# taz.de -- Rentner klagt gegen Steuernachteile: Vor dem Gesetz | |
> Herr Morgan rechnet ein umstrittenes Instrument im Steuerrecht nach: Was | |
> hat es mit der „typisierenden Betrachtung“ nach Bert Rürup auf sich? | |
Bild: Mann mit Mission: Dr. Horst Morgan. | |
„Rürup, der als ein geistiger Vater der privaten Basisrente entscheidend am | |
Alterseinkünftegesetz mitgewirkt hat, geht im Rahmen seiner Vorträge zum | |
einen auf die gesetzliche und private Altersvorsorge ein.“ MLP | |
„Finanzdienstleister für anspruchsvolle Kunden“ 2009. | |
Dr. Horst Morgan, Ingenieur im Ruhestand. Geboren und aufgewachsen in Köln, | |
besuchte dort d. Gymnasium u. studierte anschließend an d. TH Aachen bis | |
1968 Elektrotechnik. 1984 Promotion („Wissensbasierte Validierung der | |
Entwurfsqualität informationstechnischer Systeme“) 1968–1986 (Deutschland): | |
Funktionen mit zunehmender Verantwortung. Managementaufgaben in | |
verschiedenen Gebieten des Systems- und Softwareengineering. 1987–1991 | |
(USA): Entwicklung von Langfriststrategien f. d. Forschungsprogramm eines | |
Labors in d. USA u. Durchführung von Technologietransfers. 1991–1996 | |
(Deutschland): Aufbau u. Organisation eines Dienstleisters f. | |
Informationsverarbeitung u. Kommunikation. Ab 2000 im Ruhestand. Seit 1996 | |
Befassung m. d. Rentenrecht. 1996, zusammen mit Otto Teufel u. anderen, | |
Gründung d. ADG (Aktion Demokratische Gemeinschaft e. V. – ADG, München, | |
Zusammenschluss kritischer Demokraten), dessen 1. Vorsitzender er war. Sein | |
Schwerpunkt: steuerrechtliche Aspekte. Er ist Verfasser von Büchern u. | |
Artikeln über Büroorganisation, Softwareengineering u. Computerlinguistik. | |
Er wurde 1944 geboren, als Sohn einer Kauffrau und eines Apothekers, ist | |
verheiratet und hat eine (nicht leibliche) Tochter. | |
Unbeachtet von der Öffentlichkeit verbringen einige unzufriedene Bürger und | |
auch Bürgerinnen oftmals Jahre ihres Lebens damit, ein noch unbekanntes | |
oder allgemein hingenommenes Unrecht aufzudecken und akribisch zu | |
untersuchen. Mit enormem Fleiß, Ausdauer und Energie fügen sie eine | |
unumstößliche Beweiskette zusammen, mit der sie all die Fehler und Finten | |
dingfest machen können, die diesem speziellen Unrecht zugrunde liegen. Das | |
sind enorme Leistungen, die aber so gut wie keine Würdigung finden. Schon | |
gar nicht vor einem Gericht, das diesen Personenkreis eher dem der | |
„nörgelnden Querulanten“ zuordnet. Dass der Bürger als Privatmann das | |
Gesetz überprüft, ist eigentlich so auch nicht vorgesehen. Für all das gibt | |
es Experten, Beamte, Staatssekretäre, Sachverständige, politische Gremien. | |
Was aber, wenn die alle versagen? Wenn ihr Versagen quasi die | |
Voraussetzungen geschaffen hat für das Problem und für dessen Fortbestand? | |
Herr Morgan und seine Frau wohnen in einem Apartmenthaus im Berliner | |
Westend, in Sichtweite des Corbusier-Hochhauses. Meine Begleiterin | |
Elisabeth und ich werden sehr gastlich empfangen, geradezu zeremoniell. Der | |
Tee wird uns in Tassen aus hauchdünnem Porzellan gereicht. Alles ist | |
perfekt, die Räume wirken durchdesignt bis ins Detail. Zu unserer | |
Erleichterung aber zeigen sich unsere Gastgeber ausgesprochen amüsant und | |
mit sarkastischem Witz gesegnet. Man warnt uns sogar ausdrücklich vor der | |
Trockenheit des Gegenstands, um den es gleich gehen wird. Auf unsere Bitte, | |
einfach mal zu erzählen, weshalb er sich acht oder zehn Jahre lang mit | |
einem trockenen Gegenstand beschäftigt hat, sagt Herr Morgan: | |
## Krasses Fehlurteil des Bundesverfassungsgerichts | |
„Es geht um ein krasses Fehlurteil des Bundesverfassungsgerichts, darum, | |
