# taz.de -- Senat blockiert Enteignungskommission: Kein Licht für Enteignungen | |
> Wohnungsmarkt bleibt intransparent: Mieterverein und DW Enteignen werfen | |
> dem Senat vor, der Expertenkommission wichtige Grundbuchdaten | |
> vorzuenthalten. | |
Bild: Mehr Schatten als Licht: Der Senat rückt die Grundbuchdaten für die eig… | |
Berlin taz | Sabotage, Blockade und immer wieder Verschleppung des | |
erfolgreichen Enteignungs-Volksbegehrens – die Initiative Deutsche Wohnen | |
Enteignen hat erneut Vorwürfe gegenüber dem Senat erhoben. | |
Die rot-grün-rote Koalition hat selbst eine Kommission zur Prüfung der | |
Vergesellschaftung von privaten Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 | |
Wohnungen eingesetzt – und verweigert nun offenbar die Herausgabe von Daten | |
aus den Grundbuchämtern. Anhand derer will die Kommisision ermitteln, | |
welche Firmen für Vergesellschaftung überhaupt in Frage kämen. Bereits im | |
Juli habe die mit der Prüfung beauftragte Expertenkommission Daten | |
angefordert, kritisiert die Initiative. | |
Weil vor allem die SPD-Spitze um die [1][Regierende Bürgermeisterin | |
Franziska Giffey] (SPD) das Ziel des Volksbegehrens ablehnt, rechtliche | |
Fragen sowie die Entschädigungshöhe noch offen sind, hat der Senat diese | |
auch koalitionsinternen Streitpunkte zunächst in diese Experten-Kommission | |
geschoben, die der Senat offenbar behindert. Für die Kommision geht es also | |
um die Frage, wem genau Berlin gehört und wie lange noch. | |
Klären soll die Kommission unter dem Vorsitz von Herta Däubler-Gmelin (SPD) | |
demnach auch, wie die Besitzverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt sind. Weil | |
der private Immobilienmarkt aufgrund zahlreicher Investmentfonds, | |
Briefkastenfirmen und Sub-Unternehmen besonders intransparent ist, hat die | |
Enteignungskommission den [2][Experten Christoph Trautvetter] vom Netzwerk | |
Steuergerechtigkeit beauftragt, Licht ins Dunkel zu bringen. | |
## Keine Auskunft aus den Grundbuchämtern | |
Allerdings wartet Trautvetter, der sich schon länger für die linken-nahe | |
Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der [3][Vermessung von Eigentümerstrukturen] | |
auf dem Berliner Wohnungsmarkt beschäftigt, seit über zwei Jahren auf Daten | |
aus den Grundbuchämtern. An der Blockadehaltung hat auch der offizielle | |
Auftrag der Enteignungskommission nichts geändert, in deren Auftrag im Juli | |
erneut Daten angefordert wurden. | |
Zuständig für die Grundbuchämter ist nicht nur Bausenator Andreas Geisel | |
(SPD), sondern auch Justizsenatorin Lena Kreck (Linke), wie Trautvetter der | |
taz sagte. Die Blockade liege allerdings vor allem auf der | |
Verwaltungsebene: Bei Gesprächen mit den beteiligten Behörden seien Beamte | |
sehr deutlich geworden, dass sie die Herausgabe von Grundbuchdaten für | |
rechtlich unzulässig hielten. Am Ende hätten beide Senatsverwaltungen | |
abgelehnt, so Trautvetter – obwohl es auch gegenteilige juristische | |
Einschätzungen in der Verwaltung gäbe. | |
Auch der Berliner Mieterverein schloss sich der deutlichen Kritik am Senat | |
an, [4][erneut die Umsetzung des Enteignungs-Volksbehrens zu behindern]. | |
„Wir sind gern bereit, bei juristischen Bedenken zu einer Lösungssuche | |
beizutragen“, sagt [5][Geschäftsführerin Ulrike Hamann]. Da andere | |
Bundesländer Grundbuchdaten für Forschungszwecke ebenfalls herausgeben, sei | |
nicht ersichtlich, „warum Berlin eine juristische Sonderrolle spielen | |
sollte.“ Hamann sagte: „Die Umsetzung des Volksentscheids drängt, denn der | |
Druck auf die Mieter:innen durch das Gewinnstreben der börsennotierten | |
Konzerne und Investmentfonds wird immer größer.“ | |
DW Enteignen wird noch deutlicher: Datenschutzbedenken seien vorgeschoben, | |
[6][heißt es dort]. Achim Lindemann, Sprecher der Initiative, sagt: „Diese | |
Daten nicht rauszurücken und die Arbeit der eigenen Kommission so zu | |
sabotieren, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten.“ Ohne die Daten könne | |
die Kommission nicht dem in der Koalition [7][vereinbarten Auftrag] | |
