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# taz.de -- Kopftuch und Arbeitsmarkt in Berlin: Kaffee – einmal ohne Kopftuc…
> Eine 20-jährige Studentin wird wegen ihres Kopftuchs gekündigt. Die
> Arbeitgeberin verstößt damit gegen das Allgemeine
> Gleichbehandlungsgesetz. Ein Protokoll.
Bild: Einfach mal zuhören: Kopftuch als Nebensache akzeptieren.
Als kopftuchtragende muslimische Frau habe ich zwar Erfahrung mit
Diskriminierung. Ein Erlebnis aus dem letzten Jahr traf mich dann aber doch
mit voller Wucht: Eine Freundin von mir hat jahrelang in einer Café-Kette
im Wedding gearbeitet. Ihre Chefin suchte eine studentische Aushilfskraft.
Meine Freundin rief mich an und holte die Filialleiterin ans Telefon. Die
Entscheidung fiel ganz unbürokratisch: Meine Freundin sollte mich
einarbeiten.
Ich freute mich über die Gelegenheit und stand motiviert im Laden. Alles
lief wunderbar. Nach ein paar Stunden kam die Chefin vorbei, sah mich, zog
eine Grimasse und ging schnurstracks in die Küche. Ich war irritiert, ging
hinterher, wollte mich vorstellen. „Mit Kopftuch können Sie hier nicht
arbeiten!“, gab sie unumwunden von sich. Sie war richtig sauer, referierte
über den Koran und darüber, dass es unverständlich sei, wenn Frauen
Kopftuch tragen, obwohl das nirgends niedergeschrieben sei.
Sie stand da vorne, als ob sie die muslimische Expertin wäre und war völlig
überzeugt, dass sie als „aufgeklärte Frau“ durch das Einstellen einer
„Kopftuchfrau“ Unterdrückung legitimieren würde. Sie war sicher, dass sie
die Religion besser kennt als ich. Diese Arroganz hat mich am meisten
gestört. Sie gab mir das Gefühl, die dumme unterdrückte Frau zu sein. Ich
wies sie auf die Religionsfreiheit hin und darauf, dass ihr Verhalten
diskriminierend ist. „Nee, das ist meine Entscheidung, wen ich hier
einstelle“, war ihre Antwort. Ich wollte einfach nur raus. Erst mal meine
Mutter anrufen und Dampf rauslassen.
Nachdem ich mich beruhigt hatte, überlegte ich, wie ich mit der Sache am
besten umgehe. Mir kam in den Sinn, dass meine Schwester auch lange nach
einem Praktikumsplatz als pharmazeutisch technischen Assistentin gesucht
hat. Jedes Mal wurde ihr gesagt, dass man sie mit dem Kopftuch nicht
einstellen kann. Ich habe ihr immer gesagt, „Du hast das Recht damit vor
Gericht zu gehen. Warum drohst Du das nicht an?“
Kein Funke Einsicht
Auch wenn ich Angst davor hatte, dass es anstrengend werden könnte, wollte
ich konsequenterweise tun, was ich stets meiner Schwester geraten habe. Mir
ging es dabei nicht ums Geld sondern ums Prinzip. Denn diese Filialleiterin
war so überzeugt war von ihrer Meinung. Sie war sich ja keiner Schuld
bewusst! Mit meiner Freundin bin ich zur [1][Antidiskriminierungsnetzwerk
Berlin] gegangen. Die waren super hilfreich. Die Beraterin hat mir eine
Anwältin empfohlen, mit der sie eng zusammenarbeitet. Diese hat dann das
meiste übernommen.
Bei der Güteverhandlung warf mir der Anwalt der Filialleiterin vor, mit den
Diskrimierungsvorwürfen ein Geschäft machen und Arbeitgeber abzocken zu
wollen. Ich sei schließlich auch nicht bereit gewesen, in der Diskussion
mein Kopftuch zu verteidigen. Das war echt krass, mit welchen „Argumenten“
die ankamen. Aber letztendlich habe ich den Fall gewonnen.
Meine Freundin hat dort übrigens aus Solidarität gekündigt, obwohl sie auf
das Geld angewiesen ist. „Ich möchte nicht unter so einer rassistischen
Frau arbeiten“ sagte sie und hat sofort ihre Kündigung geschrieben. Aus
Prinzip. Das habe ich nicht erwartet. Sie hat jahrelang dort gearbeitet und
brauchte diesen Job eigentlich. Aber sie hat ihn ohne zu zögern aufgegeben.
Da war ich echt überrascht!
Ich möchte anonym bleiben, denn ich kenne muslimische Frauen, die
öffentlich kämpfen und dann komplett auf dieses Thema reduziert werden.
Dann sind wir auch nicht da angelangt, dass das Kopftuch bzw. das
Muslim-Sein eine Selbstverständlichkeit wird, eine Nebensache. Darum geht’s
mir.
29 Apr 2016
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## AUTOREN
Marisa Janson
## TAGS
Kopftuch
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Arbeitsmarkt
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