# taz.de -- Rechtliche Verbesserungen für Tierschutz: Bremen macht's vor | |
> In Bremen wird das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine erweitert. | |
> Gestärkt wird die Möglichkeit, Missstände im Vorfeld zu verhindern. | |
Bild: In Bremen sind die Regeln für die Tierhaltung künftig früher rechtlich… | |
BREMEN taz | Die rot-grün-rote Regierungskoalition in Bremen möchte den | |
Tierschutz stärken. Letzte Woche reichte sie auf Initiative der Grünen | |
einen Antrag für die Bürgerschaft ein. Dieser sieht vor, das geltende | |
Verbandsklagerecht für den Tierschutz zu erweitern. Denn bisher konnten | |
erst im Nachhinein juristische Schritte eingeleitet werden, wenn es um die | |
Haltung, Nutzung oder Tötung von Tieren ging. Das soll sich nun ändern. | |
Seit August 2002 steht der Tierschutz im deutschen Grundgesetz. In den | |
Bundesländern wurde daraufhin abgewogen, ob man bestimmten anerkannten | |
Tierschutzverbänden ein Verbandsklagerecht einräumen sollte. Bremen hat | |
dies getan. Das ermöglicht seriösen Tierschutzorganisationen, den | |
verfassungsgemäßen Tierschutz einzuklagen, sollten sich Tierhalter:innen, | |
Tiernutzer:innen oder Behörden nicht an die gesetzlichen Bestimmungen | |
halten. | |
Befürworter:innen wie beispielsweise der Tierschutzverein Deutschland | |
versprachen sich davon eine Möglichkeit, effektiven Tierschutz betreiben zu | |
können. Geltende Vorschriften, so die Idee, seien so einfacher | |
durchzusetzen. Gegner:innen der Einführung eines Verbandsklagerechts | |
äußerten vor allem Bedenken zu einer möglichen Klageflut und Verzögerung | |
von wissenschaftlicher Forschung. | |
Die Max-Planck-Gesellschaft beispielsweise hält die Bestimmungen im Bereich | |
der tierexperimentellen Forschung für „rechtlich klar und ausreichend“ zur | |
Gewährleistung des Tierschutzes – auch ohne Verbandsklagerecht. In | |
Deutschland seien nur Tierversuche genehmigungsfähig, die unabdingbar und | |
ethisch vertretbar sind. Nach § 15 Tierschutzgesetz wirken die | |
Tierschutzverbände bereits jetzt bei der Genehmigung von Tierversuchen in | |
den Kommissionen mit, weshalb ein Verbandsklagerecht in diesem Bereich auch | |
sachlich nicht zu begründen sei, heißt es auf der [1][Website der | |
Forschungsorganisation]. | |
Bremen legte dennoch 2007 vor und führte als erstes Bundesland ein | |
Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen ein. Einige Jahre später | |
folgten Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das | |
Saarland und Schleswig-Holstein. Nordrhein-Westfalen führte zwar 2013 auch | |
ein Verbandsklagerecht ein, verlängerte es aber 2018 nicht. Seit | |
vergangenem Jahr ist auch Berlin dabei. | |
Aber Verbandsklagerecht ist nicht gleich Verbandsklagerecht. In Bremen, | |
Hamburg und Niedersachsen ist lediglich eine sogenannte Feststellungsklage | |
möglich. Das heißt: Ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz lässt sich erst | |
im Nachhinein rechtlich feststellen. „Aus einer solchen Feststellung muss | |
noch nicht einmal eine Handlung resultieren“, sagt Philipp Bruck, | |
tierpolitischer Sprecher der Grünen in Bremen. | |
Seine Fraktion gab den Anstoß für den Antrag auf Erweiterung des | |
Verbandsklagerechts der Bremer Regierungskoalition. „Tiere können nicht | |
selbst klagen“, sagt Bruck. In den meisten anderen Fällen könnten | |
Betroffene gegen ein Unrecht klagen, das ihnen angetan wurde, sagt er. „Wir | |
müssen Tierschutzorganisationen die Möglichkeit geben, im Namen der Tiere | |
für deren Rechte einzutreten.“ | |
Der Antrag der rot-grün-roten Koalition sieht jetzt eine Erweiterung des | |
Rechts um die Möglichkeiten zur Anfechtungs- sowie Verpflichtungsklage vor. | |
Durch die Möglichkeit der Anfechtung kann beispielsweise die Entscheidung | |
über die Tötung von Tieren verzögert werden. „Das würde dazu führen, dass | |
es gar nicht erst zu Missständen kommt“, sagt Bruck. Man könne sie so im | |
Vorfeld bereits verhindern. | |
Evelyn Ofensberger ist Leiterin der Rechtsabteilung beim Deutschen | |
Tierschutzbund. Sie sei „hocherfreut“ über die Bremer Pläne. „Seit 19 | |
Jahren steht der Tierschutz im Grundgesetz“, sagt sie. Die geplanten | |
Veränderungen des Bremer Rechts seien längst überfällig. Es gehe aber nicht | |
einfach nur um das Recht zu klagen. „Es ist ja gar nicht unser Begehr, | |
unbedingt zu klagen“, sagt Ofensberger. „Die Möglichkeit einer | |
Anfechtungsklage gibt auch den Tierhaltern und -nutzern Sicherheit.“ | |
So könnten sich beide Seiten – Tierschützer:innen wie | |
Tiernutzer:innen – sicher sein, dass Tierschutzbestimmungen eingehalten | |
würden. Und das, bevor ein Tier beispielsweise getötet würde. Das sei auch | |
in Bremen wünschenswert. „Wir verstehen uns nicht als Kontrolleure von | |
Verwaltungen“, sagt sie. Aber durch ein solches Gesetz könnte man eben | |
sicherstellen, dass es nicht mehr zu Missständen komme, anstatt immer | |
wieder im Nachhinein festzustellen, dass Tieren unrecht getan wurde. „Die | |
Möglichkeit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bedeutet einen | |
gewissen Rechtsschutz für beide Seiten.“ | |
Tierversuche bleiben allerdings von der Regelung ausgeschlossen. Hier ist | |
weiterhin lediglich eine Feststellungsklage möglich – und das auch in allen | |
anderen Bundesländern, in denen es die Möglichkeit einer Anfechtungs- und | |
Verpflichtungsklage bereits gibt. „Das ist für uns nicht ganz | |
nachvollziehbar“, sagt Ofensberger. Wenn begründbares, wissenschaftliches | |
Interesse in einem Fall da wäre, könnte man dies auch gegen eine | |
Anfechtungsklage durchsetzen. | |
25 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mpg.de/de | |
## AUTOREN | |
Mahé Crüsemann | |
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