nachkommen. „Es wird Zeit, dass der Senat aufhört, seine schützende Hand | |
über die Großkonzerne zu halten, die uns allen das Leben schwer machen“, | |
sagt Lindemann. | |
## Mehrere Länder geben Daten für Forschung raus | |
Auch Trautvetter sagt: „Ohne die Grundbuchdaten lässt sich nicht seriös | |
ermitteln, welche Unternehmen in Berlin große Wohnungsbestände besitzen.“ | |
Berufung auf Datenschutz überzeuge nicht, weil „mehrere Bundesländer – mit | |
der gleichen oder einer sehr ähnlichen Rechtsgrundlage – die nötigen | |
Informationen für journalistische und wissenschaftliche Auswertungen zur | |
Verfügung gestellt haben.“ DW Enteignen verweist auf das Saarland, | |
Thüringen sowie die Städte Essen, Hannover und Dresden, die Grundbuchdaten | |
für wissenschaftliche Untersuchungen herausgegeben hätten. | |
Das Einfachste wäre es, im Zweifel die Gesetzesgrundlage zu ändern, sagt | |
Trautvetter gegenüber der taz. Mehr Transparenz hatte der Senat durch ein | |
Mietenkataster ohnehin geplant – passiert ist allerdings noch nichts. | |
Auf taz-Anfrage weist der Senat Verantwortung von sich und versteckt sich | |
im Berliner Behördendschungel: Die Grundbuchämter sind formal der | |
Justizbehörde unterstellt, ihre Aufgaben berühren aber auch Bereiche der | |
Baubehörde, insofern waren beide Verwaltungen beteiligt. Auf mehrfache | |
Nachfragen der taz bestätigt der Sprecher der Bauverwaltung, Martin | |
Pallgen, dass es ein gemeinsames Schreiben der Senatoren Kreck und Geisel | |
an die Kommissionschefin Däubler-Gmelin gab. Zum Inhalt könne Pallgen sich | |
aber nicht äußern – weil der in der Verantwortung der Justizsenatorin | |
liege. | |
Die Justizbehörde verweist wiederum an das Kammergericht, das den | |
Grundbuchämtern vorangestellt sein soll. Kurz vor Redaktionsschluss heißt | |
es dann aus der Justizbehörde, dass die „erbetenen Informationen aus dem | |
Grundbuch aus rechtlichen Gründen nicht erlangt werden“ könnten. Und | |
plötzlich sei das Liegenschaftskataster zuständig – und damit wiederum | |
Bausenator Geisel. | |
Däubler-Gmelin, Chefin der Enteignungskommission, wollte sich vorerst nicht | |
dazu äußern, weil sie „den Sachverhalt zunächst in der Kommission | |
besprechen“ wollte. | |
Am Donnerstag tagte die Kommission ab 15 Uhr erneut hinter verschlossenen | |
Türen – obwohl eigentlich vereinbart war, dass die Sitzungen des Gremiums | |
öffentlich stattfinden sollten. Eine öffentliche Sitzung ist hingegen für | |
den 8. oder 9. Dezember geplant. Ebenso will die Kommission vor Jahresende | |
einen Zwischenbericht vorlegen. | |
24 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Berliner-SPD-und-die-Enteignungs-Initiative/!5856029 | |
[2] /Studie-zum-Wohnungsmarkt-in-Berlin/!5723793 | |
[3] /Berliner-Volksbegehren-zum-Enteignen/!5764430 | |
[4] /Berliner-Wahlchaos-und-Sabotage-der-Volks-Ini/!5886429 | |
[5] https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/berliner-mieterver… | |
[6] https://www.dwenteignen.de/2022/11/senat-blockiert-arbeit-der-enteignungsko… | |
[7] /Expertenkommission-DW-Enteignen/!5844512 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
Andreas Geisel | |
Lena Kreck | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Verdrängung | |
Soziale Bewegungen | |
Volksentscheid | |
Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
Mieten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte um Enteignungen in Berlin: SPD kneift, Jarasch will enteignen | |
Die Initiative DW enteignen! lädt zur Podiumsdiskussion: Die SPD will dem | |
erfolgreichen Entscheid „Respekt zollen“, die Grünen wollen ihn umsetzen. | |
Linke will Transparenz auf Wohnungsmarkt: Daten für die Kommission | |
Wem gehört Berlin? Das will auch die Enteignungskommission wissen. Bislang | |
fehlende Daten will ihr die Linke durch eine Gesetzesänderung zugänglich | |
machen. | |
Weihnachten für umme (9): Enteignung muss nicht teuer sein | |
taz-Adventskalender: Der Finanzsenator schätzt die bisherige | |
Entschädigungssumme als zu hoch ein. Vergesellschaftung sei | |
haushaltsneutral machbar. |