# taz.de -- Muslima über das Kopftuch-Tragen: „Nur eine Verpackung, mehr nic… | |
> Das Tuch gehört für viele muslimische Frauen zur Identität. Ein Gespräch | |
> über Opferrollen, gute Ausländerinnen und die Emanzipation durch das | |
> Verschleiern. | |
Bild: Vier erfolgreiche Frauen: Nemi El-Hassan, Malika Boukraf, Zeynep Mutlu-Is… | |
taz: Frau Ulfat, Frau Boukraf, Frau El-Hassan, Frau Mutlu-Iskender, das | |
Wichtigste zuerst: Wie machen muslimische Frauen das Handy zum Telefonieren | |
an ihrem Kopftuch fest? | |
Jasamin Ulfat: Das frage ich mich auch immer. | |
Zeynep Mutlu-Iskender: Ich glaube, das ist irgendwie ins Untertuch | |
integriert. | |
Ulfat: Bei mir würde das nicht halten. | |
Nemi El-Hassan: Meine Tante macht das. Sie bindet das Kopftuch einfach sehr | |
eng, sodass nur noch ein kleiner Spalt frei ist, und da wird das Telefon | |
rein geklemmt. Das ist keine große Magie. | |
Es gibt also noch ein Untertuch? | |
Mutlu-Iskender: Das ist eine Haube, wie man sie auch zum Schwimmen | |
aufsetzt. | |
Malika Boukraf: Nur aus Baumwolle. | |
El-Hassan: Auf Arabisch heißt sie Amta. Bonne auf Türkisch. | |
Boukraf: Die kann man entweder kaufen, oder man schneidet Nylonstrumpfhosen | |
zurecht. Dann hat man mehr Farbauswahl. | |
Und wozu dient die Haube? | |
Ulfat: Es ist nirgendwo festgelegt, dass man sie tragen muss. Ich mache es, | |
weil mir sonst meine Haare ins Gesicht rutschen. | |
Mutlu-Iskender: Außerdem kann man sich so frei bewegen und muss keine Angst | |
haben, dass das Tuch abfällt und man dann ohne dasteht. | |
Jede von Ihnen trägt das Kopftuch auf sehr unterschiedliche Weise. Warum? | |
Boukraf: Ich vergleiche es mit der Handschrift. Auch die verändert sich im | |
Laufe des Lebens. Man probiert verschiedene Stile aus. Anfangs war ich sehr | |
unsicher. Ich wollte es ganz besonders richtig machen und habe das Tuch | |
sehr straff gebunden und so viel wie möglich verhüllt, weil ich dachte, | |
dass es meinen Eltern gefällt. | |
Heute weiß ich, wie ich ticke, kenne mich besser und kann deshalb auch mit | |
dem Tuch lockerer sein. Auch meine Eltern hatte ich falsch eingeschätzt. | |
Das Strenge war ihnen gar nicht so wichtig, wie ich dachte. Aber es spielen | |
auch ganz praktische Gründe eine Rolle: Was geht am schnellsten? Was steht | |
mir? Für jede Gesichtsform ist eine andere Art, das Tuch zu binden, ideal. | |
Teilen Sie das? | |
Ulfat: Ja. Als ich noch jünger war, wusste ich überhaupt nicht, wie ich das | |
Tuch am besten binden soll. Es war total unpraktisch. Ich konnte mich damit | |
nicht bewegen, keinen Sport machen. Mittlerweile habe ich eine Form für | |
mich gefunden, mit der ich auch zum Zug rennen kann, ohne dass mir das Tuch | |
davonfliegt. | |
Nun sieht man aber Ihren Hals, Frau Ulfat … | |
Ulfat: Es gibt bestimmte Hinweise im Koran, wie das Tuch zu tragen ist. Die | |
lassen sich von Vollverschleierung bis kopftuchlos unterschiedlich | |
auslegen. Für mich ist es in Ordnung, wenn man den Hals sieht. Andere sind | |
da strikter. | |
El-Hassan: Mir ist es schon wichtig, dass der Hals bedeckt ist. Auch dass | |
man die Arme nicht sieht. Aber meine Kollegin hat recht. Es gibt viele | |
religiöse Strömungen und Rechtsschulen im Islam. Die Mainstreamauslegung | |
lautet: Gesicht und Hände dürfen frei bleiben. Der Rest wird verhüllt. Aber | |
es gibt keine Autorität, die einem reinreden könnte, wenn man das anders | |
sieht. | |
Haben Sie alle selbst entschieden, ein Kopftuch zu tragen? | |
