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# taz.de -- Tierschützer über Tierleid im Labor: „Ein echter Sadist“
> Vier Monate filmte ein Aktivist der Soko Tierschutz undercover das
> Tierversuchslabor LPT in Mienenbüttel. Was er erlebte, beschäftigt ihn
> noch heute.
Bild: Kein Entkommen: Affenversuch bei LPT
taz: Herr … Wie soll ich Sie nennen?
Ich möchte meinen Namen nicht nennen und wenig von mir preisgeben. Nachdem
ich die erschreckenden Aufnahmen aus dem Tierversuchslabor LPT
veröffentlicht habe, wurde ich angefeindet. Ich möchte meine Familie
schützen.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Tierschützer undercover im
Tierversuchslabor?
Irgendwann habe ich mich selbst ein bisschen verroht gefühlt. Insbesondere
die ersten zwei Tage waren für mich krass, als ich gesehen habe, wie Hunden
Kapseln in den Hals gezwängt wurden und sie danach gestorben sind. Auch das
Töten der Tiere am Ende der Studie war schlimm.
Was war dabei Ihre Rolle?
Ich musste die Tiere fixieren, damit sie getötet werden konnten. Ein Bild,
das sich mir eingebrannt hat: Ein Beagle sitzt auf seinen Hinterbeinen und
ich halte die Vorderläufe. Um die Vene anzuschwellen, muss ich mit der
rechten Hand das Bein fixieren, und der Tierarzt setzt die Spritze an, um
die volle Ladung reinzugeben. Dann muss ich die Hand lösen, damit das
Euthanasium in den Blutkreislauf kommt. In dem Moment dreht sich der Hund
zu mir und guckt mir tief in die Augen. Das war sein allerletzter Blick.
Solche Augenblicke sind bis heute noch schwierig für mich.
Das heißt, Sie haben da ganz normal Ihren Job als Tierpflegehelfer gemacht?
Ja. In erster Linie ging es ums Filmen, aber ich musste auch die Sachen
machen, die von mir verlangt wurden, um nicht ständig aufzufallen. Die
innere Balance zu behalten, bei dem, was da gerade abging, das war nicht
einfach. Bei der Arbeit hatte ich aber gar keine Zeit, um darüber
nachzudenken. Emotional wurde es bei mir zu Hause. Es gab Momente, da habe
ich mich nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag in die Ecke gesetzt und habe
geheult. Das passiert mir heute noch.
Was haben Sie in dem Labor beobachtet?
Im ersten Monat habe ich mit Hunden und Katzen zu tun gehabt. Katzenstudien
waren selten, aber intensiv für die Mitarbeiter. Es ist schwierig, eine
Katze zu fixieren, ohne sie zu zerbrechen oder sich selbst zu verletzen.
Weil sie kratzen und beißen?
Sie wehren sich. Das ist ein Muskel, den man mit den Händen bändigen muss.
Es gab ein Katzenexperiment in der Zeit, in der ich dort war, und plötzlich
gab es einen Mitarbeiterschwund. Der Krankenstand war hoch.
Wie lief das Katzenexperiment ab?
Die Tiere wurden in der Vorphase trainiert, so nannte man das. Sie wurden
mit Gewalt eingefangen, mit Kraft von einem Mitarbeitern fixiert, einer hat
das Maul aufgehebelt und dann wurde ihnen ein Stück Fleisch als Belohnung
ins Maul gegeben, für die Katze unerwartet. Die einzige ausgebildete
Tierpflegerin vor Ort erklärte mir später, wie man das mit Katzen
eigentlich machen sollte: Sich viel Zeit nehmen und die Katzen langsam
daran gewöhnen. Das wurde bei LPT nicht gemacht.
Wie erging es den Hunden?
Experimente mit Hunden gab es täglich. Die Beagles waren dauerhaft in
heller Aufruhr. Es waren jeweils zwei Hunde in einem etwa vier Quadratmeter
großen Zwinger mit weiteren vier Quadratmetern Außenbereich ohne irgendeine
Beschäftigung eingesperrt.
