Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ehrenvorsitzender der AfD wankt: Gauland schafft sich ab
> Er ist die wichtigste Führungsfigur der AfD und hat sie lange geeint.
> Inzwischen spaltet Alexander Gauland seine Partei. Verlässt er die
> politische Bühne?
Bild: Noch sitzt Alexander Gauland, der Ehrenvorsitzende der AfD oder „Der Al…
Berlin taz | Am 28. Januar, am späten Vormittag, sitzt Alexander Gauland,
etwas in sich zusammengesunken, in der ersten Reihe der [1][AfD-Fraktion]
im Bundestag, den Kopf hat er auf den linken Arm gestützt, seine Augen sind
geschlossen. Das Parlament gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus, der
israelische Präsident Reuven Rivlin spricht. Als Gauland minutenlang in
dieser Position verharrt, fragen sich die JournalistInnen auf der
Pressetribüne, ob das nun wieder eine gezielte Provokation der AfD-Fraktion
sei. Oder ist Gauland etwa eingeschlafen?
Später heißt es aus der Pressestelle, Gauland habe Rivlins Rede
konzentriert gelauscht. In der Fraktion aber hört man damals auch, dass
„der Alte“, wie ihn manche nennen, manchmal eben müde sei. Und dabei lässt
der eine oder andere Abgeordnete eine Frage durchaus mitschwingen: Ob
nämlich ein alter, erschöpfter Mann, der zudem gesundheitlich angeschlagen
ist, noch der Richtige sei, um die Fraktion zu führen. Den Parteivorsitz
hatte Gauland bereits im Dezember mit der Begründung abgegeben, beide Ämter
zusammen seien ihm zu viel.
Gauland, der im Februar 80 Jahre alt wird, war bislang die wichtigste
Führungsfigur der AfD und die einzige, die von Anfang an dabei war und sich
bis heute hält.
Lange galt der Mann mit der Hundekrawatte als der, der die von Machtkämpfen
geplagte Partei einen kann. Schlugen die Wellen hoch, sprach Gauland nach
außen von seiner Partei als „gärigem Haufen“ und redete die noch so
radikalen Äußerungen klein, nach innen beschwor er die Einheit der Partei
und schaffte es am Ende stets, die zerstrittenen Strömungen hinter sich zu
vereinen. Doch seine Autorität in der Partei bröckelt. Und möglicherweise
hat Gauland das erkannt.
## Ein Machtkampf wie (vielleicht) noch nie
Am Wochenende jedenfalls sagte er der Welt am Sonntag: „Ich kann die Partei
nicht zusammenhalten, wenn sie sich [2][auf diese Weise
auseinanderdividiert].“ Sein Versuch, dies zu verhindern, habe „eine
mitternächtliche Stunde“ gedauert. Da habe er am Telefon versucht,
Parteichef Jörg Meuthen davon zu überzeugen, seinen Antrag, die
Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz zu annullieren, fallen zu lassen.
Bekanntlich scheiterte Gauland damit und Meuthen setzte sich im
Bundesvorstand durch. Im Mai entschied dieser, dass Kalbitz, bislang nicht
nur Drahtzieher des rechtsextremen Flügels in der Partei, sondern auch
Landes- und Fraktionschef in Brandenburg und Mitglied im Bundesvorstand,
kein Parteimitglied mehr ist. Im Juli [3][bestätigte das Schiedsgericht der
Partei diese Entscheidung]. Nun zieht Kalbitz vor ein Zivilgericht und in
der AfD tobt ein Machtkampf, wie ihn die durchaus machtkampferprobte Partei
vielleicht noch nicht erlebt hat.
Sein bisheriger Erfolg mit und in der AfD ist auch darin begründet, dass
Gauland einer der wenigen WestpolitikerInnen ist, die verstanden haben, wie
„der Osten“ tickt. Das liegt auch an seiner Biografie. Gauland wurde
während des Zweiten Weltkriegs in Chemnitz geboren. Weil er in der DDR
nicht studieren durfte, ging er zwei Jahre vor Mauerbau in den Westen, in
Marburg studierte er Jura und promovierte. Nach der Wende zog er in den
Osten zurück, nach Potsdam, wo er bis 2005 Herausgeber der Märkischen
Allgemeinen war.
Gauland weiß um die [4][Unterschiede zwischen Ost und West]. Und hat –
anders als Bernd Lucke und Frauke Petry, die geschassten Ex-Vorsitzenden
der Partei – nie versucht, die radikalen Kräfte im Osten einzuschränken. Im
Gegenteil. Gauland hat sich zunehmend auf ihre Seite gestellt,
machtpolitisch wie inhaltlich – man denke nur an die Äußerung, dass der
Nationalsozialismus „ein Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte sei.
## Causa Kalbitz? Causa Gauland!
Kalbitz hat er – wohl wissend um dessen rechtsextreme Vita – stets
gefördert, ihn zu seinem Nachfolger in Brandenburg aufgebaut und immer
wieder gegen Kritik verteidigt. Insofern trifft zu, was der
Politikwissenschaftler Gideon Botsch angemerkt hat: dass nämlich die Causa
Kalbitz eigentlich eine Causa Gauland sei.
Auch vor Björn Höcke, den anderen rechtsextremen Anführer in der Partei,
hat sich Gauland immer wieder gestellt, ihn als Nationalromantiker
verklärt, ein Parteiausschlussverfahren erfolgreich torpediert. An Höcke
und mehr noch an dessen neurechtem Einflüsterer Götz Kubitschek schätzt
Gauland, dass er mit diesen auf Augenhöhe diskutieren kann, das ist in der
Partei wohl eine Seltenheit.