Mutlu-Iskender: Ja. Ich habe mit 14, 15 Jahren damit angefangen. Ich habe | |
vier Schwestern. Die waren meine Vorbilder. Auch meine Mutter trägt | |
Kopftuch. Ich wollte dazugehören. Meiner Mutter wäre es lieber gewesen, ich | |
hätte das erst nach der Ausbildung oder nach dem Studium begonnen. Umso | |
später, umso besser, sagte sie. Damit ich es leichter habe und nicht immer | |
die Kämpferin sein muss, wie meine Schwestern. Aber ich habe es trotzdem | |
gemacht. | |
Wogegen muss man denn kämpfen? | |
Ulfat: Gegen Vorurteile, gegen Anfeindungen. | |
Wann haben Sie damit angefangen? | |
Ulfat: Mit 13 Jahren. Ich komme aus einer sehr strengen islamischen | |
Familie. Meine Mutter ist deutsche Konvertitin, mein Vater stammt aus | |
Afghanistan. Ihm war es immer sehr wichtig, dass seine drei Töchter eine | |
gute Ausbildung machen, aber auch dass wir Kopftuch tragen. Mit 16, 17 | |
Jahren hätte ich es trotzdem fast abgelegt. | |
Weshalb? | |
Ulfat: Ich bin in der hessischen Provinz aufgewachsen. Meine Schule | |
besuchten 1.700 Schüler, ich war die Einzige mit Kopftuch. Das war sehr | |
schwer für mich. Ich konnte mich nicht modisch kleiden, fühlte mich fast | |
wie ein drittes Geschlecht. Auf der Straße wurde ich beschimpft, | |
angespuckt, ins KZ gewünscht, manchmal sind ältere Damen angewidert | |
aufgestanden, wenn ich mich im Bus neben sie setzte. | |
Aber ich habe mich durchgebissen. Meine Schwestern haben das Tuch | |
irgendwann ausgezogen. Man bekommt viele Jobs nicht, hat Probleme bei der | |
Wohnungssuche. Das erzeugt Zukunftsängste. Ich verstehe jede Frau, die es | |
nicht tragen möchte. Mein Vater hat, trotz seiner strengen Auslegung des | |
Islam, auch Verständnis für uns. Meine Mutter, die es selbst trägt, | |
sowieso. | |
Haben Sie alle so früh damit angefangen? | |
El-Hassan: Ich habe erst mit 17 Jahren entschieden, Kopftuch zu tragen. Und | |
es war ein langwieriger Prozess, bis es so weit war. In den Wochen zuvor | |
habe ich viel geweint. | |
Warum? | |
El-Hassan: Ich hatte Angst. Ich bin in Brandenburg aufgewachsen. Frauen mit | |
Kopftuch gibt es dort kaum, schon gar keine jungen. Und die Ressentiments | |
sind groß. Meine Eltern sind Muslime, die ganz normal beten und fasten. | |
Meine Mutter trägt auch Kopftuch. Aber mein Vater wollte nicht, dass ich | |
das Tuch trage. Im Osten sei das zu schwer, meinte er. Ich bin auch auf ein | |
katholisches Gymnasium gegangen. Ich hatte Angst um meine Noten, dass ich | |
schlechter bewertet werde, wenn ich ein Kopftuch trage. Ein gutes Abitur | |
war mir total wichtig. | |
Warum haben Sie sich trotzdem für das Kopftuch entschieden? | |
El-Hassan: Ich habe in der 11. Klasse die Religion für mich entdeckt. Und | |
zwar mehr oder weniger zufällig. | |
Wie das? | |
El-Hassan: Unsere Gemeinde organisiert einmal im Jahr eine Fahrt nach | |
Hamburg zur Blauen Moschee. Meine Cousine und ich wollten nur mitfahren, | |
weil wir uns die Stadt ansehen wollten. Weil ich aber am selben Tag erst | |
von einer Klassenfahrt zurückgekommen war, war ich so müde, dass ich am | |
Ende in der Moschee hängen geblieben bin. | |
Was ich dort erlebt habe, hat mich emotional sehr berührt. Die Menschen, | |
die so sehr ins Gebet vertieft waren. Und alle waren so nett zueinander. | |
Danach habe ich begonnen, mich mit dem Islam zu befassen, und bin jeden | |
Freitag nach Berlin gefahren, um einen Islamkurs zu besuchen. Zwei Jahre | |
später, in der 13. Klasse, war ich für das Kopftuch bereit. | |