wie ein Gericht, eine Sachverständigenkommission und der Gesetzgeber | |
gemeinsam einen Beitrag geleistet haben zur Altersarmut. Also es betrifft | |
die Jüngeren, die im Arbeitsprozess Stehenden ebenso wie die Älteren und | |
die Rentner. Das Gesetz, von dem hier die Rede ist, ist das | |
’Alterseinkünftegesetz‘. Die Besteuerung von Renten erfolgt ja seit dem 1. | |
1. 2005 nach diesem Gesetz. Es wurde am 9. Juli 2004 verkündet, trat zum 1. | |
Januar 2005 in Kraft. Es geht zurück auf ein Urteil des | |
Bundesverfassungsgerichts von 2002 und auf die Arbeitsergebnisse und | |
Empfehlungen einer extra eingesetzten ’Sachverständigenkommission zur | |
Neuordnung der Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und | |
Alterseinkommen‘. | |
Im Jahr 2002 hat das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil zur Besteuerung | |
von Renten und Pensionen gefällt. Arglos habe ich den Urteilstext gelesen. | |
Ich dachte gleich, da kann doch was nicht stimmen. Das Gericht hat | |
versucht, anhand von drei Argumentationslinien, die ’steuerliche | |
Benachteiligung von Pensionären‘ gegenüber Rentnern aufzuzeigen. Mir fiel | |
u. a. auf, dass immer wieder ein Terminus vorkam, den ich überhaupt nicht | |
verstand. Ich habe im Duden geschaut, im Wahrig, nichts! Es handelt sich um | |
den Terminus ’Typisierende Betrachtung‘. Ich habe das Gericht angeschrieben | |
und gefragt, was ist das, eine ’typisierende Betrachtungsweise‘, was | |
bedeutet das im Urteilstext? Und man hat mich dann belehrt, sie seien nicht | |
verpflichtet, Auskunft zu geben. Auch der Schriftführer hat sich geweigert. | |
Da stand ich erst mal dumm da und war natürlich verärgert. | |
Im Jahr 2003 wurde dann vom Bundesminister für Finanzen diese | |
Sachverständigenkommission eingesetzt zur Erarbeitung von Empfehlungen für | |
die Gesetzesvorlage. Den Vorsitz hatte Bert Rürup inne. Einer der | |
Wirtschaftsweisen. Damals war er ein bekannter Mann. Stark gefragt auch bei | |
der Privatwirtschaft, der er als Lobbyist der Privatvorsorge und zur | |
Förderung der Geschäftsinteressen von Versicherungskonzernen hilfreich zur | |
Seite stand. Bis unlängst noch tingelte er mit dem Finanzunternehmer | |
Maschmeyer herum. Damals 2003 jedenfalls war er Vorsitzender in gleich drei | |
Kommissionen. Alle zum Sozialsystem. In zweien hat er gesagt, wir müssen an | |
den Renten sparen, in der dritten sagte er das Gegenteil. Also, im selben | |
Jahr 2003, unter der Leitung desselben Kommissionsvorsitzenden Rürup, geht | |
die Sachverständigenkommission davon aus, dass das Rentenniveau deutlich | |
steigt, die anderen beiden Kommissionen dagegen, dass es deutlich sinkt. | |
2004 habe ich dann gesehen, auch das Gesetz basiert wieder auf der | |
Betrachtung des sogenannten ’typisierten Pflichtversicherten“, also auf | |
’typisierender Betrachtung“, die nicht nur im Urteil, sondern auch im | |
Bericht der Sachverständigenkommission eine entscheidende Rolle spielt. Ich | |
dachte, wenn der Herr Rürup das so sagt, dann wird er es ja wissen. Also | |
habe ich ihn angeschrieben und wieder meine Frage gestellt. Nach längerer | |
Zeit bekam ich dann eine Antwort, indem er mir den Bericht der | |
Sachverständigenkommission schickte. Den habe ich sehr gründlich studiert. | |
## Der ’typisierte Pflichtversicherte“ ist ein Konstrukt | |
Also, diese ’typisierende Betrachtung“ ist ein umstrittenes Instrument im | |
Steuerrecht, es wird eine fiktive Norm bestimmt, auf der dann quasi das | |
Rechenmodell beruht. Der ’typisierte Pflichtversicherte“ ist ein solches | |
Konstrukt: Er ist ledig und arbeitet 45 Jahre lang, wobei sein Lohn immer | |
