# taz.de -- Proteste im Kongo: Aggression auf der Straße | |
> Straßenkämpfe zwischen Ethnien, Morde, Plünderungen: Der Protest gegen | |
> die Unsicherheit im Osten der DR Kongo schlägt in Gewalt um. | |
Bild: Der Rest vom Protest: Straßeszene im kongolesischen Goma am Montagmittag | |
BUTEMBO taz | Die bislang weitgehend friedlichen Proteste in der | |
ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu gegen Unsicherheit und Gewalt sind am | |
Montag selbst in Gewalt ausgeartet. In der Provinzhauptstadt Goma gab es | |
Tote und Verletzte, als Jugendliche der Volksgruppen der Nande und Kumu | |
aufeinander losgingen. Mehrere Dutzend Häuser wurden in den nördlichen | |
Stadtteilen Majengo und Buhene verwüstet, teils angezündet, zahlreiche | |
Geschäfte geplündert. Noch am Nachmittag waren auf Straßen im Norden der | |
Stadt schwelende Feuer, Steine und verlorene Kleidungsstücke zu sehen. | |
[1][Seit Montag vergangener Woche] demonstrieren Jugendgruppen in mehreren | |
Städten Nord-Kivus gegen die endemische Unsicherheit im Osten der | |
Demokratischen Republik Kongo, rufen zu Generalstreiks auf und verlangen | |
ein stärkeres Eingreifen der Armee und der [2][UN-Mission im Kongo | |
(Monusco)] gegen bewaffnete Gruppen. Das gewaltsame Vorgehen von Polizei | |
und Militär gegen die Proteste hat mehrere Tote gefordert. Am Sonntag starb | |
ein junger Kumu in Goma durch eine Polizeikugel bei einem Einsatz gegen | |
Demonstranten – Kumu-Vertreter warfen daraufhin den Nande als Wortführer | |
der Protestaktionen vor, daran schuld zu sein. | |
„Wir leben hier in Frieden und wir wissen nicht, was für ein Teufel diese | |
Jungs geritten hat“, ärgert sich Célestin Bahemuke, Gemeindechef des | |
Stadtviertels Bujovu. „Die einen werfen den anderen vor, mit ihren | |
Streikaufrufen den Tod eines der Ihren herbeigeführt zu haben.“ Eric | |
Mumbere, Nande-Jugendführer in Buhene, sagt: „Das ist eine Provokation. Der | |
junge Mann wurde von der Polizei getötet und man macht uns dafür | |
verantwortlich. Uns werden Türen eingetreten und Sachen geklaut.“ | |
## Bekleidungsvorschriften an Straßensperren | |
Nach offiziellen Angaben von Montagabend gab es insgesamt 7 Tote und 22 | |
Verletzte. Zwei Motorradtaxifahrer wurden am Morgen tot aufgefunden, mit | |
Stichwaffen ermordet. Beim Polizeieinsatz, um die kämpfenden Jugendlichen | |
zu trennen, traf ein Querschläger eine junge Frau tödlich. Nord-Kivus | |
Provinzgouverneur Carly Nzanzu Kasivita besuchte im Laufe des Tages Buhene | |
und traf lokale Gemeindeführer, um die Spannungen zu beruhigen. | |
Währenddessen hat sich auch in den Städten Beni und Butembo, wo die | |
Proteste ihren Ursprung nahmen, die Lage weiter angespannt. In Beni | |
blockierten junge Demonstranten Straßen und verlangten von jedem, der ins | |
Stadtzentrum wollte, die Schuhe auszuziehen und barfuß weiterzugehen, als | |
Zeichen des Protests; Frauen in Hosen oder kurzen Röcken durften nicht | |
weitergehen, sondern mussten sich traditionelle Wickeltücher suchen. „Einem | |
jungen Mann schnitten die Banditen im Viertel Ngongolio einen Teil des | |
Ohres ab, weil er sich dem Befehl widersetzte“, berichtet Gervais Mwera, | |
Chef der Taxifahrer des Viertels Kalinda. | |
In Butembo zündeten Jugendliche das Gemeindezentrum des Stadtteils | |
Mukalangirwa ein, nachdem am Samstagabend ein Demonstrant erschossen worden | |
war. „Die Polizei hat uns provoziert“, sagt Jugendprotestführer Léon | |
Tsongo. Butembos Bürgermeister Silvain Kanyamanda nennt den Tod des | |
Demonstranten „sehr bedauerlich“ und führt aus: „Wir haben einen Soldate… | |
keinen Polizisten – verhaftet, der aus Versehen auf den Demonstranten | |
geschossen hatte. Aber die Demonstranten haben jetzt staatliche | |
Einrichtungen angegriffen. Das muss aufhören.“ | |
In der Stadt Oicha weiter nördlich hinderte die Polizei Demonstranten | |
daran, das Gesundheitszentrum Kyuna anzuzünden. | |
## Nutznießer im Hintergrund? | |
Manche Beobachter glauben, dass bei den Gewaltakten Provokateure die Hand | |
im Spiel haben. „Ich glaube, dass im Hintergrund Leute die Strippen ziehen, | |
um aus dieser Lage Nutzen zu ziehen“, sagt Jimmy Nziali, Präsident der | |
Partei „Génération Positive“. „In Buhene (Goma) hat man Jugendliche mit | |
Messern auf der Seite der Polizei gesehen. Der Staat muss sehr schnell | |
tätig werden.“ | |
Die gewählte Wahlkreisabgeordnete [3][Adèle Bazizane] rief die Jugendlichen | |
beider Seiten auf, „nicht auf das Spiel derer hereinzufallen, die die | |
Gemeinschaften gegeneinander aufhetzen wollen, um in Goma Unsicherheit zu | |
schüren“. Und der Dachverband der Zivilgesellschaft der Stadt rief in einer | |
Erklärung „alle Ethnien“ Nord-Kivus dazu auf, „den sozialen Zusammenhalt | |
und die friedliche Lösung inhärenter und potenzieller Konflikte zu fordern, | |
um sich nicht instrumentalisieren zu lassen“. | |
Fikiri Muhima, Leiter der lokalen Organisation „Justice pour tous“, | |
verlangt Maßnahmen der Staatsmacht, „aber auch die Gruppen, die zu den | |
Protesten gegen die Monusco aufgerufen haben, könnten schnell eine Pause | |
anordnen, da ihre Sache jetzt von Unbekannten fehlgeleitet wird.“ | |
12 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Proteste-gegen-UN-Mission-Monusco/!5760747 | |
[2] /UN-Mission-im-Kongo/!5651572 | |
[3] https://twitter.com/adelebazizane | |
## AUTOREN | |
Kennedy Muhindo | |
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