| # taz.de -- Schweinefleisch bei Edeka Nord: Kastration ohne Not | |
| > Edeka Nord akzeptiert für sein Premium-Markenprogramm Gutfleisch ab 2021 | |
| > nur unter Narkose kastrierte Schweine. Dabei gäbe es gute Alternativen. | |
| Bild: Muss nicht sein: Ferkel vor seiner Kastration in einer Narkoseanlage | |
| Osnabrück taz | Kastration ohne Betäubung, bei Neugeborenen? Bis zum 1. | |
| Januar 2021 ist das erlaubt. Ferkel auf den Rücken drehen oder zwischen die | |
| Beine klemmen, zwei Schnitte, Hoden rausquetschen, Klinge durch die | |
| Samenleiter, fertig. Das Tier wehrt sich dabei, schreit, blutet. | |
| Millionenfach geschieht das in Deutschland pro Jahr. Wer Schweinefleisch | |
| kauft, will keinen hormonellen Ebergeruch. Also greifen viele Landwirte zum | |
| Skalpell. Drei Monate noch, dann ist diese Praktik verboten, nach Jahren | |
| immer neuer Übergangsfristen. Kastration ist dann zwar immer noch erlaubt, | |
| aber nur noch unter Vollnarkose, plus Schmerzmittel für danach. | |
| Eine Neuregelung, die zu Streit führt. Jörn Ehlers, Vizepräsident des | |
| Landvolks Niedersachsen, hat Edeka Nord jüngst für ein „fatales Zeichen“ | |
| kritisiert: Dessen Premium-Markenprogramm Gutfleisch akzeptiert ab Anfang | |
| 2021 männliche Schweine nur, wenn sie „chirurgisch kastriert“ wurden. Dabei | |
| gibt es zwei Alternativen dazu: Die Immunokastration, die Impfung | |
| männlicher Ferkel gegen den Ebergeruch, und die Jungebermast, die die Tiere | |
| gänzlich unversehrt lässt. | |
| Die Entscheidung von Edeka Nord treffe „alle engagierten Mäster, die sich | |
| mit den anderen beiden Varianten für mehr Tierwohl einsetzen und | |
| dahingehend ihre Mast und Ferkelerzeugung umgestellt haben“, sagt Ehlers. | |
| Dabei legen die Regionalgesellschaften Nord- und Südwest-Edeka sehr | |
| unterschiedliche Kriterien für das Fleisch für das Premiumlabel an: Edeka | |
| Südwest akzeptiert auch Fleisch aus Immunokastration und Jungebermast für | |
| die Marke Gutfleisch. Diese Diskrepanz sei „absolut unverständlich“, so | |
| Ehlers. Die „Unsicherheit bei den Bauern“ sei groß. | |
| Edmund Haferbeck, Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung bei PETA | |
| Deutschland in Stuttgart, kann Ehlers verstehen: Während Rewe „längst den | |
| tierschonenderen Weg eingeschlagen“ habe und bei seinem Markenprogramm | |
| „Markstück“ die Kastration komplett verbietet, setze Edeka „auf die | |
| grausamste, tierquälerischste Methode“. | |
| Mit Chirurgie habe die nichts zu tun: „Die Tierquäler von damals, die | |
| Sauenhalter und Ferkelerzeuger, bekommen jetzt, unter skandalöser | |
| Ausschaltung des Berufszweigs der Tierärzte, das verbriefte Recht, weiter | |
| quälen zu dürfen, jetzt sogar mit der Nutzung von Narkosemitteln. Der | |
| tierquälende Landwirt mutiert nach ein paar Stunden Schulung mal eben zum | |
| Tierarzt.“ Kontrollen der Betriebe gebe es fast nie. „Das ist ein | |
| weitgehend rechtsfreier Raum.“ | |
| „Richtig ist, dass wir in unserem Gutfleisch-Programm nur die unter Narkose | |
| stattfindende Kastration akzeptieren“, bestätigt Max Jendrik Sachau, | |
| Unternehmenskommunikation Edeka Nord, auf Anfrage der taz. „Diese | |
| Entscheidung haben wir in enger Abstimmung mit unseren zuliefernden | |
| landwirtschaftlichen Betrieben getroffen.“ Ein Hintergrundgespräch dazu sei | |
| „zurzeit nicht möglich“. Fragen zum Gutfleisch-Programm lässt er | |
| unbeantwortet. | |
| KritikerInnen warnen, sich von der Narkose-Verordnung zu viel zu | |
| versprechen. „Oft wird da mit blumigen Worten um sich geworfen“, | |
| relativiert Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros | |
| in Berlin. „Wenn der Verbraucher so was hört, denkt er natürlich: Das ist | |
| wie bei einer Operation, das passiert in steriler Umgebung. Aber so wird | |
| das nicht.“ | |
| Außerdem gehe es nicht nur um die Kastration. „Im selben Arbeitsgang werden | |
| oft auch die Ringelschwänze amputiert und die Eckzähne abgeschliffen. Das | |
| ist wirklich brutal. Um so etwas zu machen, muss man schon ziemlich | |
| abgestumpft sein.“ Peifer plädiert dafür, „nicht immer nur an kleinen | |
| Stellschrauben zu drehen, sondern das ganze Haltungssystem in Frage zu | |
| stellen, unser ganzes Ernährungsverhalten“. Es gehe bei alledem nicht | |
| wirklich ums Tierwohl. „Da geht es nur um Geld.“ | |
| So denkt auch Johannes Wriske, Gruppenkoordinator bei Greenpeace Osnabrück: | |
| „Die Tiere werden so gehalten, weil Fleisch viel zu billig ist. Der | |
| Einzelhandel zahlt nicht genug an den Landwirt, der Endverbraucher nicht | |
| genug an den Einzelhandel.“ Das sei ein „selbstgeschaffenes Monster“. | |
| „Wir lieben Lebensmittel“, wirbt Edeka. Für Edmund Haferbeck ist das | |
| „reines Blendwerk, wenn man sich die Entscheidungen zur Ferkelkastration | |
| anschaut“. Er selbst hat unbetäubte Kastrationen miterlebt. „Diese Bilder | |
| lassen dich nicht wieder los“, sagt er. „Das ist wie ein Trauma.“ | |
| 28 Sep 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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