# taz.de -- Rechtsruck bei Kommunalwahl in Thüringen: Uni besetzt, Frosch abge… | |
> Wegen des Rechtsrucks in Thüringen besetzen Studierende einen Hörsaal in | |
> Jena. Die AfD in Saalfeld-Rudolstadt zerlegt sich in einem Machtkampf. | |
Bild: Wenn die AFD zum Froschbrei wird | |
BERLIN taz | Der Hörsaal 4 der Universität Jena ist seit Montagnachmittag | |
besetzt. Das Bündnis „Rechtsruck Stoppen“ hält seit einer Demo am | |
Nachmittag hier eine „ständige Versammlung“ ab, um nach [1][den | |
AfD-Wahlerfolgen] einen Ort für antifaschistische Vernetzung zu schaffen – | |
„gegen die rechtsextreme Landnahme“, wie das Bündnis auf Social Media | |
schreibt. | |
Die rechtsextremen Wahlerfolge seien eine Gefahr für die Universität als | |
Ort des freien Forschens – man wolle auch gemeinsam mit der | |
Hochschulleitung in den Dialog treten, um gemeinsam Strategien gegen den | |
Rechtsruck auszuarbeiten. Die Nutzung sei friedlich und es gebe Absprachen | |
mit der Hochschulleitung. Am Dienstag organisierten die Studierenden erste | |
Veranstaltungen. | |
Tatsächlich gibt es dafür allen Anlass: Denn wie verfestigt rechtsextremes | |
Gedankengut in Teilen der Wählerschaft Thüringens ist, kann man nicht nur | |
in vielen [2][relativen AfD-Kreistagsmehrheiten und neun Stichwahlen | |
ablesen], in welche die extrem rechte AfD zumeist als Zweitplatzierte | |
gekommen ist. Sondern ganz besonders auch im Landkreis Hildburghausen, wo | |
es sogar der gewalttätige und [3][offene Neonazi Tommy Frenck] in die | |
Stichwahl zum Landrat geschafft hat. Frenck ist bekannt für Hitler-Shirts | |
und verkauft in seiner Gaststätte in Kloster Veßra an Adolf Hitlers | |
Geburtstag Schnitzel für 8,88 Euro. Als sich die halbe Republik über die | |
„Ausländer raus“-Rufe von Sylter Schnöseln aufregte, postete er einen Tag | |
vor der Wahl einen Wehrmachtssoldaten auf einem Motorrad mit der | |
Überschrift „Auf nach Sylt“. | |
In Kloster Veßra kam Frenck damit auf 31,5 Prozent, insgesamt erreichte er | |
im Landkreis Hildburghausen 24,9 Prozent. Damit steht ein Verfassungsfeind, | |
[4][dessen Zulassung zur Wahl umstritten ist], in der Stichwahl gegen einen | |
Kandidaten der Freien Wähler, Sven Gregor. Ein Demokratie-Bündnis aus | |
Kloster Veßra will auf einer Veranstaltung am Donnerstag in der | |
300-Seelen-Gemeinde auf die Gefahren des möglichen Neonazis-Landrats | |
hinweisen. Weitere Aktionen vor der Stichwahl am 9. Juni sind bereits in | |
Planung. | |
## Eskalierter Machtkampf in der Höcke-AfD | |
Ein Nachspiel haben die Kommunalwahlen auch für die AfD-Fraktion im | |
Thüringer Landtag. Der Abgeordnete Karlheinz Frosch verkündete am Montag | |
seinen Austritt aus der AfD und begründete das mit Höckes uneingeschränkten | |
Führungsambitionen. „Höcke ist gerne groß, er ist ein Machtmensch. Andere | |
Meinungen beißt er weg“, [5][schimpfte Frosch auf dem Sprung nach draußen]. | |
„Das System Höcke darf keine Risse bekommen. Die können mit starken Leuten | |
nicht umgehen. Für den rechtsradikalen Teil der Partei ist Höcke wie ein | |
Gottvater.“ | |
Im Fall von Frosch hat das System Höcke tatsächlich Risse bekommen: Die | |
Kandidatenaufstellung für die Kommunalwahl in Saalfeld-Rudolstadt hatte | |
einen parteiinternen Machtkampf ausgelöst. Höcke passte die regulär im | |
Herbst 2023 aufgestellte AfD-Liste von Frosch personell nicht, er klagte | |
dreimal erfolglos vor Gericht gegen die Kandidaturen. Dann ließ er | |
kurzerhand seine Leute mit einer eigenen Liste antreten, die sie | |
„Alternative für den Landkreis“ nannten, überzog die unliebsamen | |
Abtrünnigen mit Parteiausschlussverfahren und entzog ihnen die | |
Mitgliedsrechte. Von Wahlplakaten in Saalfeld-Rudolstadt machte Höcke | |
lächelnd Werbung gegen die offizielle AfD-Liste – und für die „echte | |
Alternative“. | |
Die Frosch-Fraktion quakte ihrerseits zurück, nannte Höcke einen | |
„Narzissten“, der mit demokratischen Gepflogenheiten wenig am Hut habe. | |
„Nicht wir müssen aus der Partei geworfen werden – wenn dann er.“ Höcke | |
umgebe sich mit Ja-Sagern, „die morgens mit Bier an der Tankstelle stehen“, | |
schimpften die Kandidaten ganz unverblümt und lieferten einen seltenen | |