der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung entspricht. Also der | |
verdient durchgehend recht gut – warum er nie heiratet? Vielleicht hat er | |
nicht die Richtige gefunden? So einer jedenfalls ist eher die Ausnahme. | |
Außerdem sind die Erwerbsbiografien, wie alle wissen, oft mehrmals | |
unterbrochen. | |
Diesen ’Typisierten“ lässt Herr Rürup arbeiten von 1960 bis 2004 – | |
Differenz plus eins, das sind die 45 Jahre, dann schickt er ihn 2005 in | |
Rente, und die lässt er ihn beziehen bis 2021. Er ist also alles andere als | |
ein typischer Pflichtversicherter, aber trotzdem der Referenzfall, das | |
’Leitbild‘ der Sachverständigenkommission. An ihm wird nun nachgerechnet. | |
Nach Meinung und Willen der Sachverständigenkommission stammen nur ca. 35 % | |
seiner Rentenversicherungsbeiträge aus seinem versteuerten Einkommen. Dabei | |
versteht sie allerdings unter einem ’Rentenversicherungsbeitrag aus | |
versteuertem Einkommen‘ den Beitrag des Pflichtversicherten aus seinem | |
versteuerten Lohn, abzüglich eines Anteils, der sogenannten | |
Vorsorgepauschale. | |
Diese Vorsorgepauschale ist ein Steuernachlass für Vorsorgeaufwendungen | |
sowohl für Versicherungspflichtige als auch für Beamte. Dieser Nachlass | |
übrigens ergibt sich aus Tabellen, aus Steuertabellen, ist da schon | |
eingearbeitet, alles ganz kompliziert. Für Versicherungspflichtige galten | |
als Vorsorgeaufwendungen die Beiträge für die Renten-, Arbeitslosen-, | |
Kranken- und Pflegeversicherung. Bezüglich der Vorsorgepauschale von | |
Beamten vermerkt das Gericht, die hätte seit 1983, wegen der Befreiung von | |
der Renten- und Arbeitslosenversicherung, den Beamten nur in geringerem | |
Maße zur Verfügung gestanden. | |
Das Gericht verschweigt: Beamte erhielten bis 1982 eine gleich hohe | |
Vorsorgepauschale wie Pflichtversicherte, obwohl sie von den Beiträgen zur | |
Renten- und Arbeitslosenversicherung befreit sind. Aber selbst nach der | |
Kürzung für Beamte im Jahr 1983 erhielten sie im Vergleich immer noch mehr. | |
Zieht man z. B. von der Vorsorgepauschale des ’typisierten | |
Pflichtversicherten‘ die Anteile für die Renten- und | |
Arbeitslosenversicherung ab, dann bleibt eine Rest-Vorsorgepauschale übrig, | |
und die ist immer geringer als die der Beamten. Pflichtversicherte erhalten | |
also weniger Vorsorgepauschale für Versicherungen, die sie mit Beamten | |
gemeinsam haben. Behauptet wird aber das Gegenteil! | |
## Rürup hat einen Teil des Steuernachlasses geklaut | |
Und nun stellen Sie sich den ’Typisierten‘ vor, der ja an der | |
Beitragsbemessungsgrenze verdient, der wendet im Jahr 2004 z. B. 10.000 | |
Euro auf für die vier Pflichtversicherungen. Das ist viel Geld. Und dafür | |
bekommt er etwa 2.000 Euro Steuernachlass. Und einen Teil dieses | |
Steuernachlasses, den hat der Rürup geklaut – wenn man so will –, und | |
keiner hat es bemerkt! Er hat ihn zurückgefordert und hat gesagt, ’aus | |
versteuertem Einkommen‘, das heißt, was er gezahlt hat, abzüglich des | |
Steuernachlasses, und zwar anteilig nur für die Rentenversicherung. Er hat | |
gesagt, aha, sie zahlen nicht alles in die Rentenversicherung, einen Teil | |
kriegen sie ja zurück. Er hat also das, was sie zurückkriegen, verteilt auf | |
vier Versicherungen, die Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und | |
Pflegeversicherung. Und hat gesagt, diesen Teil für die Rentenversicherung, | |
den ziehe ich dir immer wieder von deinen eigenen Beiträgen ab. Der Herr | |
Rürup, der rechnet diesen Steuernachlass einfach propagandistisch von den | |
Rentenbeiträgen runter und sagt dann, es sind nur 35 Prozent, die der | |
