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# taz.de -- Irland und das Coronavirus: Inseln haben einen Vorteil
> Maßnahme zum Ausbau medizinischer Infrastruktur: Irland hat private
> Krankenhäuser vorübergehend verstaatlicht.
Bild: Iren stehen mit großem Sicherheitsabstand vor einem Café in Dublin an
Dublin taz | Wenn die Coronakrise vorbei ist, wird Irland schöner aussehen
als je zuvor. Als die Regierung am 27. März eine Ausgangssperre ab dem
nächsten Tag ankündigte, dauerte es nur wenige Stunden, bis Wandfarben,
Blumensamen und Dünger ausverkauft waren.
Irland ist traditionell eine Nation der Hausbesitzer, und weil endlich
Frühling ist und keine Touristen im Land sind, nutzen viele die Zwangspause
für Schönheitsreparaturen.
Aber ganz so idyllisch ist das Bild nicht. Mehr als 500.000 Menschen, die
aufgrund der Coronakrise ihren Job verloren haben, erhalten
Arbeitslosenhilfe von 350 Euro pro Woche. Das sind 200.000 mehr als eine
Woche zuvor. Darüber hinaus haben fast 40.000 Firmen Unterstützung
beantragt: Die Regierung zahlt 70 Prozent der Löhne bis zu 410 Euro
wöchentlich, damit die Arbeitgeber niemanden entlassen müssen.
Die Arbeitslosigkeit ist bereits jetzt von 4,8 Prozent vor der Krise auf 18
Prozent gestiegen. Neben der Tourismusindustrie, die von 9 Millionen
Besuchern im Jahr lebt, ist das Baugewerbe am stärksten betroffen. Denn
gebaut werden darf nur, was direkt mit Corona zu tun hat. Fast 150.000
Menschen arbeiten in diesem Sektor.
## Feldbetten in Fabrikhallen zur Isolierung Obdachloser
Die Wirtschaft, so schätzen Experten, werde in diesem Jahr um 8 bis 10
Prozent schrumpfen. Vor der Krise hatte die Regierung mit einem kleinen
Haushaltsüberschuss gerechnet. Nun muss sie sich auf ein Defizit von 25 bis
30 Milliarden Euro einstellen. Aber das sind nur Schätzungen, es hängt
letztlich vom Verlauf der Krankheit ab.
[1][Irland hat recht früh auf die Pandemie regiert] und Schulen,
Kindergärten und die meisten Geschäfte geschlossen. Privatkrankenhäuser
wurden vorübergehend verstaatlicht. Dadurch hat man 2.000 Betten, 9
Laboratorien und 47 Betten in Intensivstationen gewonnen. Fußballstadien
wurden in Testcenter verwandelt, in Fabrikhallen hat man Tausende
Feldbetten für Infizierte aufgestellt, die sich nicht zu Hause isolieren
können – zum Beispiel Obdachlose.
Aber es fehlt nach wie vor an Test- und Laborkapazitäten, so dass man noch
keine klaren Aussagen machen kann. Fest steht lediglich die Zahl der Toten:
Am Donnerstag waren es in Irland 235 Tote, in Nordirland 78 Tote.
Ein weiteres Problem ist, dass die Maßnahmen in beiden Teilen Irlands nicht
koordiniert sind. Zwar hat man sich am Dienstag darauf geeinigt,
„medizinische Materialen gemeinsam zu beschaffen, soweit es für beide
Seiten von Vorteil ist“, aber das ist auch schon alles.
## Inseln haben eigentlich einen Vorteil
„Inseln hatten in der Geschichte immer einen Vorteil bei der Bekämpfung von
Epidemien“, sagt Gabriel Scally, Professor für öffentliche Gesundheit an
der Universität Bristol. „Es ist viel einfacher, die Ein- und Ausreise zu
kontrollieren, um den Import zu vermeiden. Aber wir vergeuden diesen
Vorteil gerade, weil es sehr verschiedene Ansätze gibt, um diese Krankheit
zu bekämpfen.“
Im Vereinigten Königreich habe man im Gegensatz zu Irland die Erfahrungen
aus China und Südkorea sowie den Rat der Weltgesundheitsorganisation WHO
ignoriert. „Der stellvertretende Chef-Mediziner für England erklärte
Journalisten vor kurzem, dass die Empfehlungen der WHO nur für Länder mit
niedrigem oder mittlerem Einkommen gelten“, sagt Scally.
Die wirklichen Probleme werden später auftreten, glaubt er: Wenn man die
Reisebeschränkungen lockere und Schulen sowie Fabriken wieder öffne, ohne
dass es in beiden Teilen Irlands einen effektiven Mechanismus zur Erkennung
und Behandlung neuer Fälle gebe, müsse man mit einem erneuten massenhaften
Ausbruch der Krankheit rechnen.
„Deshalb müssen die Politiker in Nordirland sich von den in London
beschlossenen Maßnahmen abkoppeln und eine gemeinsame Strategie mit den
Politikern in Dublin entwickeln“, sagt Scally.
Doch zunächst ist das Osterwochenende entscheidend: Normalerweise fahren
die Menschen von der Ostküste, vor allem aus Dublin, wo es bisher die
meisten Coronafälle gibt, über Ostern an die Westküste. Das könnte der
„Cheltenham moment“ für Irland werden. Das Vereinigte Königreich hatte ja
das berühmte Cheltenham-Pferderennen im März idiotischerweise stattfinden
lassen, wodurch die Zahl der infizierten in die Höhe schoss.
9 Apr 2020
## LINKS
[1] /Coronavirus-in-Irland/!5672088
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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