# taz.de -- Rot-grün-roter Senat in Berlin: Die Anfänger*innentruppe | |
> Franziska Giffeys Senat ist personell ein klarer Neuanfang – und mit | |
> sieben Frauen weiblicher als je zuvor. | |
Bild: Das SPD-Team für den Franziska Giffeys Senat am Montag bei der Vorstellu… | |
BERLIN taz | Es mutet ein bisschen absurd an: Rot-Grün-Rot macht weiter, | |
aber nur ein einziger Senator, Klaus Lederer (Linke), darf im Amt bleiben. | |
Ein weiterer, Andreas Geisel (SPD), bleibt immerhin im Senat. Acht | |
Senator*innen plus die Regierende Bürgermeisterin sind neu. Was die | |
Berliner*innen von dem Team, das sich immer dienstags im Roten Rathaus | |
trifft, zu erwarten haben, ist deswegen etwas spekulativ. | |
Respektabel ist, dass sich SPD, Grüne und Linke meist nicht dazu haben | |
hinreißen lassen, verdiente Parteimitglieder zu versorgen. Bei der SPD | |
waren mit der neuen Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse und | |
Wirtschaftssenator Stephan Schwarz die Hälfte der Senator*innen bisher | |
nicht mal in der Partei; zudem wechseln sie die Seiten, von der Praxis in | |
die Politik. Die Grünen haben Gesundheitssenatorin Ulrike Gote aus Kassel | |
geholt; die Linke mit Katja Kipping (Soziales) und [1][Lena Kreck (Justiz)] | |
zwei Frauen, die bisher im Landesverband keine relevante Rolle spielten. | |
Das zeigt: Rot-Grün-Rot legt Wert auf die politischen Inhalte. | |
Schließlich sind die Herausforderungen groß, die auf diesen Senat zukommen: | |
Keiner weiß, welche Folgen Corona noch haben wird. Die Wohnungsnot | |
[2][bleibt zudem drängendste Aufgabe], und Armut ist ein massives Problem | |
in der Stadt, die nach Franziska Giffeys Meinung zudem zu dreckig ist. Über | |
allem steht die Frage: Was soll aus dieser Stadt werden, die vor 20 Jahren | |
vom damaligen Regierenden als „arm, aber sexy“ beschrieben wurde? | |
Wenn die Antwort „lebenswertere“ Stadt heißt, liegt die Hauptaufgabe bei | |
Supersenatorin Bettina Jarasch (Grüne): Sie ist für die Verkehrswende | |
zuständig und den Klimaschutz. Mit Ersterem kann man bei den | |
Wähler*innen punkten, aber sich auch in Scharmützeln mit der in Berlin | |
besonders aktiven Verkehrsaktivist*innenszene verheddern – so wie | |
ihre Vorgängerin. | |
Dazu kommt: Auch die SPD will bei dem Thema mitreden, etwa beim | |
versprochenen Ausbau des U-Bahn-Netzes. Dafür sorgen soll in der | |
SPD-geführten Wirtschaftsverwaltung der Staatssekretär für Energie und | |
Betriebe, Tino Schopf. Giffey hat ihn am Montag bei der Vorstellung der | |
SPD-Senator*innen und Co. gar als „Mister BVG“ präsentiert. Eine | |
Gemengelage, die durchaus Konfliktpotenzial hat. | |
Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen SPD und den mietenpolitischen | |
Initiativen, die den Enteignen-Volksentscheid zum Erfolg geführt haben. | |
Zuständig dafür ist vor allem Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel, in | |
der Vergangenheit nicht als besonderer Freund der direkten Demokratie | |
aufgefallen. | |
Doch Giffey hat einen Schritt auf die Bewegung zugemacht und Geisel mit | |
Ülker Radziwill eine zusätzliche Staatssekretärin für Mieterschutz zur | |
Seite gestellt. Das unterstreicht den auch von Geisel am Montag | |
formulierten Anspruch, durch ein „Unterhaken bei den Initiativen“ gemeinsam | |
die Spekulation mit Wohnraum zu verhindern. | |
## Bundespolitischer Glamour | |
Dieser Senat ist mit sieben Frauen und vier Männern der wohl weiblichste | |
überhaupt. Und auch wenn die meisten in dieser Position neu beginnen, sind | |
nicht alle Anfänger: Viele haben langjährige Erfahrung im Berliner | |
Politikbetrieb, waren schon mal Staatssekretärin (etwa Innensenatorin Iris | |
Spranger) oder bringen sogar bundespolitischen Glamour in die Runde: Katja | |
Kipping war Bundeschefin der Linken, Giffey zuvor Bundesfamilienministerin. | |
Bemerkenswerterweise ist die Regierungschefin mit 43 Jahren die | |
Zweitjüngste in der Runde. Dass Giffey ungeachtet dessen den | |
Chefinnenanspruch erhebt, machte sie am Montag deutlich: Sie wolle, sagte | |
Giffey, für alle Themen Verantwortung übernehmen. | |
Dass Giffey ungeachtet dessen den Chefinnenanspruch erhebt, machte sie am | |
Montag bei der Vorstellung des SPD-Teams deutlich: Sie wolle für alle | |
Themen Verantwortung übernehmen, sagt sie gleich zu Beginn; die | |
Senatskanzlei habe die Aufgabe, alle im Blick zu haben. Berlins | |
Co-Landeschef Raed Saleh wurde noch etwas deutlicher: „Wir haben den | |
Führungsanspruch, wollen aber mit den Koalitionspartnern gestalten. Dazu | |
sind wir bereit.“ | |
20 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Linke-praesentiert-Justizsenatorin/!5821772 | |
[2] /Baupolitik-in-Berlin-und-Hamburg/!5822454 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Regierende Bürgermeisterin | |
Berlin | |
Michael Müller | |
Berliner Senat | |
Franziska Giffey | |
SPD Berlin | |
Wochenkommentar | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Die Linke Berlin | |
Neubau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Landesparteitag der SPD: Auf der Suche nach der Ausfahrt | |
Am Sonntag stellen sich Franziska Giffey und Raed Saleh als | |
SPD-Parteichef*innen zur Wiederwahl. Gestritten wird dann auch um den | |
Weiterbau der A 100. | |
Rot-Grün-Rot in Berlin startet: Warum es knallen wird im Senat | |
Die Koalition aus SPD, Grünen und Linken geht in die zweite Runde. Fünf | |
Thesen, warum wir turbulente Monate erwarten dürfen. Ein Wochenkommentar. | |
Abgang von Regierungschef Müller: Ab in den Bundestagsausschuss | |
Am Dienstag wird Franziska Giffey zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt. | |
Das ist auch der Rückzug von Michael Müller aus der Landespolitik. | |
Berlins SPD stellt Senator*innen vor: Rot-grün-rotes Team steht | |
Die Koalition bleibt, das Personal wird fast komplett ausgetauscht. In der | |
SPD übernimmt Andreas Geisel das Bauressort, Spranger wird Innensenatorin. | |
Ja der Linkspartei zu Rot-Grün-Rot: Um des linken Friedens willen | |
Die Mitglieder der Berliner Linkspartei votieren für die Koalition. Doch | |
die 75 Prozent sind eine Zustimmung unter Vorbehalt. Ein Wochenkommentar. | |
Baupolitik in Berlin und Hamburg: Und die Mieten steigen doch | |
Mehr Wohnungen lösen das Problem teurer Mieten? Wie Hamburg zeigt, geht die | |
Rechnung nicht auf. Plädoyer gegen ein falsches Dogma. |