Pflichtversicherte wirklich selbst einbezahlt. | |
Grämen Sie sich nicht, wenn Sie nichts verstehen. Ich werde Ihnen nicht den | |
Hauch eines Vorwurfs machen. Mir ging es genauso. Außer Herrn Rürup und mir | |
weiß das vielleicht keiner, wie das geht.“ Er lacht und sagt: „Nein, im | |
Ernst, ich musste alle Daten von 1960 an nachsehen, also wie steigt die | |
Kranken-, wie die Rentenversicherung. Ich war beim Bundesfinanzhof in | |
München – damals haben wir noch in München gelebt –, man hat mir dort 7 | |
Bände vorgelegt, das sind 45 Jahre gewesen. Aber mir fehlten dann immer | |
noch 38. Und ich habe beim Beck Verlag angefragt, die waren sehr | |
hilfsbereit. Der Abteilungsleiter war gerade weg und ich konnte seinen | |
Schreibtisch benutzen und die restlichen Bände durchsehen. | |
Es ging sogar recht schnell, denn ich wusste ja, wonach ich suchen muss. | |
Und ich habe so in etwa gesehen, wie sich diese sogenannte | |
Vorsorgepauschale, also der Steuernachlass, errechnet. Das ist eine ganz | |
schwierige Berechnung, das konnte ich nicht. Ich habe meinen Steuerberater | |
gefragt, aber der hat gesagt, das macht er nie selbst, ist ihm zu | |
kompliziert. Ich habe es dann notgedrungen alleine versucht mit dem | |
Rechner. Dabei habe ich festgestellt, es ist gar nicht so schwer, man muss | |
sich nur mit Ungleichungen beschäftigen. Wenn man 4 Ungleichungen löst, | |
dann weiß man, wie das ganze Ding läuft! Im Nachhinein kann ich nur sagen, | |
es war gut, dass ich mich so tief in das Thema gestürzt habe, denn nun | |
wusste ich, wie der Herr Rürup den Rechentrick gemacht hat. | |
Merke: Das ’Alterseinkünftegesetz‘ beruht ja auf der Absicht, mehr zu | |
versteuern, und zwar die Renten. Der Teil, der zu versteuern ist, das waren | |
dann 50 %, und alle Jahre geht das teils hoch um 2 %, die Besteuerung der | |
Renten steigt ja jahrgangsweise. Und jetzt haben wir 2013, da zahlt man | |
schon 50 % plus 16 %, bis irgendwann … Aber das erleben wir nicht mehr. Uns | |
betrifft es natürlich auch, mich mit 50 % und meine Frau sogar mit 54 %. | |
Also noch mal: Eine steuerliche ’Vergünstigung‘ wie die Vorsorgepauschale, | |
die der Gesetzgeber allen Steuerpflichtigen per Einkommensteuergesetz über | |
mehrere Jahrzehnte eingeräumt hat, wurde von der Sachverständigenkommission | |
benutzt, um eine höhere Steuer als wesentliche Charakteristik des | |
Alterseinkünftegesetzes zu begründen. | |
## Auch Rentner haben Zusatzeinkommen | |
Und durch dieses Gesetz wurde diese Vergünstigung also nach vielen Jahren | |
rückwirkend wieder aberkannt. Und diesen Teil hat der Herr Rürup eben mal | |
rückkassiert … bei ’typisierender Betrachtung‘.“ Alle lachen und er f�… | |
hinzu: „Die Sachverständigen haben auch das vom Bundesverfassungsgericht | |
ausdrücklich erlassene Verbot der Doppelbesteuerung missachtet: beim | |
’Typisierten‘ und somit bei allen Pflichtversicherten, die vor 2025 ihre | |
Arbeit begonnen haben und 2040 oder später in Rente gehen. | |
Und nun will ich noch mal auf das Urteil zurückkommen und kurz erläutern, | |
was es für Fehler enthält und wie die Sachverständigenkommission sich | |
gegenüber diesen Fehlern absolut blind gezeigt hat. Also wie ich schon | |
erwähnt habe, bediente sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil | |
dreier Argumentationslinien: a) durch einen Vergleich der damals gültigen | |
Besteuerung von Renten und Pensionen, b) durch eine Analyse der | |
Kapitalflüsse in der Rentenversicherung und c) durch einen Vergleich der | |
steuerlichen Belastung von Beamten und Pflichtversicherten in der | |
Erwerbsphase. Keine dieser drei Argumentationslinien ist frei von Fehlern. | |
