Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rede an die Nation: Putins übliche Verdrehungen
> In seiner Rede an die Nation droht der russische Präsident dem Westen mit
> einem Atomkrieg. Seinem Land verspricht der Kremlchef eine rosige
> Zukunft.
Bild: Putin bei seiner Ansprache
Moskau taz | Er tut es wieder: Wladimir Putin droht, diesmal mit
Atomwaffen. „Alles, was sie sich derzeit einfallen lassen, womit sie die
Welt erschrecken, schafft die reale Gefahr eines Konflikts mit dem Einsatz
von Atomwaffen, was die Zerstörung der Zivilisation bedeutet“, sagt der
russische Präsident am Donnerstag in seiner Rede zur Lage der Nation in
Moskau. Der Kremlchef antwortet damit auf die jüngst von Frankreichs
Präsident Macron losgetretene Debatte über den möglichen Einsatz westlicher
Bodentruppen in der Ukraine, die von Kanzler Scholz rasch abmoderiert
wurde.
Mehr als 1.000 Vertreter*innen aus den beiden Parlamentskammern,
Jugendorganisationen, auch Teilnehmer*innen an Russlands „militärischer
Spezialoperation“, wie [1][der Krieg gegen die Ukraine] hier offiziell
genannt wird, haben sich in der Ausstellungshalle Gostiny Dwor versammelt
und klatschen nach solchen Sätzen, fast schon in Sowjetmanier, ihrem
Präsidenten zu. Mehr als zwei Stunden lang malt dieser ihnen in teils
markigen Worten das Bild eines blühenden Russlands der Zukunft aus. Eines
Landes, das unter dem Atomschild immer mehr Kinder zeuge, so seine
Vorstellung, die – vom Militär aufgeklärt – für ein „starkes, souverä…
Russland“ voller „Selbstständigkeit und Selbstgenügsamkeit“ sorgen soll…
[2][Putin] will Zuversicht verbreiten, in einer Zeit, in der selbst die von
ihm für seinen Kriegskurs als unterstützend gelobte Mehrheit im Land kaum
Zuversicht spürt. Die russische Mehrheit unterstütze zwar, wie Putin sagt,
die „Spezialoperation“, doch sie ist ermüdet von den Entbehrungen, die
diese mit sich bringt, und wendet sich in ihrer Gleichgültigkeit von der
Realität ab.
## Wahlkampfmodus ohne Kampf
Es ist eine zweigeteilte Rede, die der Kreml im Vorfeld bereits eine
Wahlkampfrede nannte. In zwei Wochen lässt sich Putin zum fünften Mal als
Präsident bestätigen, deshalb sein „bis 2030“, das er ein Dutzend Mal
vorträgt. Bis dahin werde Russland die Armut gesenkt und neue Kindergärten,
Schulen sowie Sportkomplexe gebaut haben, in „vaterländischen Fabriken“
alles produzieren, was das Land brauche, in der Wissenschaft
„vaterländische Infrastruktur“ aufgebaut haben. „Wir werden uns in
überholendem Tempo entwickeln“, sagt Putin großspurig. Woher die Ressourcen
für all die Fabriken, Dorfklubs und Co. kommen sollen, sagt er nicht. Wie
er auch nicht erklärt, wie das Land zu mehr Kindern kommen will, während
die Männer an der Front umkommen.
Zunächst einmal aber teilt er, wie gewohnt, gegen den Westen aus: Dieser
versuche, „uns in ein Wettrüsten hineinzuziehen“, sagt er, bezeichnet
diesen und allen voran die USA als „verlogen“. Worüber sie reden, sei
unverständlich. „Sie haben wohl vergessen, was ein Krieg ist. Wir aber sind
durch solche Herausforderungen hindurchgegangen. Sie scheinen das alles für
Zeichentrickfilme zu halten.“
Russland, dieses „zuversichtlich in die Zukunft blickende Land“, wähle das
Leben, sei barmherzig und solidarisch. Es sind die üblichen
Verdrehungsfloskeln eines Mannes, der alles dem militärischen Kampf
unterordnet – und damit der Vernichtung der Ukraine. „Soviel, wie die Front
braucht“, sagt er einmal. Es werde „alles für [3][den Sieg]“ getan: Die
Rüstungsbetriebe arbeiteten in drei Schichten, die Bildungsarbeit
entwickele sich in „dieser Richtung“. „Jeder muss in den Sieg investieren.
Wir sind eine kolossale, alles besiegende Kraft, zusammen verteidigen wir
die Freiheit“ ist seine Losung für den aufgezwungenen Zusammenhalt.
Putin wähnt sich im Wahlkampfmodus, auch wenn er gar nicht kämpfen muss.
Kein oppositioneller Kandidat ist zugelassen am 17. März. Der Jubel muss
aber her. Deshalb verteilt er bereits im Vorfeld Wahlgeschenke, erläutert
sein „Nationalprojekt: Familie“, spricht von Steuererleichterungen für jene
mit mehreren Kindern, erhöht das sogenannte „Mutterkapital“, Geld, das
Frauen für die Geburt ihrer Kinder vom Staat erhalten. „Wir sind eine große
Familie, ich glaube an unsere Siege, an unsere Zukunft“, sagt er vor sechs
russischen Flaggen. Die Hymne ertönt.
29 Feb 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Viktor-Jerofejew-ueber-Putins-Psyche/!5991763
[3] /Zwei-Jahre-russischer-Angriffskrieg/!5989463
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Wladimir Putin
Ukraine
GNS
Russland
Russland
Transnistrien
Olaf Scholz
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Republik Moldau
wochentaz
Schwerpunkt Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Weltkriegsgdenken in Russland: Gekaperte Erinnerung in Russland
Bei der militärischen „Siegesparade“ auf dem Roten Platz in Moskau betreibt
Kremlchef Wladimir Putin erneut Geschichtsklitterung im großen Stil.
Dissident Lukaschewski über Russland: „Die Kriegsmüdigkeit nimmt zu“
Am 17. März will Putin sich im Amt bestätigen lassen. Dissident Sergei
Lukaschewski über Alexei Nawalnys Tod und kleine Akte des Widerstands.
Russische Abspalter in Moldau: Was gerade in Transnistrien vorgeht
Die Machthaber der Separatistenregion rufen nach Putin. Heizt das den
eingefrorenen Konflikt im Osten Moldaus an? Antworten auf die 8 wichtigsten
Fragen.
Politische Kommunikation im Krieg: Dilemma der Öffentlichkeiten
Dort „der Wähler“, da „die Verbündeten“ und nicht zuletzt Putin – b…
Waffenlieferungen ist es schwer, den richtigen Ton zu treffen. Auch für
Scholz.
Putins Rede zur „Lage der Nation“: Der große Manipulator
Putin wiederholt sich: leeren Versprechungen ans Volk und immergleiche
Drohungen gen West. Er wirkt hilflos.
Abtrünnige Region Transnistrien: Russland soll helfen
Wegen einer Wirtschaftsblockade durch die Republik Moldau hat die Region
Transnistrien Russland um Schutz gebeten.
Viktor Jerofejew über Putins Psyche: „Er war gelangweilt“
Putins Verhalten ähnelt dem eines rachdurstigen Mafioso, sagt der
Schriftsteller Viktor Jerofejew. In seinem Roman „Der große Gopnik“
analysiert er ihn psychologisch.
Putins Überfall auf die Ukraine: Startschuss zum Weltkrieg
Putins Krieg ist weit mehr als ein Versuch der Wiederherstellung des
russischen Imperiums. Deutschland aber verweigert seine Verantwortung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.