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# taz.de -- AfD-Streit um Andreas Kalbitz: Angeschlagen in die nächste Runde
> Das Berliner Landgericht berät am Freitag über die Annullierung der
> AfD-Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz. Die Unterstützung für ihn
> bröckelt.
Bild: Der derzeit parteilose Glatzkopf: Andreas Kalbitz
Berlin taz | Das hat sich Andreas Kalbitz wahrscheinlich anders
vorgestellt. Statt vor Kraft strotzend, wie sich der Rechtsextremist gern
darstellt, geht er an diesem Freitag geschwächt in die nächste Runde um
seine AfD-Mitgliedschaft. Im Saal 0208/0209 des Berliner Landgerichts kommt
um 10 Uhr die Zivilkammer 43 zusammen, um über Kalbitz' Antrag auf eine
einstweilige Verfügung zu beraten.
Damit will der derzeit parteilose Glatzkopf, der lange an der Seite von
Björn Höcke an der Spitze des „Flügels“ stand, zumindest vorübergehend
wieder Mitglied der AfD werden. Und damit auch Brandenburger Landeschef und
Beisitzer im Bundesvorstand der Partei. So lange, bis das Landgericht im
Hauptsacheverfahren darüber entscheidet, ob die Annullierung seiner
Mitgliedschaft rechtens war. Was viele Monate dauern kann. Fraglich ist
allerdings, ob ein Sieg vor dem Landgericht Kalbitz wirklich seine alte
Machtposition in der AfD zurückbringen wird. Doch der Reihe nach, die Lage
ist kompliziert.
Der Bundesvorstand hatte im Mai auf Antrag von Parteichef Jörg Meuthen
[1][mit knapper Mehrheit Kalbitz' AfD-Mitgliedschaft annulliert]. Von jetzt
auf gleich war dieser kein Parteimitglied, kein Landeschef und auch kein
Bundesvorstandsmitglied mehr. Ein herber Schlag für Kalbitz und die
„Flügel“-AnhängerInnen. Und eine Kampfansage von Meuthen.
Die Begründung des Bundesvorstands: Kalbitz habe, als er 2013 in die AfD
eintrat, nicht angegeben, dass er zuvor Mitglied der Republikaner und
[2][der 2009 verbotenen Neonaziorganisation Heimattreue Deutsche Jugend
(HDJ)] gewesen sei. Laut Satzung der AfD hätte er das aber machen müssen.
Kalbitz bestreitet, Mitglied der HDJ gewesen zu sein, sein Engagement bei
den Republikanern ist schon länger bekannt.
## Rechtlich umstrittene Entscheidung
Allerdings ist umstritten, ob der Bundesvorstand eine solche Entscheidung
überhaupt fällen darf, auch wenn sie in der Satzung der AfD vorgesehen ist.
Laut Parteiengesetz kann das Gremium nicht einfach jemanden rausschmeißen.
Notwendig ist ein ordentliches Parteiausschlussverfahren, über das das
Schiedsgericht der Partei entscheiden muss.
Kalbitz hatte umgehend und [3][erfolgreich gegen die Entscheidung eine
einstweilige Verfügung eingeklagt]. Plötzlich war er wieder Parteimitglied,
auch Landeschef und Bundesvorstandsmitglied. Bis [4][das Schiedsgericht der
Partei im Juli entschied], dass die Entscheidung des Bundesvorstands
rechtens war. Jetzt ist Kalbitz wieder draußen. Und er hofft, am Ende des
Tages mittels einstweiliger Verfügung wieder Parteimitglied zu sein.
Schlechte Karten hat er dabei nicht. Dass für Kalbitz ein Abwarten bis zur
Entscheidung in der Hauptsache schwer zumutbar ist, ist nachvollziehbar. In
den kommenden Monaten stehen in der AfD wichtige Entscheidungen an, auch
werden die KandidatInnen für die Bundestagswahl aufgestellt.
Verschiedene ParteienrechtlerInnen sind zudem der Ansicht, dass die
Entscheidung des Bundesvorstands rechtlich nicht haltbar ist. Offen aber
ist, ob das Landgericht das ganze Verfahren nach wie vor für unzulässig
hält oder ob es damit zufrieden ist, dass inzwischen das Schiedsgericht der
Partei entschieden hat. Ob an diesem Freitag bereits eine Entscheidung
fällt, ist laut Gericht offen.