a) Bei dieser Argumentationslinie, die den Kern des Urteils bildet, bedient | |
sich das Gericht der Hilfe von vier Tabellen. Aber: In der 1. Tabelle sind | |
alle Werte für Renten und Pensionen falsch. Beispielsweise ist von einer | |
Rente von 62.000 Mark die Rede, aber solche Renten gibt es nicht in der | |
gesetzlichen Rentenversicherung, die Pensionen hingegen sind viel zu | |
niedrig angesetzt, solche Pensionen gab es auch nicht. Die wirkliche | |
Pension war um knapp 5.000 DM höher zu dieser Zeit. In der 2. Tabelle sind | |
die Werte für Renten falsch, und auf dieser Basis werden wieder die Steuern | |
angeguckt. In Tabelle 3 sind die Werte für Renten und das zu versteuernde | |
Zusatzeinkommen falsch. | |
Das Gericht hat festgestellt, auch Rentner haben Zusatzeinkommen. Und dann | |
wird gesagt, es gibt bei Ledigen ein zu versteuerndes Zusatzeinkommen in | |
Höhe von 10.000 DM, laut Statistischem Bundesamt waren es aber nur 5.000 | |
DM, wobei die Hälfte davon der sog. ’Eigentümer-Mietwert‘ ist – eine re… | |
statistische Größe. Also sind es nur 2.500 DM. Das Verfassungsgericht hat | |
aber den vierfachen Wert eingesetzt. Und schließlich sind in der 4. Tabelle | |
demzufolge die Werte für alle Pensionen und das zu versteuernde | |
Zusatzeinkommen falsch. Falsch bedeutet: Die vom Gericht verwendeten Zahlen | |
widersprechen entweder den vom Gericht selbst zitierten Quellen oder dem | |
Beamtenrecht. | |
## Geld der Beitragszahler an Stelle von Steuermitteln | |
b) Hier wurde ein Fehler gemacht bei der Analyse der Kapitalflüsse in der | |
Rentenversicherung. Es wertet den Bundeszuschuss quasi als besteuerbares | |
Einkommen. Es hat in seiner Beweisführung aber 3 Fakten nicht beachtet: 1. | |
dass die Steigerung der ’Eckrente‘ – die gibt es auch nur auf dem Papier … | |
nicht auf den Bundeszuschuss, sondern auf immer höhere | |
Rentenversicherungsbeiträge zurückzuführen ist. 2. dass die fehlenden Teile | |
des Bundeszuschusses durch Rentenversicherungsbeiträge gedeckt werden | |
(verdeckte Besteuerung). 3. dass die angesparten Kapitalstöcke in der | |
Rentenversicherung von insgesamt 17 Jahresausgaben ersatzlos enteignet | |
wurden. Wobei Punkt 2 und 3 de facto eine steuerliche Subventionierung von | |
Beamten und Pensionären beinhalten, da ja Geld der Beitragszahler an Stelle | |
von Steuermitteln benutzt wird. Und das stellt einen Verstoß gegen den | |
Gleichheitsgrundsatz Artikel 3 GG dar und verletzt also Verfassungsrecht. | |
c) Der Fehler liegt hier beim Vergleich der steuerlichen Belastung von | |
Beamten und Pflichtversicherten in der Erwerbsphase. Das Gericht versucht | |
durch eine Analyse der Erwerbsphase zu zeigen, dass Pflichtversicherte nur | |
einen geringen Teil ihrer eigenen Rentenversicherungsbeiträge aus | |
versteuertem Einkommen entrichtet haben, es argumentiert im Prinzip wie | |
oben beschrieben bei der Behandlung der Vorsorgepauschale. Zur | |
Vorsorgepauschale von Beamten vermerkt das Gericht, dass die ihnen wegen | |
der Versicherungsfreiheit in der Renten- und Arbeitslosenversicherung seit | |
1983 nur in geringerem Maße zur Verfügung steht. | |
Das Gericht verschweigt, dass Beamte bis 1982 eine gleich hohe | |
Vorsorgepauschale erhielten wie Pflichtversicherte, obwohl sie keine | |
Sozialabgaben zu leisten haben. Aber selbst nach der der Kürzung 1983 | |
erhielten Beamte im Vergleich zu Pflichtversicherten immer noch eine zu | |
hohe Vorsorgepauschale, bei genauer Berechnung. Und das war aber der | |
’Beweis‘ des Gerichts, dass es in der ’Erwerbsphase‘ die | |
Pflichtversicherten sind, die die großzügigen steuerlichen Nachlässe | |
hatten. | |
Das Gericht hat also viel zu niedrige Pensionen zugrunde gelegt und viel zu | |
