# taz.de -- Rente und Altersarmut: Geringverdiener sollen mehr sparen | |
> Kleinverdiener sollen mehr „riestern“ oder eine Betriebsrente abschließen | |
> – ein neues Gesetz will Anreize dafür schaffen | |
Bild: Das Sparen fürs Alter soll sich auch für Niedrigverdiener lohnen: Reini… | |
Berlin taz | Es ist eine Gruppe, die Sozialpolitiker aller Parteien | |
beschäftigt: Kleinverdiener, deren spätere gesetzliche Rente so niedrig | |
sein wird, dass sie ergänzende Grundsicherung im Alter, eine Art Hartz IV | |
für Ruheständler, werden beantragen müssen. Haben diese Altersarmen ein | |
bisschen Geld aus einem Riestervertrag oder einer Betriebsrente angespart, | |
wird dieses Einkommen erst angerechnet, bevor man Grundsicherungsleistungen | |
bekommt. Mit einem neuen Gesetz will Bundessozialministerin Andrea Nahles | |
(SPD) das jetzt ändern – und erntet Kritik. | |
Wer im Alter Grundsicherung bezieht, soll zusätzlich zu dieser | |
Sozialleistung künftig einen monatlichen Freibetrag von mindestens 100 Euro | |
aus einer Betriebs- oder Riesterrente behalten dürfen, sieht der Entwurf | |
für das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz vor, den Nahles am Freitag | |
vorgelegt hat. | |
Eine Beispielrechnung: Bekommt jemand künftig nur 600 Euro gesetzliche | |
Rente, hätte er oder sie Anspruch auf aufstockende Grundsicherung, im | |
Durchschnitt also eine Aufstockung auf rund 750 Euro im Monat. Hat man noch | |
eine Riesterrente angespart, würde man von dieser zusätzlichen | |
Altersvorsorge 100 Euro im Monat behalten können, hätte also dann bei einer | |
gesetzlichen Rente von 600 Euro am Ende ein Einkommen von 850 Euro im | |
Monat. | |
## Neue Anreize zum „Riestern“ | |
Im Sozialrecht wolle man mit dem Freibetrag „neue Anreize“ für den Aufbau | |
einer zusätzlichen Altersvorsorge schaffen, heißt es dazu im Gesetzentwurf. | |
Denn Geringverdiener, die damit rechnen, im Alter sowieso auf ergänzende | |
Grundsicherung angewiesen zu sein, haben bisher keinen Grund, irgend etwas | |
privat anzusparen – es würde ihnen später sowieso von der staatlichen | |
Sozialleistung wieder abgezogen. | |
Bisher sind zwar nur drei Prozent der Bevölkerung im Alter von über 65 | |
Jahren Empfänger von Grundsicherung , wobei 77 Prozent davon diese | |
Grundsicherung aufstockend zu einer kleinen gesetzlichen Rente bekommen. | |
Doch man erwartet, dass die Zahl der Empfänger von Grundsicherung steigt. | |
Der Sozialwissenschaftler Gerhard Bäcker vom Institut Arbeit und | |
Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen rechnet vor, dass ein | |
Erwerbstätiger, der 70 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient, im | |
Jahre 2045 fast 48 Jahre gearbeitet haben müsste, um das Niveau der | |
Grundsicherung zu erreichen- denn das Rentenniveau wird durch die | |
demographischen Veränderungen sinken. Eine solch lange Einzahlungsdauer ist | |
kaum zu schaffen. Kein Wunder, dass das gesetzliche Rentensystem immer | |
unattraktiver wird für Jüngere. | |
## Das Problem sind die Vermögensgrenzen | |
Bäcker sieht den Gesetzentwurf mit den neuen Freibeträgen aber kritisch. | |
Angesichts der bestehenden Vermögensgrenzen seien die monatlichen | |
Freibeträge „nur eine Scheinlösung“, sagt Bäcker. Denn es gilt laut dem | |
Gesetzentwurf zwar ein neuer monatlicher Freibetrag für das Angesparte – | |
aber die geltenden Vermögensfreigrenzen werden nicht angetastet. | |
Das bedeutet: Wer mehr als 2.600 Euro Vermögen besitzt- selbstgenutztes | |
Wohneigentum ausgeschlossen- , der muss das Vermögen erst aufbrauchen, | |
bevor auch nur ein Cent an Grundsicherung fließt. Das heißt, auch kleinere | |
Erbschaften oder eine Datsche müssen erst verbraucht oder verkauft werden, | |
bevor der oder die KleinrentnerIn Grundsicherung in Anspruch nehmen kann. | |
4 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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