Wurden Ihre Befürchtungen bestätigt? | |
El-Hassan: An der Schule nicht. Als alle überzeugt waren, dass ich zu | |
nichts gezwungen werde, habe ich dort fast nur gute Erfahrungen gemacht. | |
Außerhalb der Schule war das anders. Ohne Kopftuch hat man mich für eine | |
Italienerin oder Spanierin gehalten, also für eine gute Ausländerin. Mit | |
Kopftuch sieht man nun sofort, welcher Religion ich angehöre und aus | |
welchem Kulturkreis ich stamme. Rassismus kenne ich, seit ich 17 bin. | |
Was haben Sie erlebt? | |
El-Hassan: Es passiert so viel. Drei Neonazis in Brandenburg wollten ihre | |
Hunde auf mich hetzen. Hier in Berlin hat mich jemand angeschrien, ich | |
Kopftuchschlampe solle dahin gehen, wo ich hergekommen bin. Und neulich in | |
der Bibliothek hat mich ein Mann angebrüllt, was mir einfalle, mit einer | |
Burka in die Uni zu kommen, und dass ich in der Bibliothek nichts verloren | |
hätte. Man sieht also: Rassismus hat leider nichts mit dem Grad der Bildung | |
zu tun. | |
Ulfat: Das kann ich bestätigen. Das Perfide ist: Wenn die Menschen gut | |
ausgebildet sind, wird die Diskriminierung nur indirekter, versteckter. Man | |
bekommt eine Stelle nicht oder nur einen Job ohne Kundenkontakt, darf nicht | |
mit aufs Firmenfoto und all so was. Aber niemand sagt einem ins Gesicht, | |
dass es am Kopftuch liegt. Dagegen kann man sich viel schwerer wehren als | |
gegen offene Anfeindungen. | |
Boukraf: Wissen Sie, was? Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich eigentlich | |
gar keine Lust mehr auf das Kopftuchthema. | |
Okay … Und wieso? | |
Boukraf: Weil ich nicht mehr ständig diese Opferrolle einnehmen möchte. | |
Natürlich gibt es Vorurteile und sehr viele Probleme. Aber in den | |
Diskussionen zu diesem Thema werden die falschen Fragen gestellt. Ich sehe | |
keine Weiterentwicklung. | |
Welche Fragen finden Sie falsch? | |
Boukraf: Na, ob wir zum Kopftuch gezwungen werden oder ob wir es freiwillig | |
tragen, zum Beispiel. Das Tuch ist eine Verpackung, mehr nicht. Ich finde, | |
es sollte nicht so sehr im Vordergrund stehen. Das ist ein künstlicher Akt, | |
den wir hier durchführen. Wir sind alle vier erfolgreiche selbstbewusste | |
Frauen, die es zu etwas gebracht haben. | |
In der Modebranche, in Schule und Uni, in der Medizin. Keine von uns wird | |
von der Familie oder von den Männern unterdrückt. Trotzdem sind wir | |
spezielle Bürgerinnen mit Kopftuch. Warum lädt man uns nicht mal zu einem | |
Gespräch ein, in dem wir inhaltlich zu einem anderen Thema Kompetenz zeigen | |
können? Dass wir dabei Kopftuch tragen, sollte keine Rolle spielen. | |
Aber sind wir schon an diesem Punkt? | |
Boukraf: Ich frage mich, ob wir das erreichen, in dem wir das Thema immer | |
so in den Mittelpunkt stellen. | |
Es gibt aber noch viele offene Fragen zu diesem Thema. Können wir | |
weitersprechen? | |
Boukraf: Ja. Aber das war mir wichtig. | |
Frau Boukraf, Sie unterrichten als Lehrerin an einem Gymnasium. Das | |
Kopftuch mussten Sie dazu bislang absetzen. Fiel Ihnen das leicht? | |
Boukraf: In den ersten Wochen war das sehr befremdlich. Ich trage das Tuch, | |
seit ich zwölf Jahre alt bin. Ich fand es plötzlich ganz schön kalt um die | |
Ohren. Was aber viel wichtiger ist: Ich fühlte mich entblößt, so, als würde | |
ich im Bikini über den Schulhof laufen. Plötzlich musste ich Bereiche | |
zeigen, die für mich zur Intimsphäre gehören. Eine Bekannte sagte zu mir: | |
Du hast bestimmt schönes Haar. Den anderen wird das gefallen. | |
