# taz.de -- Mein Nachbar von der AfD: Thorsten, der Brüller von Sylt | |
> Unser AfD-Nachbar Thorsten schreit immer „Ausländer raus“, wenn er mich | |
> sieht. Wie ich meiner Tochter Hatice erkläre, woran das liegt. | |
Bild: Osmans Antwort auf Thorstens „Ausländer raus“-Geschrei | |
Seitdem die AfD im Parlament sitzt, ist alles schlimmer geworden. Alles | |
vielleicht nicht, aber einiges schon. Ich kann nicht mehr aus dem Haus | |
gehen, ohne blöd von der Seite angepöbelt zu werden. Immer wenn ich den | |
Karnickelweg verlasse und um die Ecke in die Ziegenstraße biege, schallen | |
mir „Ausländer raus!“-Rufe entgegen. Wenn ich alleine unterwegs bin, nehme | |
ich es sportlich und grüße höflich [1][mit einem Finger] zurück. Aber wenn | |
meine kleine Tochter Hatice dabei ist, verkneife ich mir das natürlich. | |
„Warum schreit der Mann immer ‚Raus, raus!‘, Papa?“, fragt Hatice mit | |
großen Augen. | |
„Keine Ahnung. Vielleicht ist ja bei ihm ein Dieb im Haus“, lüge ich | |
notgedrungen. | |
„Er brüllt ‚Ausländer raus!‘, Papa. Heißt Ausländer Dieb, Papa?“, f… | |
Hatice. | |
„So habe ich das nicht gehört“, lüge ich weiter. Wenn man einmal damit | |
anfängt. | |
„Hallo Osman, [2][Deutschland den Deutschen, Ausländer raus]!“, werde ich | |
diesmal namentlich erwähnt. | |
„Thorsten, ich habe dir schon hundertmal gesagt, wenn ich mit meiner | |
Tochter unterwegs bin, dann sollst du nicht so rumbrüllen.“ | |
„Osman, tickst du nicht richtig? Ich kann doch nicht als Geschäftsführer | |
der AfD tatenlos zugucken, wenn Ausländer vor meiner Nase | |
vorbeimarschieren. Das gehört sich einfach nicht.“ | |
„Dann dreh dich einfach um und guck die Wand an, wenn ich komme. So mache | |
ich das mit euch Faschos auch“, gebe ich meinem Nachbar nützliche | |
Ratschläge. | |
„Ich kann nicht weggucken. So ist nun mal das Geschäft. Was würden sonst | |
die Leute sagen?“ | |
„Was für ’n Geschäft denn?“ | |
„Hallo, hast du das etwa immer noch nicht mitgekriegt? Ich bin der neue | |
stellvertretende Geschäftsführer der [3][AfD] hier im Stadtteil.“ | |
„Tolle Sache. Aber etwas Respekt darf ich ja wohl erwarten. Schließlich | |
verdankt ihr alle eure Wählerstimmen uns Ausländern. Ohne uns gäbe es euch | |
überhaupt nicht. Und wie soll ich bitteschön meiner Tochter erklären, was | |
‚Ausländer raus!‘ bedeutet, ohne dem Kind weh zu tun? Aber so langsam muss | |
ich sie wohl mit der rauen Wirklichkeit in Deutschland bekannt machen.“ | |
„Siehst du, es hat sich bereits gelohnt, dass ich Geschäftsführer geworden | |
bin. Bisher war ich nur eine kleine Nummer in der AfD-Hierarchie…“ | |
„Ich weiß, ich weiß, jetzt bist du der ‚[4][Nazi-Brüller von Sylt]‘. T… | |
Karriere, Thorsten, gratuliere“, sage ich total genervt und gehe weiter. | |
„Ausländer raus, Ausländer raus!“, brüllt er uns hinterher. | |
„Papa, da ist wieder ein Dieb bei ihm im Haus. Willst du ihm nicht helfen?“ | |
„Nein, Hatice. Ihm ist nicht mehr zu helfen.“ | |
29 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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