Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Robert Habeck über Ferkelkastration: „Angst, dass sie impotent w…
> Einige lehnen Fleisch von Schweinen ab, die gegen Ebergeruch geimpft
> wurden, sagt der Grünen-Chef. Die Alternative zur Ferkelkastration
> brauche Unterstützung.
Bild: „Ist es nicht schwach von der Bundesregierung, dass sie nicht kann, was…
taz: Herr Habeck, eigentlich dürfen nach geltendem Recht ab Januar 2019
Ferkel nur noch mit Betäubung kastriert werden. Sie sind gegen den Plan der
Großen Koalition, [1][das um 2 Jahre zu verschieben]. Aber würden nicht
viele deutsche Sauenhalter aufgeben, falls die Konkurrenz etwa in Dänemark
billiger kastrieren darf?
Robert Habeck: Das wäre vor allem dann zu befürchten, wenn die
Bundesregierung einfach die Hände in den Schoß legt. Statt sich
wegzuducken, sollte Agrarministerin Julia Klöckner eine große
Einführungskampagne starten. Das Tierschutzgesetz ist mit gutem Grund schon
vor fünf Jahren geändert worden, damit Ferkel von 2019 an nicht mehr
millionenfach ohne Betäubung kastriert werden. Wenn wir schon Tiere töten,
um sie zu essen, dann müssen wir ihnen doch wenigstens in ihrem kurzen
Leben Leid ersparen. Eine Regierung kann jetzt nicht einfach sagen: Upps,
das haben wir aber gar nicht so gemeint. Das Tierschutzgesetz besagt, dass
Tieren kein unnötiges Leid zugefügt werden darf. Die Ferkelkastration ohne
Betäubung muss jetzt enden. Sie ist unnötig. Es gibt Alternativen.
Welche?
Erstens: die Betäubung. Dann müsste der Staat den Landwirten helfen, die
Narkosegeräte anzuschaffen und die Bauern schnell zu schulen. Zweitens: Die
Eber nicht kastrieren, aber dann steigt das Risiko, dass sie bei den engen
Haltungsbedingungen aggressiv werden und sich gegenseitig verletzen.
Außerdem kann es sein, dass die Tiere nach Eber riechen und schmecken.
[2][Aber gegen diesen Ebergeruch kann man impfen]. Dadurch wird verhindert,
dass sich die männlichen Geschlechtsteile ausbilden und der Ebergeruch
entsteht. Die Tiere sind in der Folge nicht so aggressiv. Allerdings gibt
es gegen diese Methode Vorbehalte, vor allem von manchen Männern. Die haben
Angst, dass sie selbst impotent werden, wenn sie dieses Fleisch essen.
Ha, ha, ha …
Ja, Sie lachen! Das ist aber so. Das wurde mir in vielen Gesprächen genauso
gesagt. Männer essen weit mehr Schweinefleisch als Frauen. Die
Bundesregierung müsste hier mit dem Handel eine Kampagne auflegen, die
ihnen diese Sorgen, diese Skepsis nimmt. Die Unbedenklichkeit ist
nachgewiesen. In vielen Staaten wird diese Immunokastration der Ferkel seit
Jahren ja angewandt.
Würden Sie akzeptieren, die Betäubungspflicht um ein halbes oder ein Jahr
zu verschieben, wenn sich der Bund verpflichtet, so eine Kampagne
durchzuführen?
Dafür sehe ich keine Notwendigkeit. Man müsste nur einfach mal damit
anfangen.
Aber das Gesetz tritt ja schon in 3 Monaten in Kraft. Ist das denn wirklich
noch zu schaffen?
Wer wollte, könnte. Wir haben innerhalb von Wochen die Banken gerettet. Da
wird man ja wohl eine Kampagne für die Verbraucheraufklärung zur Impfung
gegen Ebergeruch hinbekommen.
Ist die Impfung teurer als die Kastration unter lokaler Betäubung, die in
Dänemark weit verbreitet ist?
Nein. Die Impfung ist genauso teuer oder sogar billiger als andere
Alternativen zur betäubungslosen Kastration. Das hat das bundeseigene
Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit auch untersucht, das im
Übrigen Frau Klöckner untersteht.
Klöckner wirbt nicht für Impfwurst, verspricht aber in fast jedem Interview
ein staatliches Tierwohllabel für Fleisch, bei dessen Erzeugung höhere als
die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten wurden. Gute Idee?
Nein, denn dieses Tierschutzlabel soll nur freiwillig sein. Wir brauchen
aber eine verbindliche Haltungskennzeichnung. Sonst bringt der Einzelhandel
noch mehr eigene Siegel auf den Markt, wie das Lidl und Aldi schon getan
haben. Die Bauern müssen dann ihre Tierhaltung auf die jeweiligen Label der
Discounter ausrichten. So werden die Landwirte noch abhängiger von den
Ketten. Irgendwann diktieren die Einzelhändler dann nicht nur die
Haltungsbedingungen, sondern auch Produkte und Preise noch viel stärker.
Insofern schadet Frau Klöckners Politik ebenso den Bauern, obwohl sie das
nicht wahrhaben will.
Ist es nicht ein Fortschritt, dass die Verbraucher wegen der Label von Lidl
und Aldi Fleisch aus besseren Haltungsbedingungen auswählen können?
Das ist natürlich zu begrüßen. Aber: Man wird völlig verwirrt als
Verbraucher durch die verschiedenen Label mit ihren unterschiedlichen
Regeln. Ist es nicht schwach von der Bundesregierung, dass sie nicht kann,
was Aldi und Lidl können?