hohe Renten, von denen mindestens 40 % der Männer und 90 % der Frauen nur | |
träumen können. Dass Frauen bei uns, trotz Verfassung, weniger verdienen | |
als Männer und dass sie in der Regel jämmerliche Renten bekommen, das | |
müsste sich auch schon bis zu den Experten durchgesprochen haben. Es | |
interessiert sie auch nicht das Problem der Niedriglöhne. Was für mich ein | |
ganz großes Problem ist, weil sie nicht zum Lebensunterhalt reichen, | |
sondern auch weil es die Rentenhöhe entscheidend festlegt. | |
## Fehlerhafte Arbeit der Sachverständigenkommission | |
Nur durch die Verwendung falscher Werte für Renten, Pensionen und zu | |
versteuerndes Zusatzeinkommen konnte das Bundesverfassungsgericht seine | |
Auffassung der ’steuerlichen Benachteiligung der Pensionäre‘ gegenüber den | |
Rentnern stützen. Erwähnen möchte ich unbedingt noch, dass dieses Urteil | |
ausgelöst wurde durch die Klage eines pensionierten Staatsanwalts, der | |
seiner Frau nichts mehr zahlen wollte und sich darüber geärgert hat, dass | |
sie viel weniger Steuern zahlt als er. | |
Und jetzt komme ich zur fehlerhaften Arbeit der Sachverständigenkommission | |
unter Rürup. Die Sachverständigenkommission bestand aus sechs Mitgliedern, | |
fünf davon waren Beamte. Zwei davon verfügten in Bezug auf Renten über ein | |
überdurchschnittliches Fachwissen. Der Vorsitzende Herr Rürup und auch der | |
Herr Rische, damals Präsident der BfA. Keinem sind die gravierenden Fehler | |
im Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgefallen. Der Herr Rische hätte | |
ja wissen müssen, wie hoch Renten sind. Und der Herr Rürup, der Rentenpapst | |
der Regierung Schröder, der wusste natürlich auch nicht, dass es solche | |
hohen Renten gar nicht gibt. Und dass der Bundeszuschuss zu gering ist, war | |
ihnen auch entfallen, obwohl es vorher anderswo beide mal gesagt haben. | |
## Von Sachverstand keine Spur! | |
Sie bemerkten auch nicht, dass gegen das Verbot der Doppelbesteuerung | |
verstoßen wird, selbst bei ihrem Leitbild, dem ’Typisierten‘. Und die fünf | |
Beamten, die wussten auch nichts, nicht mal, dass es derart niedrige | |
Pensionen, wie im Urteil zu lesen, gar nicht gibt. Die Kommission hat | |
ungeprüft die falschen Daten und Argumente des Bundesverfassungsgerichts | |
übernommen und in ihre Empfehlung eingearbeitet. Von Sachverstand keine | |
Spur! Aus all diesen Fehlern ergeben sich handfeste steuerlich-finanzielle | |
Nachteile für Pflichtversicherte und Rentner. Es sind sieben Nachteile, die | |
ich Ihnen nur mal ganz kurz zusammenfassen möchte. Zwei davon sind | |
sozusagen ursächlich: der ’Rechtsprechungsnachteil‘ durch das Fehlurteil | |
und der ’Nachteil durch die Arbeit des Sachverständigenkommission‘. Beide | |
wiederum haben fünf weitere Nachteile zur Folge: | |
I. den ’Vorsorgepauschale-Nachteil‘: geringere Vorsorgepauschale für | |
Pflichtversicherte für alle Versicherungen, die sie mit Beamten gemeinsam | |
haben. II. den ’Progressionsnachteil‘: höhere Besteuerungsbasis bzw. | |
Steuern der Pflichtversicherten durch Beiträge zur Rentenversicherung und | |
Arbeitslosenversicherung aus zu versteuerndem Lohn. III. den | |
’Grundpreis-Nachteil‘: unterschiedliche Rentenversicherungsbeiträge aus | |
versteuertem Einkommen für gleich hohen Rentenanspruch, aber Besteuerung | |
der Rente nach gleicher Systematik (Steuersatz, Freibeträge). IV. den | |
’Nachteil der verdeckten Besteuerung‘: Verwendung von | |
Rentenversicherungsbeiträgen als Ersatz für Steuermittel. Und V. den | |
’Nachteil der Doppelbesteuerung‘: Doppelbesteuerung der | |
Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen durch obige | |
