# taz.de -- Rechtsextremer „Flügel“: Bröckeln bei der AfD | |
> Nach Kalbitz wird nun auch der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann | |
> ausgeschlossen. Gegen Kalbitz wird weiter ermittelt, Gauland rügt seinen | |
> Kollegen. | |
Bild: Wo sind denn alle? Nach Kalbitz wird jetzt auch Pasemann ausgeschlossen | |
BERLIN/MAGDEBURG/POTSDAM afp/dpa/taz | Der sachsen-anhaltische | |
Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann ist aus der AfD geworfen worden. Das | |
Landesschiedsgericht beschloss bei einer Sitzung am Mittwoch den | |
Parteiausschluss, wie aus einem internen Rundschreiben hervorgeht, das der | |
Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Darin heißt es, Pasemann sei die | |
Ausübung jedweder Parteiämter untersagt, „gleichzeitig ist er in oder für | |
die AfD bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung weder aktiv noch | |
passiv wahlberechtigt“. | |
Pasemann gehört der Rechtsaußen-Strömung in der AfD an und ist im | |
Landesverband schon lange umstritten. Gegen die Entscheidung kann sich der | |
Magdeburger noch vor dem AfD-Bundesschiedsgericht wehren. Der frühere | |
Landesschatz- und ehemalige stellvertretende Bundesschatzmeister sollte | |
schon 2018 ausgeschlossen werden. Damals lehnte der Bundesvorstand einen | |
entsprechenden Antrag der Sachsen-Anhalt-AfD ab. Im April dieses Jahres | |
nahm der Landesvorstand einen zweiten Anlauf und sammelte mehrere Vorwürfe. | |
Pasemann soll als Bundestagsabgeordneter seit 2018 mehr als eineinhalb | |
Jahre lang nicht die in der Satzung festgeschriebene Mandatsträgerabgabe | |
überwiesen haben. Pasemanns Gegner argumentieren, dass schon drei Monate | |
nicht gezahlter Beiträge ausreichen, um einen Parteiausschluss zu | |
beantragen. Zudem warf der Landesvorstand Pasemann parteischädigendes | |
Verhalten und Antisemitismus wegen eines inzwischen gelöschten Tweets vor. | |
Er hatte im Februar über ein Foto des früheren Vizechefs des Zentralrats | |
der Juden, Michel Friedman, „Der ewige Friedman!“ geschrieben. Das sorgte | |
für Empörung, da der Schriftzug dem Titel des antisemitischen | |
NS-Propagandafilms „Der ewige Jude“ ähnelt. Der Tweet sei „ungeschickt | |
formuliert“ gewesen, räumte Pasemann ein. „Wortähnlichkeit von Tweet und | |
NS-Propagandafilm waren mir nicht bekannt.“ | |
Es sei eindeutig, dass durch derartige Veröffentlichungen ein erheblicher | |
Schaden für die Partei entstehe, heißt es im Antrag des Landesvorstands auf | |
Parteiausschluss, der dpa vorliegt. Sie seien geeignet, die Partei als | |
extremistisch einzuordnen. Ein dritter Grund ist der Vorwurf einer | |
illegalen Spendensammlung. Als Schatzmeister des Vereins „Konservativ“ soll | |
Pasemann Geld gesammelt haben, um Treffen des vom Verfassungsschutz als | |
rechtsextrem eingestuften und inzwischen offiziell aufgelösten rechten | |
„Flügels“ um Thüringens AfD-Chef Björn Höcke zu organisieren. | |
Ermittlungen gegen Kalbitz | |
In der Causa Kalbitz gibt es indes weitere Entwicklungen. Die | |
Staatsanwaltschaft ermittelt laut einem Bericht des Spiegels gegen den | |
früheren AfD-Politiker Andreas Kalbitz wegen des Vorwurfs der falschen | |
Versicherung an Eides Statt. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass Kalbitz | |
vor dem Landgericht Berlin im Juni „bewusst unwahre Angaben hinsichtlich | |