Die sind nie mit Mitarbeitern Gassi gegangen oder hatten sonstwie Bewegung?
Nein. Das kam auf den Tierpfleger an. Aber der hat natürlich auch keine
Zeit. Er muss die Zwinger reinigen, die Tiere füttern und sauber machen,
die Hunde fixieren für die Studien, er muss Protokoll schreiben. Er ist
beschäftigt. Ich habe nach dem Reinigen öfter Mal kurz einzelne Hunde, die
nicht im Versuch waren, ausbüxen lassen. Die haben sich riesig gefreut,
dass sie laufen konnten. Aber das ist nicht die Regel. Die Tiere sind halt
Bioreaktoren, Versuchskörper, eine Sache.
Aus Ihren Aufnahmen, [1][die Sie mit der Soko Tierschutz veröffentlicht
haben,] bleibt das Bild eines Beagle in einer Blutlache im Gedächtnis.
An dem Tag wurde den Hunden mit einem Schlauch und einem Trichter eine
giftige Substanz eingeführt. Ein paar Stunden später lagen die Hunde in
ihrem eigenen Blut. Sie sind an der Vergiftung gestorben. Das ging
mindestens sieben bis acht Stunden so.
Und die Affen?
Das sind wilde Tiere, die auf viel zu kleinem Raum 24 Stunden lang
durchdrehen. Ich habe mal eine Kamera in den Käfig gehängt. Man sieht da
Tiere, die oft dieselbe Bewegung machen. Affen, die rückwärts im Kreis
rennen, Saltos machen oder gegen das Gitter springen.
Stimmt es, dass ein Mitarbeiter einen Affen gegen eine Wand geschlagen hat?
Nein, gegen eine Türzarge. Es gab eine 26-wöchige Studie mit diesen
Langschwanzaffen. Dabei wurde denen jeden Tag eine Substanz durch einen
Schlauch eingeführt. Dazu werden die Affen in einem Applikationsstuhl am
Hals fixiert. Der Tierpfleger, der den Affen dorthin gebracht hat, ein
echter Sadist, hat dem nervösen Affen vorher eins mitgegeben. Das habe ich
gefilmt.
Wie haben Sie Ihre Kollegen sonst im Umgang mit den Tieren erlebt?
Ganz verschieden. Dort waren Menschen, die Selbstgespräche führen. Das
klingt fast wie eine Entschuldigung gegenüber dem Tier, aber sie machen es
trotzdem jeden Tag. Nach dem Motto: „Ich hoffe, dass du im nächsten Leben
nicht über mich zu richten hast.“ Dann hat man auch sehr emotionale
Momente, wenn eine Tierpflegerin weint, wenn sie Katzen für Versuche
vorbereiten muss, aber mit den Hunden und Affen ist das schon wieder ganz
anders. Die Menschen dort sind in ganz unterschiedlichen Maßen verroht.
Manchmal hatte ich das Gefühl, die denken, dass sie da wirklich etwas Gutes
für die Menschheit tun.
Aber natürlich könnte das das Motiv für die Berufswahl sein. Einen Beitrag
dazu zu leisten, Mittel gegen Krankheiten zu finden.
Es gab eine Tierpflegerin, die mit mir bei den Affen gearbeitet hat. Mit
ihr hatte ich sehr viele Gespräche. Es kristallisierte sich heraus, dass
sie viel mehr Wissen über die Tiere hatte als die anderen Mitarbeiter, die
ursprünglich Mechaniker, Militärmusiker oder Metzger waren, also eben
keinen medizinischen Beruf oder einen mit Tieren gewählt hatten.
War es ein Problem des Labors, dass dort zu wenig Fachpersonal gearbeitet
hat?
Eindeutig.
Sie beschreiben ein recht kollegiales Verhältnis zu dieser Tierpflegerin.
Durch ihre Aufdeckung wird auch sie bald ihren Job los sein, [2][wenn das
Labor 2020 schließt.] Kommen Sie da in einen Zwiespalt?