Verliert Kalbitz, wird es eng für ihn. Inzwischen bröckelt die
Unterstützung sogar in Brandenburg, [5][der dortige AfD-Landesverband ist
vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft] und war
bislang für seine Nibelungentreue zu Kalbitz bekannt. Erst zwang die
Fraktion ihn, den Fraktionsvorsitz – den er rein rechtlich auch als
Parteiloser hätte weiter ausüben können – [6][ruhen zu lassen], am Dienstag
dann [7][musste er ihn gänzlich aufgeben].
Zuvor hatte die Potsdamer Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des
Anfangsverdachts auf fahrlässige Körperverletzung gegen Kalbitz
eingeleitet. Dieser hatte dem kommissarischen Fraktionsvorsitzenden Dennis
Holoch, der eigentlich als Kalbitz' Vertrauter gilt, mit einem Boxschlag
einen Milzriss zugefügt. Kalbitz sprach von einem „Missgeschick“. Glaubt
man aber Berichten aus der Fraktion, war es wohl nicht der erste
Zwischenfall dieser Art.
Kai Laubach, der Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten, beschuldigt
Kalbitz in einem offenen Brief, bereits bei der Fraktionsklausur 2019
jemandem „in die Fresse geschlagen“ zu haben. „Du bist Parteikrebs, Junge…
schreibt Laubach. Und: „Bitte geh!“
## Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Lüge
Inzwischen wurde bekannt, dass auch die Berliner Staatsanwaltschaft gegen
Kalbitz ermittelt. Hintergrund ist eine eidesstattliche Erklärung, in der
Kalbitz behauptet hat, nicht Mitglied der HDJ gewesen zu sein. Es bestehe
der Anfangsverdacht, dass dies gelogen ist.
Verschiedene ExpertInnen hatten ohnehin Zweifel daran – unter anderem weil
es Bildaufnahmen von Kalbitz in einem Zeltlager HDJ gibt, einer
konspirativen Organisation, bei deren Veranstaltungen man sich nicht so
einfach umschauen konnte. Genau das aber hatte Kalbitz immer wieder
behauptet. Zudem liegt dem Bundesamt für Verfassungsschutz nach eigenen
Angaben ein Nachweis über die Mitgliedschaft der „Familie Andreas Kalbitz“
vor.
Inzwischen rückt nicht nur die Brandenburger AfD von Kalbitz ab. Vom
„Flügel“ ist zu seiner Verteidigung wenig zu hören, auch bei einem Teil d…
Bundesspitze, der sich im Vorstand gegen die Annullierung von Kalbitz'
Mitgliedschaft ausgesprochen hatte, sind Absetzbewegungen bemerkbar.
Der [8][Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland], der
auch Ehrenvorsitzender der AfD ist, sagte der dpa, er habe selbst mit
Hohloch gesprochen, um sich aus erster Hand über den Vorfall zu
informieren. Was da geschehen sei, sei „unverzeihlich“, so Gauland. Mit
seiner Unterstützung für Kalbitz in der Kontroverse um dessen
Mitgliedschaft in der Partei soll das allerdings nichts zu tun haben. Und
Meuthens Co-Parteichef Tino Chrupalla sagte, es sei „konsequent und
richtig“, dass Kalbitz den Fraktionsvorsitz aufgegeben habe.
Verliert Kalbitz vor Gericht, kann er in der AfD erst einmal einpacken. Und
selbst wenn er gewinnt, könnte es mit seiner Schlüsselstellung in der
Partei, wo er bislang der einflussreiche Drathzieher des „Flügels“ war,
vorbei sein. In diesem Fall aber steckt noch ein anderer in
Schwierigkeiten: Parteichef Jörg Meuthen.
21 Aug 2020
## LINKS
[1] /AfD-schmeisst-Andreas-Kalbitz-raus/!5686028
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[7] /Ermittlungen-gegen-Kalbitz/!5708518
[8] /Ehrenvorsitzender-der-AfD-wankt/!5705286
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
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