Okay. Aber für mich ist das in etwa so, als würde jemand sagen: Du hast | |
bestimmt tolles, gewelltes Schamhaar. Zeig es mir doch mal! | |
Ulfat: Die Gesellschaft gibt einem manchmal das Gefühl, als habe sie ein | |
Anrecht auf unsere Haare, als würden wir den Menschen etwas vorenthalten. | |
Aber das ist Quatsch. | |
El-Hasan: Das ist absurd. Eigentlich ist es ja ein emanzipatorischer | |
Ansatz, als Frau zu sagen: Ich möchte bestimmte Körperregionen nicht | |
zeigen. | |
Frau Boukraf, warum haben Sie sich gebeugt? | |
Boukraf: Eigentlich wollte ich das nicht. Ich habe immer für mein Recht | |
gekämpft und auch andere Kommilitoninnen bestärkt. Der Plan war, nach | |
Rheinland-Pfalz zu ziehen, wo es das Kopftuchverbot für Lehrerinnen auch | |
vor der Gerichtsentscheidung nicht gab. Dort war der Bewerbungszeitraum | |
aber später als in NRW. Also hatte ich mich in beiden Bundesländern | |
beworben, um auf Nummer sicher zu gehen. Noch schlimmer als der Gedanke, | |
das Kopftuch abnehmen zu müssen, war für mich die Angst, keinen Job zu | |
bekommen. | |
Ich komme aus einer marokkanischen Großfamilie. Seit ich dazu in der Lage | |
bin, arbeite ich und unterstütze meine Eltern finanziell. Ihnen sagen zu | |
müssen, dass ich arbeitslos bin, hätte ich nicht geschafft. Als ich die | |
Zusage in NRW bekam, habe ich innerhalb von 24 Stunden entschieden, das | |
Kopftuch für die Arbeit abzulegen. | |
Bereuen Sie das? | |
Boukraf: Einerseits ja. Aber wenn ich auf dem Kopftuch bestanden hätte, | |
wäre ich mir so stur vorgekommen. Alle Kommilitoninnen zogen plötzlich an | |
mir vorbei. Viele hatten schon irgendwo unterschrieben. Ich wollte mir | |
meine Chance nicht verbauen. | |
El-Hassan: Ich bin gerade sehr traurig über das, was du sagst. Es ist so | |
unglaublich demütigend, dass dich jemand zwingt, das Kopftuch abzulegen, | |
nur um deinen Beruf auszuüben. Für mich wäre das, als sagte jemand zu mir: | |
Zieh deine Unterwäsche aus. Das ist ein Armutszeugnis für Deutschland. Ich | |
hätte den Job nicht gemacht. | |
Boukraf: In deinem Alter habe ich genauso gedacht. Ich hoffe, du bewahrst | |
dir diese Einstellung. | |
Haben Sie sich mittlerweile daran gewöhnt? | |
Boukraf: Ja, und wenn man ausblendet, dass ich mir in der Hinsicht nicht | |
treu bleiben konnte, ist es sehr angenehm. Ohne Kopftuch erlebe ich die | |
rassismusfreieste Zeit meines Lebens. Plötzlich sehen mich die anderen als | |
Menschen und nehmen mich als Individuum wahr. Wenn ich das Kopftuch trage, | |
bin ich das leider nicht. Dann bin ich eine Frau mit Kopftuch, der man | |
bestimmte Attribute zuschreibt: Putzfrau, spricht kein Deutsch, wird | |
unterdrückt. Und ich werde als Opfer wahrgenommen, an dem einige ihre | |
Aggressionen ablassen wollen. | |
Warum setzten Sie das Tuch dann nicht einfach ab? | |
Boukraf: Weil ich das nicht bin! Das Kopftuch gehört zu meiner Identität | |
und wäre für mich idealerweise auch Teil meiner Lehreridentität. | |
Glauben Sie, dass Ihre Schüler damit ein Problem hätten? | |
Boukraf: Im Referendariat habe ich das Kopftuch noch getragen. Die | |
allermeisten Schüler hatten damit überhaupt kein Problem. Die sind sehr | |
viel aufgeschlossener, als man denkt. Die meisten Eltern übrigens auch. | |
Ulfat: Ich möchte noch mal auf Ihre Frage zurückkommen. | |
Warum sie das Kopftuch nicht einfach absetzt? | |
Ulfat: Ja. Denn dies impliziert, dass wir in der Bringschuld sind. Als | |
würden wir etwas falsch machen und das Problem mit unserem Verhalten | |
