# taz.de -- Gewalt und Protest im Kongo: Kriegsrecht soll Frieden bringen | |
> Präsident Tshisekedi hat im Osten Kongos das Kriegsrecht ausgerufen. Dort | |
> protestieren die Menschen seit Monaten gegen zunehmende Gewalt. | |
Bild: Umstrittene Blauhelmsoldaten in Goma: Der Protest richtet sich auch gegen… | |
BERLIN taz | Um der Unsicherheit im Osten der Demokratischen Republik Kongo | |
und den immer heftigeren [1][Protesten der Bevölkerung dagegen] | |
beizukommen, greift die Regierung des Landes zu drastischen Maßnahmen. | |
Präsident Félix Tshisekedi kündigte am Freitagabend die Verhängung des | |
Kriegsrechts über zwei Provinzen an. | |
„Der Präsident der Republik hat das Kabinett über seinen Beschluss | |
informiert, gemäß Artikel 85 der Verfassung das Kriegsrecht in den | |
Provinzen Nord-Kivu und Ituri auszurufen“, erklärte Regierungssprecher | |
Patrick Muyaya am Freitag im Anschluss an die erste Sitzung des neuen | |
Regierungskabinetts von Premierminister Sama Lukonde. „Eine | |
Präsidialordonnanz wird in den nächsten Stunden veröffentlicht.“ | |
Artikel 85 der Verfassung beinhaltet die Verhängung des Kriegsrechts durch | |
den Präsidenten, „wenn schwerwiegende Umstände in unmittelbarer Weise die | |
Unabhängigkeit oder territoriale Integrität der Nation bedrohen“. Näheres | |
regelt ein Gesetz. | |
Zwei Tage nach Tshisekedis Ankündigung liegt keinerlei Gesetz oder sonstige | |
Anordnung vor, und so blühen die Spekulationen, was der Präsident gemeint | |
haben könnte. „Das Ziel ist, der Unsicherheit, die täglich unsere | |
Landsleute in diesem Landesteil dezimiert, rasch ein Ende zu setzen“, heißt | |
es im Protokoll der Kabinettssitzung vom Freitag. | |
Premierminister Lukonde hatte am Montag im Parlament einen | |
„Sicherheitsnotstand“ angekündigt, der „vor allem die Ersetzung der zivi… | |
Verwaltung durch eine militärische“ beinhalten könnte. Kongolesische Medien | |
listeten am Wochenende weitere Schritte auf: Ersetzung der zivilen Justiz | |
durch eine Militärgerichtsbarkeit, weitgehende Einschränkung der | |
Bürgerrechte. | |
## Geschichte der Gewalt | |
Gewalt herrscht im Ostkongo, wo der Staat kaum präsent ist und jede | |
ethnische Gruppe sich selbst verteidigt, seit Jahrzehnten. Im Laufe des | |
Jahres 2020 war sie infolge der Covid-19-Pandemie sowie des | |
[2][Machtkampfes zwischen Präsident Tshisekedi und seinem Vorgänger Joseph | |
Kabila] neu aufgeblüht. Kongo zählt mittlerweile über 5,5 Millionen | |
Binnenvertriebene, die Hälfte davon allein in Nord-Kivu und Ituri. Experten | |
zählen in Ostkongo 122 bewaffnete Gruppen, die teils ganze Dörfer | |
auslöschen. | |
Das treibt die Menschen vor allem in den großen Städten Nord-Kivus seit | |
zwei Monaten auf die Straßen. Sie fordern ein effektiveres Vorgehen gegen | |
Gewaltakteure und den [3][Abzug der UN-Mission im Kongo (Monusco)]. Ein | |
Generalstreik im April verebbte nach blutigen ethnischen Unruhen in der | |
Provinzhauptstadt Goma. Es folgten aber neue Protestmärsche in der Stadt | |
Beni im Norden der Provinz, wo ganze Schülergruppen tagelang das Rathaus | |
belagerten. Am Freitag wurden diese Jugendproteste von der Polizei | |
gewaltsam aufgelöst, wobei ein Schüler zu Tode kam. | |
Ob da Sonderrechte für die Sicherheitskräfte Frieden bringen, bezweifeln | |
viele. Die beiden wichtigsten bewaffneten Gruppen – die ursprünglich | |
ugandische ADF (Allied Democratic Forces) und die mit ruandischen | |
Hutu-Kämpfern vernetzte kongolesische Hutu-Miliz Nyatura – unterhalten | |
beide langjährige Kontakte zu hohen Generälen in Kongos Armee. | |
Der [4][jüngste UN-Monatsbericht] zur Menschenrechtslage in Kongo für den | |
Monat März nennt die Armee als Haupttäter von Menschenrechtsverletzungen in | |
Kongos Konfliktgebieten, mit einer Zunahme von 127 Prozent gegenüber dem | |
Vormonat, darunter 37 außergerichtliche Hinrichtungen. | |
Das werde mit Kriegsrecht nur schlimmer, fürchten Menschenrechtsgruppen. | |
„In Beni wurden unbewaffnete Kinder mit Gewalt unterdrückt, es gab viele | |
Verletzte und Festgenommene – stellen Sie sich da ein Kriegsrecht vor“, | |
[5][sagte Batundi Hangi] vom Dachverband zivilgesellschaftlicher Gruppen in | |
Goma. | |
Sollte das Militär regieren und sich zugleich weiter durch den Verkauf von | |
Waffen an bewaffnete Gruppen finanzieren, „wird das die Bevölkerung in die | |
Revolte treiben“, [6][schrieb der Jurist Joseph T’hata]. Die | |
Bürgerrechtsgruppe [7][La Lucha] (Kampf für den Wandel) erklärte, das | |
Kriegsrecht sei ein „kosmetischer“ Schritt, der die Dinge eher | |
verschlimmere. | |
Das Wochenende scheint dies zu bestätigen: 12 Menschen wurden bei | |
ADF-Angriffen um Beni getötet, der Imam der Stadt wurde am Samstagabend in | |
seiner Moschee beim Gebet zum Fastenbrechen erschossen. | |
3 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Proteste-im-Kongo/!5764925 | |
[2] /Machtkampf-im-Kongo/!5747914 | |
[3] /Proteste-gegen-UN-Mission-Monusco/!5760747 | |
[4] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/note-du-bcnudh-sur-l… | |
[5] https://www.radiookapi.net/2021/05/01/actualite/securite/etat-de-siege-la-s… | |
[6] https://www.actualite.cd/2021/05/02/rdc-etat-de-siege-au-nord-kivu-et-en-it… | |
[7] https://twitter.com/luchaRDC/status/1388832596084277256 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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