# taz.de -- Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte: Berlin mal wieder Vor… | |
> Berlin will mithilfe einer Quote mehr Menschen mit Migrationsgeschichte | |
> anstellen. Doch es gibt Kritik, auch beim Koalitionspartner SPD. | |
Bild: Der öffentliche Dienst in Berlin soll diverser werden, also auch die Feu… | |
BERLIN taz | Wieder einmal ist eine Idee in aller Munde, die – folgt man | |
einigen Kommentaren auf Twitter – nur im „links-grün-versifften“ Berlin | |
entstanden sein kann. | |
Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) will eine | |
„Migrantenquote“ für den öffentlichen Dienst einführen, um die Zahl der | |
MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil | |
an der Bevölkerung zu erhöhen. Eine solche verbindliche Vorgabe per Gesetz | |
wäre bundesweit einmalig. | |
„Wir sind eine diverse Gesellschaft, und das muss sich widerspiegeln im | |
öffentlichen Dienst“, sagte sie am Dienstag der taz. Allerdings stößt die | |
Quote dem Koalitionspartner SPD sauer auf. Ein Sprecher von Innensenator | |
Andreas Geisel (SPD) erklärte, zwar stehe man zum Ziel der Koalition, die | |
Vielfalt in der Verwaltung zu erhöhen. „Der Entwurf der Gesetzesnovelle in | |
seiner jetzigen Fassung ist dafür aber unzureichend.“ | |
Bereits 2010 wurde in Berlin ein Gesetz verabschiedet, das die Diversität | |
der Mitarbeitenden in der Verwaltung erhöhen soll, auch damals war man | |
bundesweit Vorreiter. Das [1][Partizipations- und Integrationsgesetz] hat | |
seinen Zweck bis heute nicht erfüllt. Die Quote von Menschen mit | |
Migrationshintergrund in der Berliner Verwaltung liegt weiterhin geschätzt | |
nur bei etwa 12 Prozent, der Anteil an der Bevölkerung hingegen bei 35 | |
Prozent. Die rot-rot-grüne Landesregierung verabredete daher im | |
Koalitionsvertrag Anfang 2017, das Gesetz zu überarbeiten. | |
## Neue Pflichten für die Verwaltung | |
Den neuen Entwurf hat Breitenbach vorgelegt, die anderen Senatsverwaltungen | |
können nun Stellung beziehen. Der Entwurf schreibt vor, dass jede | |
Verwaltung konkrete Pläne vorlegen muss, wie sie ihren Anteil an | |
Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund erhöhen will. | |
„Das beginnt damit, dass wir verbindlich erwarten, dass Behörden, die | |
Stellen ausschreiben, sich überlegen, wie sie Menschen mit | |
Migrationshintergrund ansprechen, und zwar über den Satz hinaus: ‚Die | |
Bewerbung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte ist erwünscht‘“, so | |
Breitenbach. Auch müsse dokumentiert werden, wer eingeladen wird zu | |
Bewerbungsgesprächen und wer die Stelle am Ende warum bekommt. | |
Befürchtungen, es werde nicht nach Qualifikation ausgewählt, sondern nach | |
Herkunft, wies Breitenbach zurück. „Nur bei gleicher Qualifikation und | |
Punktzahl wird am Ende der Mensch mit Migrationshintergrund bevorzugt – es | |
sei denn, dem steht ein anderes Gesetz entgegen, etwa das | |
Landesgleichstellungsgesetz“, erklärte die Senatorin. Letzteres regelt die | |
Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst. | |
Bei gleicher Qualifikation würde demnach weiterhin eine „biodeutsche“ Frau | |
vor einem migrantischen Mann eingestellt werden. Aber auch die | |
„biodeutschen“ Männer „müssen nun nicht heulen“, so Breitenbach: „D… | |
letzten Hunderte Jahre waren immer sie es, die alle Stellen bekommen haben. | |
Und auch bei 35 Prozent Quote bleibt noch viel für sie übrig.“ | |