Blick hinter die sonst eher monolithisch-geschlossen wirkende AfD | |
Thüringen. | |
Am Ende nahmen sich beide Listen bei der Wahl im Landkreis gegenseitig die | |
Stimmen weg – allerdings interessanterweise mit dem schlechteren Ende für | |
den Landesvorsitzenden Höcke. Die offizielle AfD-Liste von Frosch kam auf | |
18,5 Prozent und 9 Sitze im Kreistag, die Höckeliste auf 13,7 Prozent und 6 | |
Sitze. Frosch, der sich selbst – trotz jahrelanger Tätigkeit in der vom | |
Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD Thüringen – | |
immer „bürgerlich-konservativ“ nennt, führte als Austrittsgrund auch an, | |
dass die AfD immer weiter nach rechts gerutscht sei. | |
## „Eine absolute Niederlage für Höcke“ | |
Die AfD-Fraktion verliert mit dem 73-jährigen nun auch den | |
Alterspräsidenten im Thüringer Landtag. Sein Mandat wolle er als | |
Fraktionsloser bis zur Landtagswahl im Herbst aber behalten, sagte Frosch. | |
In Richtung Höcke trat er nochmal nach: Das Ergebnis der Kommunalwahl sei | |
[6][„eine absolute Niederlage für Höcke“], der sein ganzes Gewicht | |
reingelegt und doch verloren habe. | |
Tatsächlich zeigt die Posse um die Liste, dass der Erfolg der AfD in | |
Thüringen weit weniger personalisiert ist, als der Rechtsextremist Höcke | |
gerne glauben machen will. Der Fall Frosch hat gezeigt, dass Höckes | |
Hinterland durchaus auch parteiintern streitig gemacht werden kann. Das | |
passt im Übrigen [7][zu einer Umfrage aus dem März von Infratest Dimap]: | |
Während die AfD Thüringen landesweit bei 30 Prozent lag, würden nur 16 | |
Prozent Höcke direkt wählen. | |
Die Gefahr der weiteren Normalisierung der extrem rechten AfD schmälert das | |
allerdings nicht. Im Gegenteil: Der Gewöhnungseffekt an die Antidemokraten | |
dürfte gerade mit ihrer Präsenz in den Kreistagen und Stadträten nach den | |
Kommunalwahlen deutlich größer werden – denn in vielen Kommunalparlamenten | |
ist die Höcke-AfD nun stärkste Kraft. | |
28 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kommunalwahlen-in-Thueringen/!6010264 | |
[2] /Kommunalwahlen-in-Thueringen/!6010264 | |
[3] /Kommunalwahl-in-Thueringen/!6009251 | |
[4] /Kommunalwahl-in-Thueringen/!6009251 | |
[5] https://www.merkur.de/politik/hoecke-afd-kommunalwahl-thueringen-erfurt-fro… | |
[6] https://www.otz.de/regionen/saalfeld-rudolstadt/article242432120/Altersprae… | |
[7] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/wahlumfrage-landtagswahl-bsw-afd-… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Schwerpunkt Thüringen | |
Björn Höcke | |
Social-Auswahl | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Kolumne Alles getürkt | |
Thüringen | |
Thüringen | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Demos für Demokratie: Kampf gegen rechts vor der Haustür | |
Seit Anfang des Jahres engagieren sich in vielen Berliner Kiezen | |
Nachbarschaftsinitiativen gegen den Rechtsruck. Die große Mobilisierung ist | |
aber vorbei. | |
Ost-Wahlen: Nur Genießer fahren Fahrrad | |
Sie wollen für Weltoffenheit, Solidarität und Dialog werben. Sechs Tage | |
lang touren Engagierte von Erfurt bis nach Waren an der Müritz. | |
Mein Nachbar von der AfD: Thorsten, der Brüller von Sylt | |
Unser AfD-Nachbar Thorsten schreit immer „Ausländer raus“, wenn er mich | |
sieht. Wie ich meiner Tochter Hatice erkläre, woran das liegt. | |
Thüringer Kommunalwahl: CDU knapp vorn | |
Laut vorläufigem Ergebnis kommt die CDU landesweit auf 27,2 Prozent. Die | |
AfD konnte deutlich zulegen, vor allem in ländlichen Regionen. | |
Kommunalwahlen in Thüringen: Braun mit schwarzen Punkten | |
Bei den Wahlen in Thüringen holt die AfD flächendeckend gute Ergebnisse, | |
doch die Erfolgsgeschichte ist es nicht. Denn auch die CDU genießt | |
Vertrauen. | |
Stichwahlen in Thüringen: Mit High Heels im braunen Sumpf | |
Seit zwölf Jahren macht Petra Enders Politik für den Ilm-Kreis. Nun muss | |
die beliebte Landrätin um ihr Amt kämpfen – gegen einen „No-Name“ von d… | |
AfD. | |
Kommunalwahl in Thüringen: Kein Sieg ist nicht genug | |
Die Maske der AfD ist schon lange gefallen, selbst internationale | |
Verbündete wenden sich von ihr ab. Trotzdem holt sie in Thüringen tausende | |
Stimmen. |