |
wöchentlich ausgezahlt wird, haben viele Drogensüchtige plötzlich einen | |
Batzen Geld in der Tasche, das die Dealer ihnen abluchsen wollen. Andere | |
besorgen sich den Stoff auf Pump und begeben sich dadurch in die Hände der | |
Drogenbanden, die das Geld unbarmherzig eintreiben. | |
Mulready-Woods war Schuldeneintreiber. Er gehörte zur Bande von Owen | |
Maguire, auf den im Juli 2018 ein Mordanschlag verübt worden war, weil eine | |
rivalisierende Dubliner Bande sein Territorium in Drogheda übernehmen | |
wollte. | |
Die Drogenbosse vor Ort rekrutieren in letzter Zeit verstärkt Jugendliche, | |
die für sie die Drecksarbeit machen. Mulready-Woods war wenige Tage vor | |
seiner Ermordung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er eine | |
Familie massiv bedroht hatte, um die Schulden zu kassieren. Die Polizei | |
hatte ihn gewarnt, dass sein Leben in Gefahr sei. | |
Sein Schicksal war besiegelt, als er den Angriff auf ein Mitglied einer | |
gegnerischen Bande gefilmt und ins Netz gestellt hatte. Dem Opfer wurden | |
nach dem Besuch eines Fitnessstudios die Sporttasche und die Badelatschen | |
weggenommen. Die Rache ließ nicht lange auf sich warten: Mulready-Woods' | |
Körperteile befanden sich in einer Sporttasche, die Täter hatten die | |
gleichen Badelatschen dazugelegt. | |
Drogheda ist ein lukrativer Markt – ein aufstrebender Ort, in den viele | |
Pendler gezogen sind, die sich die Dubliner Hauspreise nicht leisten | |
können. Andererseits gibt es einige heruntergekommene Viertel und wenig | |
Möglichkeiten für Jugendliche, die deshalb eine leichte Beute für | |
Drogenbanden sind. | |
## 26 Todesfälle im Krieg der Drogenbanden | |
In den vergangenen fünf Jahren sind 26 Menschen im Krieg zwischen irischen | |
Drogenbanden gestorben, Hunderte wurden verletzt. Die Täter sind der | |
Polizei bekannt, aber es gibt nicht genügend Beweise, um sie zur | |
Verantwortung zu ziehen. | |
Der Drogenboom, der Ende der neunziger Jahre begann und Dublin zu einer | |
europäischen Kokainhochburg machte, ging einher mit dem Wirtschaftsboom in | |
Irland. Als die Blase 2008 platzte, brach auch der Kokainhandel ein. | |
Inzwischen hat sich die Wirtschaft erholt und der Drogenhandel ebenfalls. | |
Die Polizei spricht von einer „Uberisation“: Soziale Medien sorgen dafür, | |
dass Drogen innerhalb kürzester Zeit zur Kundschaft geliefert werden | |
können. | |
Fine-Gael-Politiker Fergus O’Dowd, der Abgeordnete für Drogheda, sagt, der | |
Drogenboom hing immer mit guten Jobs und hohem Einkommen zusammen. Was | |
passiert, wenn die Coronakrise vorbei ist? Die Arbeitslosigkeit wird auf | |
rund 20 Prozent steigen, das Geld nicht nur für Drogen, sondern auch für | |
Hilfsprojekte für Drogensüchtige wird knapp. | |
„Bewaffnete Polizei auf den Straßen ist keine Lösung“, sagt O’Dowd. „… | |
brauchen ein sogenanntes Outreach Team in Drogheda, das sich rund um die | |
Uhr um die Verletzlichsten in unserer Gesellschaft kümmert – mit | |
Unterkünften, Suppenküchen und allem, was dazugehört.“ | |
Mulready-Woods wäre so wohl nicht gerettet worden. Als Schuldeneintreiber | |
hat er vermutlich so viel verdient wie der Abgeordnete O’Dowd. | |
20 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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