steuerlich-finanzielle Nachteile. Na ja, das sind wohl Nachteile genug! | |
## Wir werden alle behumst! | |
Bis ich so weit war, das alles wirklich zu durchschauen und auch zu | |
berechnen, was die Nachteile in Geldwert ausmachen, ist viel Zeit | |
vergangen. Es hat fast zehn Jahre gedauert, dieses Fehlurteil und seinen | |
weiteren Weg bis zum Gesetz zu untersuchen. Bis ich beweisen konnte, wie | |
dadurch zwei Drittel der deutschen Bevölkerung arm gemacht werden. Sie | |
haben mich ja beide anfangs gefragt, weshalb ich das alles gemacht habe. | |
Wahrscheinlich, weil ich mich aufgeregt habe über die Angelegenheit. Ein | |
starkes Motiv war sicher, offenzulegen, werden wir betrogen oder nicht. | |
Und wenn ja, worin besteht eigentlich der Betrug? Gleichzeitig aber, das | |
muss ich zugeben, war ich von der Schurkerei fasziniert. Dass z. B. über 45 | |
Jahre Steuerpräferenzen wieder zurückgenommen werden, das sieht man nicht. | |
Das steht da nicht. Das müssen Sie selber nachrechnen. Rürup hat alles in | |
die Anhänge getan. Es ist ’perfekt‘ gemacht. Aber mein Ärger darüber, f�… | |
wie doof und gutmütig und auch für wie demütig man gehalten wird, der | |
überwiegt eigentlich alles. | |
Wir haben das, wie gesagt, auch mal durchgerechnet, was uns aufgrund dieses | |
Gesetzes vom Staat weggenommen wird, haben eine Modellrechnung gemacht und | |
das durchverzinst – mit dem fairsten Zinssatz übrigens –, und da kommen Sie | |
natürlich auf enorme Beträge im sechsstelligen Bereich. Und wenn Sie dann | |
noch die ’verdeckte Besteuerung‘ berücksichtigen, wo Ihre Beiträge als | |
Steuerersatz mit hergenommen werden, dann kommen Sie auf richtig viel Geld. | |
Das hat mich doch enorm geärgert. Wir haben uns dann besprochen, meine Frau | |
und ich – sie hat das ja alles direkt und indirekt jahrelang mitgemacht –, | |
und wir haben uns dann zur Klage entschlossen. 2010 haben wir unsere Klage | |
eingereicht. | |
So lange hat es gedauert, bis ich wirklich dahintergekommen bin, wie hoch | |
wir alle behumst werden. Wenn Sie klagen, dann müssen Sie einen triftigen | |
Klagegrund haben und einen sogenannten ’Nachteil‘, das ist übrigens ein | |
sehr alter juristischer Begriff und steht für einen persönlichen Schaden. | |
Und zum Klagen, da braucht man auch Geld, aber Geld haben wir ja. Wir haben | |
einen ’Vermögensüberhang‘. Machen wir was Gutes draus, dachte ich. Aber d… | |
ist leichter gesagt als getan. Sie glauben gar nicht, wie man da als Mensch | |
behandelt wird. Was man uns für Hindernisse in den Weg legte. Dennoch haben | |
wir die erste Hürde genommen und landeten beim Finanzgericht und da liegen | |
wir nun schon seit drei Jahren herum. Aber wir warten und halten uns fit | |
mit dem Laufband. | |
## An zwei Schrauben drehen | |
Für so ein umfangreiches Vorhaben braucht man Zeit. Ich hatte Zeit. | |
Besonders, nachdem ich rausgeflogen war. Ich war nämlich mal ein ernst zu | |
nehmender Manager, SNI, die gab’s damals, Siemens Nixdorf | |
Informationssysteme. Ich hatte 2.000 Mitarbeiter, ein ordentliches | |
’Volumen‘. Da war auch der Otto Teufel. Er war Betriebsrat und ich war so | |
etwas wie der natürliche Feind des Betriebsrats. Im Rahmen einer großen | |
Rationalisierung musste ich Leute entlassen. Ich war in dieser Firma – das | |
nennt man ganz scheußlich – im ’oberen Führungskreis‘. | |
Aber ich dachte, gehe ich lieber mal selber hin und rede persönlich mit dem | |
Betriebsrat, statt einfach nur die Leute hinzuschicken. Und einer von den | |
Betriebsräten, mit denen ich gesprochen habe, war der Otto Teufel – später | |
wurden wir sogar Freunde. Ich habe versucht, alles darzulegen, dass wir | |
