| # taz.de -- Kastrieren ohne Betäubung: Ferkel ziehen vor Gericht | |
| > Das Verfassungsgericht soll über das betäubungslose Kastrieren männlicher | |
| > Schweine entscheiden. Peta klagt im Namen der Tiere. | |
| Bild: Im Namen der Ferkel: Tierrechtsorganisation Peta klagt gegen Kastration o… | |
| Freiburg taz | Die Verfassungsbeschwerde, die die Tierrechtsorganisation | |
| Peta an diesem Dienstag einreichen wird, ist mehr als ungewöhnlich. | |
| Beschwerdeführer sind nämlich alle männlichen Ferkel, die betäubungslos | |
| kastriert werden. Peta würde mit dieser Klage gern Rechtsgeschichte | |
| schreiben. | |
| Derzeit werden fast alle männlichen Ferkel kurz nach der Geburt kastriert. | |
| Der Grund: Ein kleiner Teil der nicht kastrierten männlichen Schweine | |
| entwickelt einen komischen Geruch, [1][den Ebergeruch]. Zwar ist inzwischen | |
| bekannt, dass die Tiere bei der Kastration Schmerzen erleiden, dennoch wird | |
| sie in Deutschland immer noch ohne Betäubung durchgeführt. | |
| Schon 2013 beschloss der Bundestag den Ausstieg aus der betäubungslosen | |
| Kastration, gewährte den Schweinezüchtern aber eine Übergangszeit bis Ende | |
| 2018. Kurz vor Ablauf der Frist beschloss der Bundestag auf Druck der | |
| Agrarwirtschaft eine weitere [2][Verlängerung bis Ende 2020]. Hiergegen | |
| richtet sich die Verfassungsbeschwerde der betroffenen Ferkel. | |
| Mehr als die Hälfte de 67-seitigen Klage, die der taz vorliegt, befasst | |
| sich mit der Frage, ob Ferkel überhaupt Grundrechte haben und diese | |
| einklagen können. Bisher sind im Wesentlichen Menschen Träger von | |
| Grundrechten. Allerdings hat das Grundgesetz auch juristische Personen, | |
| etwa Aktiengesellschaften, für grundrechtsfähig erklärt. Peta will mit der | |
| Klage erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht nun auch Tiere als | |
| Grundrechtsträger anerkennt. Die Klageschrift wurde von der renommierten | |
| Umweltrechtsanwältin Cornelia Ziehm verfasst. | |
| ## Recht auf Schmerzfreiheit | |
| Bis 1990 galten Tiere in Deutschland noch als „Sachen“. Seitdem heißt es im | |
| Bürgerlichen Gesetzbuch, dass Tiere zwar keine Sachen sind, aber rechtlich | |
| in der Regel wie Sachen behandelt werden. Tiere haben offiziell bisher | |
| [3][keine eigenen Rechte], auch keine Grundrechte. | |
| Anwältin Ziehm ist aber davon überzeugt, dass Tiere durchaus | |
| „grundrechtsfähig“ sind. Zum einen hätten Tiere Interessen, etwa auf | |
| Wohlbefinden und Schmerzfreiheit. Zum anderen seien Tiere jetzt schon von | |
| der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkannt. Ziehms stärkstes Argument: Es | |
| kann nicht sein, dass sich aus Tierschutzgesetz und Grundgesetz (Staatsziel | |
| Tierschutz) Pflichten zugunsten der Tiere ergeben, die dann aber nicht | |
| durchgesetzt werden können. Tiere müssten deshalb als klagefähige | |
| „nichthumane Rechtspersonen“ anerkannt werden. | |
| Peta will dabei allerdings nicht auf den Gesetzgeber warten, sondern geht | |
| davon aus, dass Tiere heute schon Rechte haben und klagen können. Dies | |
| müsse vom Bundesverfassungsgericht nur noch festgestellt werden. | |
| In der konkreten Klage beruft sich Peta auf ein „Recht auf | |
| Schmerzfreiheit“. Dieses könne aus dem im Grundgesetz enthaltenen | |
| Grundrecht auf „körperliche Unversehrtheit“ abgeleitet werden. | |
| Folgenreichere Tiergrundrechte wie ein „Recht auf Leben“ oder ein „Recht | |
| auf Freiheit“ sind für die Frage der Ferkelkastration nicht erforderlich. | |
| Den Verfassungsrichtern dürfte aber klar sein, worauf sie sich einlassen, | |
| wenn sie erstmals Tiergrundrechte anerkennen. | |
| ## Klagerecht für Tierschutzvereine | |
| Außerdem stellen sich bei der Peta-Klage schon ganz praktische Probleme. | |
| Keines der klagenden Schweine wird namentlich benannt. Peta erklärt nur, | |
| die Ferkel seien „bestimmbar“, weil die Behörden wissen, wo Schweine | |
| gezüchtet werden. | |
| Vertreten werden die Ferkel von Harald Ullmann, dem zweiten | |
| Peta-Vorsitzenden. Es ist allerdings unklar, wie diese Vertretung zustande | |
| kam. Weder haben die Schweine Peta eine Vollmacht gegeben, noch gibt es | |
| (wie bei Kindern) eine gesetzlich geregelte Vertretung. Peta kann sich nur | |
| auf den Satzungszweck „Tierschutz“ berufen. | |
| Faktisch geht es Peta also weniger um ein Klagerecht von konkreten Tieren, | |
| sondern eher um eine Art verfassungsrechtliches Verbandsklagerecht für | |
| Tierschutzvereine. Ob sich das Bundesverfassungsgericht für dessen | |
| Einführung zuständig fühlt, wird sich zeigen. | |
| 18 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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