Auch hat ihn schwer beeindruckt, wie Höcke die Straße mobilisieren kann.
Ohnehin dürften die großen Demonstrationen im Osten, von Pegida in Dresden
bis zu den Demos in Erfurt, die Höcke auf die Beine stellte, Gaulands
Radikalisierung nicht unwesentlich beeinflusst haben. Wo er auch
auftauchte, wurde er gefeiert. Das dürfte seinem Ego geschmeichelt haben.
Zumal ihm die CDU, deren Mitglied Gauland über 40 Jahre war, zuletzt
signalisiert hatte, dass man weder auf seine Positionen noch auf seine
Person gesteigerten Wert lege. Immer wieder erzählt Gauland die Geschichte,
wie der damalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ihn und andere
Mitglieder des Berliner Kreises, eines rechten Zirkels in der CDU, in einem
Gespräch abgekanzelt hatte. Mit Rache aber habe sein Engagement bei der AfD
nichts zu tun. Gauland räumt aber auch ein, dass er der CDU viel zu
verdanken habe. Immerhin hat er es bis zum Leiter der hessischen
Staatskanzlei gebracht. Damals galt Gauland noch [5][als kluger und
belesener Konservativer], mit dem auch Grüne gerne diskutierten.
## Ersatz ist nicht in Sicht
Inzwischen aber gibt es selbst in der AfD massive Kritik an ihm. In der
Fraktion hört man, Gauland und Alice Weidel, seine Co-Chefin, die vor allem
ins Amt kam, weil Gauland seine Kandidatur an ihre knüpfte, führten zu
wenig und ließen politische Impulse vermissen.
Und in Teilen der Partei sieht man mit Unverständnis, wie deutlich sich
Gauland auf Kalbitz’ Seite und gegen Meuthen gestellt hat. Als er dem
Schiedsgericht „politische Interessen“ unterstellte, wurde auch aus der
Partei massive Kritik öffentlich. Die Richter warfen Gauland „haltlose
Unterstellungen“ vor. Der NRW-Landesvorsitzende Rüdiger Luccassen
kritisierte, Gauland lege die „Axt an die Grundfesten der AfD“, auch seine
Kolleginnen aus Bayern und Niedersachsen, alles große und einflussreiche
Landesverbände, meldeten sich zu Wort.
Gauland hat in der Welt am Sonntag nun angekündigt, mit dem Ende der
Legislaturperiode sei es mit dem Fraktionsvorsitz vorbei. Auch eine erneute
Kandidatur für den Bundestag sehe er derzeit „eher skeptisch“.
Möglicherweise geht also im kommenden Jahr eine bemerkenswerte politische
Biografie zu Ende. Das Problem für die AfD: Es ist niemand in Sicht, der an
Gaulands Stelle die Partei einen kann.
3 Aug 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296
[2] /Die-AfD-in-der-Krise/!5699713
[3] /Reinrausspiel-um-AfD-Brandenburg-Chef/!5699106
[4] /30-Jahre-nach-dem-Mauerfall/!5668392
[5] /AfD-Politiker-Alexander-Gauland/!5361541
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Alexander Gauland
Rechtsextremismus
Andreas Kalbitz
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
AfD Schleswig-Holstein
Andreas Kalbitz
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
AfD-Delegation in Moskau: Roter Teppich für Putin-Versteher
Bizarres Theater: Die AfD inszeniert sich in Moskau als Freund des Kreml
und trifft sich mit Außenminister Lawrow. Der lässt die AfD vortanzen.
Herrenmode für die Neue Rechte: Gauland-Dackel als Bekenntnis
Dass das Modeunternehmen „Krawattendackel“ im neurechten Magazin „Cato“
wirbt, ist kein Zufall. Die Hamburger schielen aufs rechte Milieu.
AfD in Schleswig-Holstein: Rechte Landtagsfraktion zerbricht
Der Abgeordnete Frank Brodehl verlässt seine Partei in Schleswig-Holstein,
weil völkische Kräfte zugenommen hätten. Die Partei verliert ihren
Fraktionsstatus.
AfD-Streit um Andreas Kalbitz: Angeschlagen in die nächste Runde
Das Berliner Landgericht berät am Freitag über die Annullierung der
AfD-Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz. Die Unterstützung für ihn bröckelt.
Berliner Vizechefin der AfD tritt zurück: AfD-Fraktion zerlegt sich selbst
Kristin Brinker hat ihren Rücktritt als stellvertretende Vorsitzende
erklärt, bleibt aber Mitglied der Fraktion. Ein Wochenkommentar.
Fraktionsvorsitz der Brandenburger AfD: Kalbitz lässt Amt ruhen
Nach seinem Ausschluss aus der AfD wollte der Rechtsextremist Kalbitz
Fraktionschef im Brandenburger Landtag bleiben. Es kam anders.
Die AfD in der Krise: Das Rezept ist abgelaufen
Das Nebeneinander der unterschiedlichen Strömungen hat maßgeblich zum
Erfolg der AfD beigetragen. Jetzt ist es das Kernproblem der Partei.
Streit um Mitgliedschaft in der AfD: Neue Schlappe für die ganz Rechten
Ex-AfDler Dennis Augustin wollte der Partei per Gericht wieder beitreten –
und scheiterte. Die Schlammschlacht um Kalbitz geht indes weiter.
Streit in AfD-naher Erasmus-Stiftung: „Unheilige Allianzen“
In der Desiderius-Erasmus-Stiftung tobt ein Machtkampf. Vermeintlich
Gemäßigte stehen gegen die Rechtsaußen vom „Institut für Staatspolitik“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.