| # taz.de -- Ost-Wahlen: Nur Genießer fahren Fahrrad | |
| > Sie wollen für Weltoffenheit, Solidarität und Dialog werben. Sechs Tage | |
| > lang touren Engagierte von Erfurt bis nach Waren an der Müritz. | |
| Bild: Jetzt geht es los: Die Tour startet in Erfurt | |
| Erfurt taz | Auf dem Fischmarkt vor dem Erfurter Rathaus fällt eine Gruppe | |
| von etwa 25 Radlern mit ihren gelbgrünen Signalwesten auf. „Wählt | |
| Weltoffenheit, Solidarität und Dialog“ steht darauf, der Zweck der | |
| „WSD“-Tour, die am Mittwoch in Erfurt gestartet ist und bis zum 3. Juni | |
| dauert. Über Magdeburg soll es bis nach Waren an der Müritz gehen. Eine | |
| Vertreterin des BMZ spricht, des Entwicklungs- und | |
| Zusammenarbeitsministeriums der Bundesrepublik. | |
| Morgens um acht Uhr kommt auch [1][Erfurts Oberbürgermeister Andreas | |
| Bausewein (SPD)] aus seinem Amtszimmer herunter. Es tut seiner Laune keinen | |
| Abbruch, dass er nach der ersten Runde der Kommunalwahlen gegen einen | |
| CDU-Konkurrenten in die Stichwahl muss. Er gibt den Radlern die Aufgabe | |
| mit, Bürgern zu verdeutlichen, „wie gut es uns geht“ und auf welch hohem | |
| Niveau man klage. | |
| Auch der OB zieht eine Weste über und köpft einen Fußball in die Luft, auf | |
| dem er sein Autogramm hinterlassen hat. Ein Ritual, das sich an jeder | |
| Station wiederholen wird und auf den Verein „Spirit of football“ | |
| zurückgeht, der die Tour mitveranstaltet. Nicht an jeder Station | |
| eskortieren allerdings zwei Polizeiwagen das Feld wie hier bis an den | |
| Stadtrand. | |
| Hinter der Radelwoche steht die Berliner Stiftung Nord-Süd-Brücken. Sie | |
| fördert zivilgesellschaftliches Engagement und Träger, die | |
| Entwicklungszusammenarbeit in der Welt sowie in den ostdeutschen Ländern | |
| leisten. Über ihre Gründung 1994 berichtet Geschäftsführer Andreas Rosen | |
| unterwegs Erstaunliches. | |
| ## Diese Stiftung konnte Kapital vor Treuhand retten | |
| Die Stiftung geht zurück auf das ebenfalls „Solidaritätskomitee“ der DDR | |
| und dessen Vermögen von etwa 17 Millionen Euro. Bürgerrechtler setzten sich | |
| erfolgreich am Entwicklungspolitischen Runden Tisch dafür ein, dass das | |
| Geld nicht im Topf der Treuhand verschwindet, sondern über die Stiftung | |
| weiterhin solidarischen Zwecken zugeführt wird. | |
| Mit 13 dezentralen Trägern in Ostdeutschland kooperiert die Stiftung, acht | |
| Standorte, beispielsweise in Halle, Magdeburg oder [2][Neuruppin], besucht | |
| die Gruppe auf ihrer Tour. Einige Vertreter radeln deshalb auch mit. Sie | |
| sind nicht direkt bei der Stiftung angestellt, sondern ihre Stellen und | |
| Projekte werden von den Nord-Süd-Brücken gefördert. | |
| Christian Mädler zum Beispiel, ein Urvieh, der mit seinem durchschnittlich | |
| wirkenden Rad schon bis nach Vietnam gestrampelt ist. Daheim im | |
| erzgebirgischen Eibenstock hat er Volksfeste organisiert, kennt sich aber | |
| auch anderswo aus. Zum Beispiel in [3][Freiberg] und seinem Nachbarort | |
| Halsbrücke, wo es aktuell einen weiteren Grundstückskauf durch Peter | |
| Fitzeks „Königreichsbürger“ zu verhindern gilt. Auch Thüringen mit der | |
| ersten Station Sömmerda ist ihm vertraut. | |
| Zwischen Bonifatiuskirche und dem gegenüberliegenden Weltladen hat der | |
| Arbeiter-Samariter-Bund Tische, Bänke, ein Zelt und ein Buffet aufgebaut. | |
| Bürgermeister Ralf Hauboldt von der Linken ist gekommen und betont die | |
| Wichtigkeit politischer Bildung und Demokratieschulung. Und in der Tat hat | |
| ein Teil des örtlichen Nachwuchs für diese Begegnung schulfrei bekommen. | |
| ## Nette Gespräche, statt moralische Predigten | |
| Man bleibt also nicht unter sich, nicht nur unter den ohnehin schon für | |
| Demokratie und globale Gerechtigkeit Engagierten. Mit Einheimischen | |
| entwickeln sich sofort intensive Gespräche in einer spürbar warmen | |
| Atmosphäre. In diesen Zeiten schon mal ein Wert an sich. Missionarisch mit | |
| „Predigten“ auf Marktplätzen ist die WSD-Tour nicht unterwegs. | |
| Aber an der Kirche hängt ein großes Banner in Regenbogenfarben für ein | |
| weltoffenes Thüringen, wie es mittlerweile in fast jedem Ort zu entdecken | |
| ist. [4][Franziska Weiland kommt eigentlich aus dem Eichsfeld], arbeitet | |
| beim Eine-Welt-Netzwerk in Jena und ist für das Bündnis Weltoffenes | |
| Thüringen aktiv. Eine von mittlerweile 7.642 Unterstützerinnen, neben | |
| Einzelpersonen auch Initiativen, Vereine, Gewerbe und Industrie. Formiert | |
| hat es sich im vorigen Herbst nach dem AfD-Erfolg bei der Landratswahl in | |
| Sonneberg. | |
| Dort habe man gelernt, dass eine alarmierte Einheitsfront „Alle gegen die | |
| AfD“ nichts verhindere. Es gelte vielmehr, eigene positive Werte | |
| herauszustellen, für etwas ein- und aufzutreten, sagt sie, beispielsweise | |
| für die Ideale dieser WSD-Tour. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dieser | |
| Strategie ist sie sich nach den Kommunalwahlen von Sonntag nicht mehr so | |
| sicher. | |
| Irrtümlicherweise sehe die überregionale Presse es schon als Erfolg an, | |
| wenn die AfD keine Spitzenämter erringe. Viel mehr Sorgen macht der | |
| Eichsfelderin deren Zuwachs in den Gemeinderäten und Kreistagen. Dennoch | |
| bleibe das Oberziel, statt die Spaltung zu vertiefen, wieder ein Wir-Gefühl | |
| zu vermitteln. Da ist Weiland in dieser Radlergruppe bestens aufgehoben. | |
| 30 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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