rationalisieren müssen, dass die Entlassungen eine beschlossene Sache sind, | |
dass wir aber an zwei Schrauben drehen können: Die eine war die | |
’Abfindungsschraube‘ und die zweite war das Timing. Es war hart, aber | |
damals gab es wenigstens noch Betriebsrenten … So habe ich den Otto und | |
andere Betriebsräte kennen gelernt, und ich glaube, wir haben einigermaßen | |
schlaue Kompromisse gefunden. Er musste dann ja auch gehen. | |
Mit der Führung hatte ich keine so gute Beziehung, einer war der Herr von | |
Pierer, und mit dem anderen ging es noch schlechter. Und eines Tages wurde | |
ich selbst entlassen. Überraschend. Zwar mit Abfindung, aber ich war | |
arbeitslos. Die Begründung war, dass in diesem Bereich keine Führungskraft | |
mehr benötigt wird, auch in der Zukunft nicht. Mein Job war letztendlich | |
auch abgebaut worden. Ich bin dann sogar zum Arbeitsamt – ohne gesundes Ego | |
stehen Sie das nicht durch. | |
## Mit Altersarmut bedroht | |
Warteschlange, Marke ziehen, Kästchen ankreuzen. Mir wurde dann gesagt, ich | |
sei überqualifiziert. Für Sie haben wir leider momentan nichts da. Ich | |
wurde dann aber nach einiger Zeit wieder geholt von der Firma, als | |
’Berater‘, für ein paar Jahre. Ich kannte eine ganze Menge der | |
rausgeflogenen Mitarbeiter, und das war eigentlich auch der Grund, weshalb | |
ich dann mit Otto Teufel diesen Verein gegründet habe, diese ’Aktion | |
demokratische Gemeinschaft‘. Zum Glück gab es damals noch eine Rente ohne | |
Abschlag ab 60, das habe ich dann im allerletzten Moment wahrnehmen können. | |
Es wird uns zum Thema Renten, Altersarmut usw. unendlich viel erzählt, auch | |
vom ’demografischen Wandel‘ ist ja gern die Rede. Bedauerlich, dass wir | |
immer älter werden. Aber ist Ihnen das schon mal aufgefallen? Nur die | |
Rentner werden immer älter! Politiker und Beamte werden grundsätzlich nicht | |
älter! Dabei werden sie im Schnitt zwei Jahre älter als Rentner. Die | |
Dramatisierung des demografischen Wandels dient auch nur der | |
Einschüchterung der Pflichtversicherten und der Erschließung neuer | |
Geschäftsfelder der Versicherungsindustrie. Die, die jetzt arbeiten – ob | |
vor oder nach dem Alterseinkünftegesetz –, die werden ausgeplündert und mit | |
Altersarmut bedroht, das sollten sie wissen! Altersarmut würde es aber gar | |
nicht geben, wenn man uns die geplünderten Rentenversicherungsbeiträge | |
zurückerstatten würde, mit Zinsen, wie es sich gehört!“ | |
28 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Goettle | |
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Geschichte der Gesundheitsbewegung: Autonomie und Sterbehilfe | |
Der Medizinhistoriker Gerhard Baader hat die NS-Euthanasie erforscht. Die | |
heutigen Debatten um Bioethik und Sterbehilfe sieht er als Gefahr. | |
Altersarmut bei Rentnern: Weniger als die Grundsicherung | |
Fast jeder zweite Rentner erhält weniger als das, was ihnen als | |
Grundsicherung zusteht. Viele sind darauf angewiesen, auch im Ruhestand | |
noch Geld zu verdienen. | |
Gesundheitsökonom zu Arm und Reich: „Hierarchien machen sozialen Stress“ | |
Große Einkommensunterschiede sind das Grundübel der meisten | |
Industriestaaten, sagt Richard Wilkinson. Sein Rezept: mehr | |
Genossenschaften. | |
Ein Besuch bei LobbyControl in Berlin: Von Böcken, die gärtnern | |
Lobbyisten sind überall. Ein gemeinnütziger Verein versucht, das Geflecht | |
zwischen Wirtschaft und Politik transparent zu machen. | |
Augenarzt mit sozialer Vision: Brillen für Deutschland | |
Dr. Roth erzählt von der verordneten Armut – und von seiner Armenklinik, | |
die Menschen hilft, denen keine Krankenkasse beisteht. |