# taz.de -- Rassismus auf dem Arbeitsmarkt: Araber sprechen kein Chinesisch | |
> Die rassistische Ablehnung eines Bewerbers bringt einem Berliner | |
> Architekturbüro eine Menge Ärger. Die Erklärung der Firma verwundert. | |
Bild: So anonym wie dieses Bild sind Bewerbungsverfahren leider nicht | |
„Bitte keine Araber“ – diese Antwort bekam ein junger Mann Anfang der Woc… | |
auf sein Bewerbungsschreiben. Der Absender: ein bekanntes Architekturbüro | |
in Berlin. Der Bewerber veröffentlichte die Mail auf seinem privaten | |
Facebook-Profil – „Das schlimmste Ablehnungsschreiben, das man bekommen | |
kann“, kommentierte er knapp auf Englisch. | |
In den sozialen Medien hat der Vorfall viel Aufmerksamkeit bekommen: Der | |
Namen des Unternehmens und der involvierten Personen wurden veröffentlicht, | |
zahlreiche negative Google-Rezensionen verfasst. „Rassisten, die offenbar | |
keine arabischstämmigen Menschen auf Grund ihrer Herkunft einstellen | |
wollen. Absolut nicht empfehlenswert“, heißt es dort. | |
Das Architekturbüro hat am Mittwoch eine Stellungnahme veröffentlicht, in | |
dem es bedauert, dass es „im vorliegenden Fall zu einem Missverständnis | |
kam, das auf Verkürzung und fehlendem Kontext basiert“. Die Bewerbung sei | |
versehentlich einer laufenden Stellenanzeige für Projekte in China | |
zugeordnet worden, für die es insbesondere „sehr gute chinesische | |
Sprachkenntnisse und Projekterfahrung in China“ Voraussetzung seien. Da der | |
Bewerber die Kriterien für diese Stelle nicht erfüllt habe, sei die | |
Bewerbung mit „verkürztem Kommentar“ an das Sekretariat zurückgeschickt | |
worden. | |
„Aus unserer Sicht ist das vorgeschoben, wir finden das nicht glaubwürdig“, | |
sagt ein Sprecher des Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes in | |
Berlin-Brandenburg (ADNB). Das Netzwerk bietet Beratung und Unterstützung | |
für Menschen an, die diskriminiert wurden oder den Eindruck haben, | |
diskriminiert worden zu sein. Dem in diesem Fall Betroffenen würde man | |
raten, zu klagen. „Das ist ein gutes, sehr konkretes Beweismittel. Es ist | |
sehr selten, dass man eine Diskriminierung schriftlich hat,“ meint Nilgün | |
Çakan, eine Mitarbeiterin des ADNB. | |
## Diskriminierung nachweisen ist schwierig | |
In der Regel sei es leider sehr schwierig, Diskriminierung nachzuweisen. In | |
den meisten Fällen lieferten die entsprechenden Unternehmen nämlich keine | |
Begründung für eine Absage. Natürlich gebe es jedoch mehr Diskriminierung | |
als die, die man nachweisen könne. „Eindeutiger ist es, wenn etwa zu Frauen | |
im Bewerbungsgespräch gesagt wird: Wenn Sie kein Kopftuch tragen würden, | |
würden wir Sie nehmen.“ | |
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt sind Verstöße gegen das Allgemeine | |
Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierung im privat- und | |
arbeitsrechtlichen Bereich verbietet. Dagegen kann man klagen, die | |
Geltendmachungsfrist beträgt zwei Monate. „Bei einer Klage muss man durch | |
starke Indizien glaubhaft machen, dass man diskriminiert wurde. Dann muss | |
die Gegenseite nachweisen, dass sie nicht diskriminiert hat,“ erklärt | |
Çakan, die selbst Beratungen durchführt. „Wenn man keinen Zeugen hat, | |
versanden diese Fälle häufig, denn der Rechtsweg ist dann nicht sehr | |
aussichtsreich. Dann steht Aussage gegen Aussage.“ | |
Çakan hat den Eindruck, dass insbesondere Mobbing am Arbeitsplatz | |
zugenommen hat. Meistens handele es sich um antimuslimischen oder | |
anti-Schwarzen Rassismus. „Ich beobachte, dass, dass die | |
Diskriminierungsformen mit dem politischen Rechtsruck heftiger werden. Man | |
kann sich heute einfach sehr viel mehr rausnehmen.“ | |
Repräsentative Zahlen dazu, wie viele Menschen gegen ihre Diskriminierung | |
auf dem Arbeitsmarkt beziehungsweise am Arbeitsplatz geklagt haben und wie | |
viele dieser Klagen erfolgreich waren, gibt es nicht. Eine Erklärung dafür | |
hat Sebastian Bickerich, Pressesprecher der Antidiskriminierungsstelle des | |
Bundes. Der Grund sei, dass gerade bei unteren Instanzen nicht alle | |
Gerichtsentscheidungen veröffentlicht würden. „Außerdem enden viele | |
Gerichtsverfahren wegen Diskriminierung am Arbeitsmarkt mit einem | |
Vergleich. Viele Kläger sind damit einverstanden, wenn der Arbeitgeber | |
ihnen entgegenkommt. Diese Vergleiche finden keinen Eingang in juristische | |
Datenbanken.“ | |
Dennoch ist er sich sicher: „Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist in | |
Deutschland leider stark verbreitet“, sagt Bickerich. Jeder und jede zweite | |
Arbeitnehmer*in habe Umfragen zufolge schon Diskriminierung im Job erlebt. | |
## Anonymisierte Bewerbungsverfahren gegen Diskriminierung | |
Bickerich setzt auf anonymisierte Bewerbungsverfahren. „In der Wissenschaft | |
werden solche Verfahren seit vielen Jahren ins Gespräch gebracht und | |
empfohlen. Aber in der Privatwirtschaft gibt es viele Vorbehalte: Die | |
meinen häufig, sie bräuchten die Fotos, um die Persönlichkeit der Bewerber | |
erfassen zu können.“ Im englischsprachigen Raum sind anonymisierte | |
Bewerbungsverfahren schon seit Langem Standard. „Im internationalen | |
Vergleich ist Deutschland absolut veraltet. Leider scheint das in | |
Deutschland ein sehr langfristiger Prozess zu sein.“ | |
Das Berliner Architektenbüro gibt an, bereits am Dienstag mit dem Bewerber | |
gesprochen und ihn um Entschuldigung gebeten zu haben. Er habe diese | |
akzeptiert und eingewilligt, zu einem heutigen Bewerbungsgespräch zu | |
erscheinen. Der junge Mann selbst war für eine Stellungnahme nicht zu | |
erreichen. Schwierig zu sagen, ob man ihm die Einstellung nun wünschen soll | |
oder nicht. | |
Das Land Berlin arbeitet zurzeit an der Umsetzung eines | |
Landes-Antidiskriminierungsgesetzes (kurz: LADG). Dieses soll eine Art | |
Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sein, das 2006 | |
als Bundesgesetz eingeführt wurde. Es soll Diskriminierung auch im | |
staatlichen Bereich, beispielsweise in Behörden, verbieten. | |
16 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Henrike Koch | |
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