## Verfassungsrechtliche Bedenken | |
Auf die Kritik, eine [2][solche Quote sei verfassungswidrig], erwiderte | |
Breitenbach, bestehende Gesetze würden beachtet. „Es geht darum, einen | |
Nachteilsausgleich durchzuführen, das ist nicht verfassungswidrig.“ | |
Zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass sogar hoch qualifizierte Menschen | |
mit Migrationshintergrund einen schlechteren Zugang zum Arbeitsmarkt haben, | |
auch im öffentlichen Dienst – angefangen bei Bewerbungsgesprächen, zu denen | |
sie seltener eingeladen werden. „Wir tragen eine Verantwortung als | |
PolitikerInnen und Berliner Senat, dass wir solche diskriminierenden | |
Strukturen abbauen. Und da fangen wir am besten beim öffentlichen Dienst | |
an“, sagte Breitenbach. | |
Andere Landesregierungen wollten die Berliner Pläne auf taz-Anfrage nicht | |
kommentieren. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette | |
Widmann-Mauz (CDU), stand am Dienstag nicht für ein Statement zur | |
Verfügung. Dass auch außerhalb Berlins Handlungsbedarf besteht, ist jedoch | |
allen klar. Bei Bundesbehörden liegt der Anteil der MitarbeiterInnen | |
mit Migrationshintergrund bei nur 12 Prozent, wie Widmann-Mauz im Dezember | |
mitteilte. In Ländern und Kommunen waren es 2019 sogar nur 6 Prozent, zeigt | |
eine [3][Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung]. | |
Interessant dabei: Menschen mit Migrationshintergrund werden laut den | |
FES-AutorInnen in der Regel dann gezielt eingestellt, wenn die | |
entsprechende Abteilung mit Integration/Migration zu tun hat – oder | |
Personal fehlt. Das bereits 2012 erklärte Ziel der Bundesregierung, mit der | |
interkulturellen Öffnung der Verwaltung den gesellschaftlichen Zusammenhalt | |
zu stärken, ist demnach noch nicht überall angekommen. | |
Auch im Bundestag sind Abgeordnete mit Einwanderungsgeschichte mit 8 | |
Prozent klar unterrepräsentiert. Eine von ihnen, die Linke Gökay Akbulut, | |
bezeichnet die Berliner Quote als „legitim und notwendig“. Bei Parteien und | |
Listen hingegen hält sie das wegen der Freiheit der Wahl für schwieriger. | |
Die Gerichtsurteile zu den gekippten [4][Paritätsgesetzen] in Brandenburg | |
und Thüringen zeigen, dass Quoten in Parlamenten schlechte Chancen haben. | |
## Berliner SPD not amused | |
Doch was aus dem Berliner Vorstoß wird, ist fraglich. Die Spitzenkandidatin | |
der Grünen für die Abgeordnetenwahl im September, Bettina Jarasch, | |
unterstützt zwar den Entwurf. Bei der SPD haben jedoch Geisel und die | |
Gleichstellungssenatorin Dilek Kalayci Bedenken angemeldet. Die | |
SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hatte sich bereits gegen eine | |
„Migrantenquote“ ausgesprochen. | |
Anderen, wie dem Migrationsrat Berlin, geht der Entwurf hingegen nicht weit | |
genug. So begrüßte Geschäftsführer Koray Yılmaz-Günay zwar die Quote an | |
sich. Durch die Fixierung auf das Merkmal Migrationshintergrund würden aber | |
andere Menschen mit Rassismuserfahrung, etwa schwarze Deutsche oder Sinti, | |
nicht von ihr profitieren. | |
19 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Berlins-Integrationsbeauftragte/!5726432 | |
[2] /Quote-fuer-Menschen-in-der-Verwaltung/!5745407 | |
[3] http://library.fes.de/pdf-files/fes/15794.pdf | |
[4] /Paritaetsgesetz-in-Brandenburg-gekippt/!5719855 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
Ralf Pauli | |
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