seiner Mitgliedschaft in dem rechtsextremistischen Verein Heimattreue | |
Deutsche Jugend (HDJ) gemacht“ habe, zitierte das Magazin am Mittwoch eine | |
Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft. | |
Deswegen sei bereits am 3. August ein Ermittlungsverfahren gegen Kalbitz | |
eingeleitet worden, hieß es weiter. Im Rahmen des Verfahrens, mit dem sich | |
Kalbitz gegen seinen Ausschluss aus der AfD wehrte, hatte er eidesstattlich | |
versichert, nie Mitglied der HDJ gewesen zu sein. | |
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte dagegen in einem | |
Behördengutachten fest, dass eine „Familie Andreas Kalbitz“ unter der | |
Mitgliedsnummer „01330“ bei der HDJ verzeichnet gewesen sei. Kalbitz selbst | |
bestreitet jedoch weiterhin eine Mitgliedschaft in der HDJ. | |
## Gauland: Was da geschehen sei, sei „unverzeihlich“ | |
Nach dem endgültigen Rücktritt von Andreas Kalbitz als Vorsitzender der | |
Brandenburger AfD-Landtagsfraktion gibt es bislang keine Pläne für eine | |
Neuwahl. Es bestehe kein Grund zur Eile, sagte die AfD-Landtagsabgeordnete | |
Birgit Bessin am Mittwoch auf dpa-Anfrage. „Kommenden Dienstag bei der | |
regulären Sitzung der Fraktion ist es nicht geplant.“ Bessin ist eine von | |
drei stellvertretenden Vorsitzenden. Sie werde nicht kandidieren. Über den | |
Vorsitz werde sich jeder seine Gedanken machen, hieß es aus Kreisen der | |
Fraktion. | |
Nach interner Kritik an seinem Führungsstil war Kalbitz am Dienstag von | |
seinem Amt zurückgetreten. Nach einer wohl unbeabsichtigt heftigen | |
Begrüßung durch Kalbitz [1][musste der amtierende AfD-Fraktionschef Dennis | |
Hohloch ins Krankenhaus]. Er befinde sich auf dem Weg der Besserung, sagte | |
Bessin. | |
Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, sagte am | |
Mittwoch auf Anfrage, er habe selbst mit Hohloch gesprochen, um sich aus | |
erster Hand über den Vorfall zu informieren. Was da geschehen sei, sei | |
„unverzeihlich“, sagte er. Mit seiner Unterstützung für Kalbitz in der | |
Kontroverse um dessen Mitgliedschaft in der Partei habe das aber nichts zu | |
tun. „Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.“ | |
[2][Am Freitag entscheidet das Berliner Landgericht über Kalbitz' | |
Eilantrag] gegen eine Entscheidung des AfD-Bundesvorstands. Dieser hatte im | |
Mai seine Parteimitgliedschaft mit knapper Mehrheit für nichtig erklärt. | |
Die AfD-Landtagsfraktion wolle sich am kommenden Dienstag in ihrer | |
regulären Sitzung auch mit der Entscheidung des Landgerichts befassen, | |
kündigte Bessin an. | |
Erst nach der Entscheidung über die umstrittene Annullierung der | |
AfD-Mitgliedschaft von Kalbitz rechnet der Berliner Politologe Aiko Wagner | |
damit, dass wieder Ruhe im märkischen Landesverband der Partei einkehrt. | |
Man müsse abwarten, wie sich der frühere Landes- und Fraktionsvorsitzende | |
dann verhalte, sagte Wagner am Mittwoch im RBB-Inforadio. | |
„Ich gehe davon aus, dass sich die Partei beruhigt.“ Und weiter: „Wähler | |
goutieren es nicht, wenn Parteien intern zerstritten sind.“ Die AfD habe | |
sich in den Jahren ihres Bestehens mehrfach gewandelt, erinnerte der | |
Wissenschaftler – jedoch nie hin zu moderateren Positionen. | |
20 Aug 2020 | |
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