hervorrufen. Das stimmt aber nicht. Wir sind nicht schuld an der | |
Diskriminierung, die uns widerfährt, nur weil wir so aussehen, wie wir | |
aussehen. Genauso wie die Frau, die einen Minirock trägt, niemanden zu | |
einer Vergewaltigung provoziert. | |
Natürlich ist das Leben einfacher ohne Kopftuch! Mein Mann hat mich zu | |
Beginn unserer Ehe gefragt, ob ich mir vorstellen könne, es abzusetzen, | |
damit wir als Ehepaar auch beruflich vorankommen. Ich habe darüber | |
nachgedacht. Aber ich habe meine Jugend mit dem Tuch durchgemacht. Wenn ich | |
es jetzt absetze, dann müsste ich mich noch mal ganz neu erfinden. Und das | |
möchte ich nicht. | |
Ich finde es wichtig, dass ich in Deutschland mit Kopftuch leben und | |
Karriere machen kann. Das heißt für mich, dass Deutschland ein offenes Land | |
ist, in dem alles nebeneinander funktioniert: vom Minirock bis zur | |
Vollverschleierung, Hetero, Homo, Trans … Ich bin für eine offene | |
Gesellschaft in jeder Hinsicht. Wenn das unmöglich wird, dann stimmt etwas | |
nicht. | |
Ihr Mann möchte, dass Sie das Tuch absetzen? | |
Ulfat: Er will, dass ich tue, was ich für richtig halte, und unterstützt | |
mich bei allem, was ich entscheide. Wir haben aber schon darüber | |
gesprochen. Es wäre für uns alle einfacher, wenn ich es nicht tragen würde. | |
Ich werde von der Gesellschaft als Opfer wahrgenommen, er automatisch als | |
Täter, als Unterdrücker. Ich kenne Männer, die ihre Frauen bitten ,zur | |
Betriebsfeier das Kopftuch abzusetzen, weil das ihre Aufstiegschancen im | |
Unternehmen einschränkt. So weit wollen wir uns aber nicht verbiegen. | |
El-Hassan: Ich muss sagen, ich bewundere jeden Mann, der eine Frau mit | |
Kopftuch heiratet. Das ist schon eine ziemliche Bürde. Aber was ist das für | |
eine Gesellschaft, in der es offenbar in Ordnung ist, uns als Mülleimer für | |
Aggressionen anzusehen? Bin ich dazu verpflichtet, den schwarzen Gürtel in | |
Karate zu machen, um mich verteidigen zu können? | |
Gibt es nicht auch Menschen ohne Kopftuch, die einschreiten, wenn Sie | |
beschimpft werden? | |
El-Hassan: Extrem selten. Wenn jemand hilft, dann sind es meist Männer, die | |
selbst aus einem anderen Kulturkreis kommen. Aber warum müssen die sich | |
verantwortlich fühlen? Warum müssen die plötzlich alle Kopftuchfrauen von | |
Berlin verteidigen? | |
In New York gibt es eine Muslimin, die den World Hijab Day ins Leben | |
gerufen hat, und propagiert, dass an diesem Tag alle Frauen – ganz gleich, | |
welchen Glaubens – ein Kopftuch tragen. Wie finden Sie das? | |
Mutlu-Iskender: Das ist eine coole Idee! Wenn es den Menschen gelingt, das | |
Tuch unter modischen Aspekten zu sehen, wenn sie es einfach schön finden, | |
dann gelingt es ihnen auch oft, die Vorurteile hinter sich zu lassen. Mit | |
dem Turban, den ich trage, sind die Menschen eher neugierig als ablehnend | |
und beginnen Fragen zu stellen. | |
El-Hassan: Diese Aktion ist für mich echte Empathie. Es geht ja nicht | |
darum, jemandem das Kopftuch aufzudrängen. Ich habe nicht den geringsten | |
missionarischen Eifer. Es geht einfach darum, einen Tag lang in den Schuhen | |
eines anderen zu laufen und so etwas besser zu verstehen. Das ist eine | |
Aktion, die mein Herz erwärmt. Wenn Menschen, die nicht betroffen sind, | |
freiwillig sagen: Ich bin bei dir. Ich stehe zu dir. Du bist nicht allein. | |
25 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
Jasamin Ulfat | |
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