Nein, die Frau hatte schon vor der Veröffentlichung ihren Job gewechselt.
Aber für die anderen Mitarbeiter gilt das doch auch.
In dem Moment, in dem ich mich in diese Gruppe begebe und nicht auffallen
will und versuche, mein Ziel zu erreichen, komme ich in Situationen, in
denen ich Menschen sehr nah komme. Natürlich war ich integriert, ich habe
mit denen Karten gespielt. Das ist Mittel zum Zweck. So grob, wie diese
Menschen mit den Tieren umgehen, gehe ich mit ihnen um.
Vieles von dem, was auf Ihren Videos zu sehen ist, war zwar nicht schön,
aber legal. Unterscheiden Sie das?
Ich lehne solche Versuche vollkommen ab. Davon abgesehen entspricht das,
was in dem Labor LPT passiert, meiner Meinung nach nicht der Gesetzgebung.
Nehmen wir die Reserveaffen. Die müssten eigentlich in großen Volieren
leben und Beschäftigung haben. Das ist aber nicht so. Ich frage mich,wie
man es mit solchen kleinen Käfigen hinbekommen will, dass die Tiere in
einer gesunden psychischen Verfassung sind. Eine Voraussetzung für
Tierversuche.
Halten Sie es etwa bei Krebserkrankungen nicht für sinnvoll, dass an
weiteren Mitteln geforscht wird?
Das Argument ist x-fach zerfleddert worden, weil viele Medikamente vom
Markt genommen wurden, die Nebenwirkungen hatten, die sich bei den Tieren
nicht gezeigt haben.
Woher kommt bei Ihnen diese starke Affinität zu Tieren?
Es geht mir immer darum, die Schwächeren zu schützen. Ich war in meiner
Kindheit auch mal der Schwächere und weiß, wie sich das anfühlt.
Wenn es eine Gerechtigkeitsfrage ist, warum setzen Sie sich nicht für
schwächere Menschen ein, sondern für Tiere?
Was mich bei Tieren so wütend macht, ist, dass sie keine Stimme haben und
mit ihrem Leid auch noch Profit gemacht wird.
Sind Sie Veganer?
Ja, im vierten Jahr.
Das heißt, es ist noch gar nicht lange her, dass Sie sich radikalisiert
haben?
Fleisch gegessen habe ich schon Ewigkeiten nicht. Ich und meine Frau waren
schon Vegetarier. Aber wir haben noch Milch und Honig gegessen und Leder
getragen.
Und was hat ausgelöst, dass Sie selbst Aktivist geworden sind?
Ich kam in Kontakt mit polnischen Tierschützern, die Jagdsabotage betrieben
haben. Das Bild, das sich mir dort bot, war eine Horde bewaffneter
Besoffener, die sich orange bekleidet in den Wald begeben hat, um Tiere zu
erlegen. Die Tierschützer haben Krach gemacht und sich vor die Flinten
gestellt. Die Jäger haben nichts erlegt. Ein super Erfolg.
Ein Gruppenprotest ist eine andere Nummer als über Monate in einem Labor
anzuheuern. Warum haben Sie das gemacht?
Ich finde, das ist die effizienteste Methode, um etwas gegen diese
Ungerechtigkeit zu tun.
Hatten Sie Angst, erwischt zu werden?
Morgens hatte ich immer Sorge, dass etwas passiert. Deshalb habe ich mich
gut vorbereitet. Ich hatte ja eine Kamera an mir.
Fürchten Sie eine Klage? Sie haben bestimmt einen Arbeitsvertrag mit einer
Geheimhaltungsklausel unterschrieben, oder?
Das habe ich, aber sie gilt nicht, weil ich mit dem Film beweisen kann,
dass sich LPT strafbar gemacht hat.
Würden Sie so eine Undercover-Aktion noch mal machen?
Ja, sofort.
24 Nov 2019
## LINKS
[1] https://www.soko-tierschutz.org/
[2] /Nach-erheblichen-Vorwuerfen/!5636947&s=lpt/
## AUTOREN
Andrea Maestro
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