# taz.de -- Rechtsextremismus-Studie: Die Mitte wankt | |
> Die neuen Zahlen zu rechtsextremen Einstellungen sind alarmierend. Der | |
> Kurs der Union erscheint vor diesem Hintergrund noch fataler. | |
Bild: Adlerauge sei wachsam: Das Vertrauen zur parlamentarischen Demokratie sch… | |
Es gerät nicht etwas ins Rutschen in dieser Gesellschaft – wir sind längst | |
mittendrin. Die von Rechtsextremen durchsetzte AfD segelt von Umfragehoch | |
zu Umfragehoch. Die CDU scheut sich zumindest in Thüringen nicht, ihre | |
Vorhaben mit den Stimmen von rechts außen gegen die Landesregierung | |
durchzubringen. Bei Protesten gegen die Bundesregierung stehen Bürgerliche | |
mit Rechtsextremen auf der Straße. Das Vertrauen in die Parteipolitik und | |
die Demokratie erodiert, politisch motivierte Gewalt liegt auf einem | |
Allzeithoch. | |
Untermauert wird das nun mit Zahlen [1][der neuen Mitte-Studie der | |
Universität Bielefeld im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung]. 8 | |
Prozent der Befragten zeigen darin ein manifestes rechtsextremes Weltbild – | |
in den Vorjahren waren es 2 bis 3 Prozent. 34 Prozent glauben, Geflüchtete | |
kämen nur nach Deutschland, um das Sozialsystem auszunutzen. Ein Fünftel | |
wähnt sich „mehr in einer Diktatur als Demokratie“. | |
Und 13 Prozent finden es berechtigt, dass Wut gegen Politiker*innen in | |
Gewalt umschlägt. Jeder dieser Befunde ist alarmierend. Und er lässt sich | |
auch nicht, wie in den Vorjahren, mit Methodenkritik wegwischen. | |
Rechtsextrem ist laut Studie, wer für einen Führer plädiert oder zwischen | |
„wertvollem“ und „unwertem“ Leben unterscheidet – völlig zutreffend.… | |
ließe sich diskutieren, ob Populist ist, wer findet, dass Parteien „alles | |
zerreden“. In einem Cluster mit Aussagen wie jenen, dass nicht allen | |
gleiche Rechte gewährt werden könnten, ist aber auch das schlüssig. | |
Die Zahlen zeigen, [2][wie anschlussfähig die Rhetorik der | |
Ressentimenttreiber inzwischen ist]. Es ist nicht so, dass „die Mitte“ | |
bisher davor gefeit gewesen wäre. Inzwischen nun aber sind die | |
Ressentiments offen aussprechbar. Es reicht nicht, dafür die Dauerkrisen | |
anzuführen, die derzeit diese Gesellschaft fordern – die Pandemie, der | |
Krieg, die Klimakrise. Nichts davon muss zwangsläufig in den | |
Rechtsextremismus führen. | |
## Ansprechbar für rechte Rhetorik | |
Der Befund, dass Zeiten der Unsicherheit eine Sehnsucht nach Sicherheit und | |
einfachen Antworten befördert, ist schnell gemacht. Aber nur ein Drittel | |
der Befragten erklärt, selbst von Krisen betroffen zu sein. Und eine | |
Mehrheit zeigte nach Kriegsausbruch, teils bis heute, Hilfsbereitschaft, | |
nicht Ausgrenzung. Offensichtlich aber ist: Ein wachsender Anteil anderer | |
ist ansprechbar für rechtsextreme Agitatoren, die sich durch diese Krisen | |
beflügelt sehen. Und es ist mehr als beunruhigend, dass unter jüngeren | |
Befragten sogar 12 Prozent ein rechtsextremes Weltbild aufweisen. | |
Gerade weil die Mitte wankt, ist es fatal, dass Demokraten wie die Union | |
Positionen von ganz rechts außen übernehmen oder hier gar Kooperationen | |
eingehen – und Ressentiments so weiter normalisieren. Auch und gerade dort | |
muss die Grenze zum Rechtsextremismus klar sein. Auf der anderen Seite | |
zeigen die Befunde, wie abwegig es ist, [3][wenn über Kürzungen in der | |
politischen Bildung oder im Sozialbereich diskutiert wird]. Genau das | |
Gegenteil ist nötig. Es braucht gerade alles und alle, um die Demokratie zu | |
stärken. | |
21 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.fes.de/referat-demokratie-gesellschaft-und-innovation/gegen-rec… | |
[2] /Mitte-Studie-der-Ebert-Stiftung/!5961642 | |
[3] /Berliner-Doppelhaushalt-2024/25/!5960767 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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