Wird ein freiwilliges Label überhaupt genügend Tieren nützen?
Nein. Frau Klöckner kann selbst nicht sagen, wie erfolgreich das wäre. Wir
reden über wenige Prozente Marktanteil. Was ist mit dem Rest? Die Regierung
sollte die Kennzeichnung verpflichtend einführen, damit alle tierischen
Produkte nach klar zu erkennenden Kriterien gekennzeichnet sind.
Brauchen wir nur ein verpflichtendes Label oder auch ein strengeres
Tierschutzrecht?
Das eine tun und das andere nicht lassen. Auch die Mindeststandards sollten
gehoben werden, so wie bei der Ferkelkastration. Sauen sollten auch nicht
mehr in Kastenstände gesperrt werden, in denen sie sich kaum bewegen
können.
Der Bauernverband sagt, dann würde die Konkurrenz aus dem Ausland die
deutschen Sauenhalter verdrängen. Was antworten Sie darauf?
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Standards in anderen Ländern
durchaus schlechter und die Produktionskosten dort deshalb niedriger sein
können als bei uns. Wenn aber die Verbraucher nicht unterscheiden können,
wie Fleisch oder Milch produziert wurden, dann bleibt nur ein
Unterscheidungsmerkmal: der Preis. Das liefert den Anreiz, das günstigste
Produkt zu nehmen. Es wäre anders, wenn man im Discounter lesen könnte:
„Diese Wurst ist von Schweinen, die ohne Betäubung kastriert worden sind.“
Die Kennzeichnung ist der beste Weg gegen Dumpingfleischangebote aus dem
Ausland.
Mehr Tierschutz könnte man auch mit Hilfe der jährlich 60 Milliarden Euro
EU-Agrarsubventionen finanzieren. Frau Klöckner sagt, dass sie dafür sei,
die pro Hektar berechneten Direktzahlungen stärker daran zu binden, dass
die Bauern Umwelt- und Klimavorschriften einhalten. Ist das nicht auch Ihre
Forderung?
Das ist nicht das Gleiche. Frau Klöckner sagt, dass die gesetzlichen
Mindeststandards eingehalten werden müssen und dafür gibt’s dann Geld. Aber
der Staat sollte nicht dafür zahlen, dass sich jemand an gesetzliche
Mindeststandards hält. Er belohnt ja auch nicht Autofahrer dafür, wenn sie
sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Wir müssen das System
umkrempeln. Agrarsubventionen sollte es gezielt für Leistungen geben, die
über die gesetzliche Norm hinausgehen und gesellschaftlichen Interessen
dienen.
Wofür genau?
Man könnte das Geld in vier Töpfe unterteilen: für Klima-, Gewässer-,
Arten- und Tierschutz. Landwirte würden Punkte dafür bekommen, dass sie
ihren Tieren Auslauf und mehr Platz im Stall geben. Für jeden Punkt gibt es
dann eine gewisse Summe an Subventionen.
Was halten Sie von dem Vorschlag, die [3][Mehrwertsteuer für tierische
Lebensmittel] auf reguläre 19 Prozent zu erhöhen?
Es ist eine von zig Ausnahmen, für die es keine sinnvollen Begründungen
gibt. Aber jede Erhöhung einer Verbrauchssteuer trifft vor allem ärmere
Haushalte. Insofern kann man nicht einfach isoliert an Einzelsteuersätzen
rumschrauben. Was jetzt konkret auf dem Tisch liegt, ist der Tierschutz.
Und die Reform der EU-Agrarförderung, damit Bauern für höhere Standards bei
der Tierhaltung entlohnt werden. Da sollte jetzt schleunigst gehandelt
werden.
12 Oct 2018
## LINKS
[1] /Bundesrat-lehnt-Fristverlaengerung-ab/!5537348
[2] /Alternativen-zur-Kastration-von-Ferkeln/!5537562
[3] /Julia-Kloeckner-ueber-Tiere-als-Essen/!5534590
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Ferkelkastration
Tierhaltung
Tierschutz
Kastration
Tierschutz
Ferkelkastration
Ferkel
Ferkelkastration
Ferkelkastration
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schweinefleisch bei Edeka Nord: Kastration ohne Not
Edeka Nord akzeptiert für sein Premium-Markenprogramm Gutfleisch ab 2021
nur unter Narkose kastrierte Schweine. Dabei gäbe es gute Alternativen.
Anstehender Beschluss zu Tierschutz: Saumäßige Veränderungen nötig
Am Freitag soll der Bundesrat über mehr Tierschutz in der Schweinezucht
entscheiden. Landwirte haben zur Demo aufgerufen.
Kastrieren ohne Betäubung: Ferkel ziehen vor Gericht
Das Verfassungsgericht soll über das betäubungslose Kastrieren männlicher
Schweine entscheiden. Peta klagt im Namen der Tiere.
Kolumne Fremd und befremdlich: Die Mär von der Alternativlosigkeit
Niedersachsens Bauern klagen, das Betäuben von Ferkeln vor der Kastration
sei sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Aber das kann nicht stimmen.
Schweinegipfel in Hannover: Es bleibt blutig
Ferkel dürfen zwei weitere Jahre ohne Betäubung kastriert werden. In
Niedersachsen überlegen sich die Schweinehalter nun, was das für sie
bedeutet.
Gastkommentar Ferkelkastration: Das ist eine Sauerei
Dank der Lobbyisten der Agrarindustrie ist Profit auch nach fünf Jahren
Übergangsfrist immer noch wichtiger als der Tierschutz. Unfassbar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.