| # taz.de -- Sicheres Herkunftsland Afghanistan: Krasse Fehleinschätzungen | |
| > Die Lage im Land sei überwiegend sicher, das Risiko für Abgeschobene | |
| > gering, findet das Auswärtige Amt. Mit der Realität hat das wenig zu tun. | |
| Bild: Die deutsche Botschaft in Kabul ist gut gesichert | |
| Berlin taz | Die Bedrohungslage für einheimische Zivilisten in einem der | |
| intensivsten und am längsten anhaltenden Kriege weltweit findet das | |
| Auswärtige Amt „niedrig“. Das gelte „im Vergleich zu Risikogruppen“ se… | |
| in von Taliban kontrollierten Gebieten. So steht es in der neuen | |
| „Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag vom 31. Mai 2017“, die | |
| das Auswärtige Amt Ende Juli vornahm, um den Asyllagebericht von Ende 2016 | |
| zu ergänzen. Sie ist vertraulich, liegt aber jetzt Medien vor, darunter der | |
| taz. | |
| Am 31. Mai hatte ein schwerer Bombenanschlag in Kabul die deutsche | |
| Botschaft so stark beschädigt, dass sie geschlossen und der Botschafter in | |
| die besser geschützte US-Botschaft umziehen musste. Keiner der deutschen | |
| und afghanischen Mitarbeiter kam zu größerem Schaden, aber mindestens 90 | |
| Passanten starben, 460 wurden verletzt. Nach einem ähnlichen Anschlag im | |
| November 2016 schloss das deutsche Generalkonsulat im nordafghanischen | |
| Masar-i-Scharif. | |
| Als Risikogruppe stufen die Verfasser vor allem sich selbst ein. Prioritäre | |
| Ziele der Taliban seien „ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter�… | |
| sowie Angehörige der afghanischen Regierung und Streitkräfte – in dieser | |
| Reihenfolge. Die Taliban nähmen zwar „immer wieder“ zivile Opfer in Kauf, | |
| Zivilisten kämen aber vor allem zu Schaden, wenn sie bei Kämpfen zwischen | |
| die Fronten gerieten. | |
| Die Talibanführung hat ihre Kämpfer tatsächlich angewiesen, Zivilisten zu | |
| schonen, nur halten sich örtliche Kommandeure oft nicht daran. Zivilisten | |
| bleiben Hauptopfer des Krieges, seit zwei Jahren etwa auf gleichbleibendem, | |
| aber höchstem Niveau. | |
| Ziemlich daneben liegt das AA bei seiner Listung von zwölf Provinzen, in | |
| denen es ganz oder gebietsweise „keine Anzeichen“ für Angriffe der | |
| Aufständischen sieht. Aus zweien davon – Ghor und Farah – wurden gestern | |
| anhaltende Gefechte gemeldet; Farah ist seit Monaten ein neuer Fokus von | |
| Taliban-Angriffen. | |
| ## Quer zur UNO | |
| In Baghlan unterbrechen sie immer wieder die Hauptverkehrsader zum | |
| Bundeswehr-Stützpunkt in Masar. In Ghasni gab der Provinzgouverneur zu, | |
| dass sie mehrmals seine Hauptstadt zu stürmen versuchten. | |
| Wardak ist so voll von ihren Kämpfern, dass sie überhaupt nicht mehr | |
| anzugreifen brauchen. In Tachar knallte eine örtliche Miliz am Freitag in | |
| einer Moschee ein paar Gegner ab. Ruhig ist anders. Insgesamt | |
| schlussfolgern die Verfasser, habe sich die Bedrohung für afghanische | |
| Zivilisten seit Ende der Isaf-Mission 2014 „nicht wesentlich verändert“. | |
| Damit liegen sie quer zur UNO. Deren Afghanistan-Sondergesandter schrieb im | |
| aktuellen Bericht an den Weltsicherheitsrat: „Die | |
| Gesamtsicherheitssituation hat sich über 2016 und nach 2017 hinein weiter | |
| verschlechtert.“ Das lässt sich vor allem an der seit 2016 sprunghaft | |
| gestiegenen Zahl von Binnenvertriebenen ablesen. Und selbst im Bericht | |
| heißt es, mit dem örtlichen IS-Ableger sei ein weiterer Bedrohungsfaktor | |
| entstanden. | |
| Empfehlungen enthält der AA-Bericht nicht. Aber laut Medien haben sich das | |
| AA und das Bundesinnenministerium geeinigt, die derzeitige Praxis bei | |
| Abschiebungen nach Afghanistan beizubehalten: Straftäter, Gefährder (einen | |
| Afghanen soll es geben) sowie solche Asylbewerber, die sich „hartnäckig | |
| einer Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung verweigern“, werden | |
| abgeschoben. Letzteres ist ein sehr verwaschenes Kriterium, wie Pro Asyl | |
| kritisiert. Für Oktober ist die nächste turnusgemäße Einschätzung der | |
| „asylrelevanten“ Lage angekündigt. Damit soll das Thema Afghanistan wohl | |
| bis nach die Bundestagswahlen vertagt werden. | |
| 13 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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