Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kriegsrecht im Kongo: Kein Frieden für die Friedlichen
> Das Kriegsrecht im Osten Kongos folgt auf gewaltsames Vorgehen gegen
> friedliche Proteste. Auch der Tod eines prominenten Imam wirft Fragen
> auf.
Bild: Der in seiner Moschee erschossene Imam von Beni wird zu Grabe getragen, S…
Beni taz | Nur noch Müll erinnert vor dem Rathaus von Beni an eine
bemerkenswerte Protestbewegung. Über 500 Schüler hatten hier tagelang
kampiert, im Windschatten der Demonstrationen gegen die [1][UN-Mission im
Kongo (Monusco)] und deren Untätigkeit gegen bewaffnete Gruppen im Osten
der Demokratischen Republik Kongo. Sie errichteten ein Lager mit Toiletten
und Duschen hinter Palmenzweigen.
Ihre Forderung: Kongos Präsident Félix Tshisekedi möge nach Beni kommen und
den [2][Massakern der Rebellenarmee ADF (Allied Democratic Forces)] ein
Ende setzen. „Ich fürchte, wir wurden falsch verstanden“, sagt jetzt
Kasereka Mulwahali, einer der Anführer.
Denn in Reaktion darauf kam Präsident Tshisekedi zwar nicht nach Beni, aber
er hat über die Region das Kriegsrecht verhängt. Am Donnerstag bereits
hatte er in der Hauptstadt Kinshasa „starke Maßnahmen“ angekündigt und in
Bezug auf den Schülerprotest von Beni „die Manipulation dieser Kinder durch
Politiker“ verurteilt.
Dabei stützten nicht Politiker, sondern Benis Frauen den Schülerprotest.
Frauengruppen brachten den Kindern Essen und organisierten einen eigenen
Protestzug, den die Polizei gewaltsam auflöste, als er zum Gelände der
UN-Mission zog. Danach stürmte die Polizei auch das Protestcamp vor dem
Rathaus, mit Peitschen und Tränengas. 67 Kinder wurden festgenommen. Am
gleichen Tag beschloss Kongos Regierung das Kriegsrecht.
Das alles schockiert die Menschen in Beni. „Wie kann man Kinder in
Schuluniform verhaften?“, fragt der Jurist Elie Vahumawa, der die Schüler
juristisch vertritt. „Das ist eine flagrante Menschenrechtsverletzung.“
Zur Auflösung des Frauenprotestes empört sich Diane Tudi, eine der
Organisatorinnen: „Es war nicht geplant, die Monusco zu belagern. Wir
wollten zum Rathaus gehen, um den Kindern den Rücken zu stärken, und dann
zurück zum Kreisverkehr, um zu beten. Aber ein paar Zuschauer infiltrierten
den Marsch und lenkten ihn in Richtung UN-Camp um.“
Die Behörden weisen die Vorwürfe zurück. „Wir brauchen alle Frieden, aber
dafür Kinder einzusetzen, ist nicht gut“, sagt Benis Bürgermeister Modeste
Bakwanamaha. „Vernünftige Eltern können das nicht zulassen. Der Platz der
Kinder ist in der Schule.“
Benis Polizeichef, Oberst François Kabeya, weist Gewaltvorwürfe zurück:
„Das sind falsche Beschuldigungen. Wir haben bloß die Ordnung
wiederhergestellt. Die Kinder wurden nicht inhaftiert, sondern nur
erkennungsdienstlich behandelt, da wir Informationen hatten, wonach es
nicht alles Kinder waren.“
## „Was macht die Armee eigentlich?“
Nun aber sind die Spannungen noch höher als sonst in Beni, in dessen Umland
seit 2014 über 6.000 Menschen Massakern zum Opfer gefallen sind,
hauptsächlich von der ADF verübt. Auch jetzt gehen die Massaker weiter, und
Hinterbliebene bezichtigen die Armee der Tatenlosigkeit. „Sie fahren in
ihren Pick-ups hin und her, aber was machen sie eigentlich?“, fragt eine
Frau einer Familie, die um sechs getötete Angehörige im Dorf Mwenda
trauert.
Am Samstagabend wurde mitten in der Stadt der Imam von Beni, Cheikh Ali
Amin, in der Großen Moschee während seines Gebets zum Fastenbrechen im
laufenden Ramadan erschossen. In diesem Teil Kongos gibt es eine kleine,
alteingesessene muslimische Minderheit – sie steht nun im Fokus, weil die
ADF einst in der muslimischen Minderheit des Nachbarlandes Uganda entstand
und heute als islamistische Terrorgruppe gilt.
Der Imam von Beni, Führer der muslimischen Gemeinde der Region, war ein
scharfer Kritiker der ADF, seine Predigten kursieren auf sozialen
Netzwerken. Dass er einem Attentat zum Opfer fiel, verstehen die Menschen
nicht, die ihn am Sonntag zu Grabe tragen.
Die Moschee liegt nur 400 Meter vom Armeehauptquartier von Beni entfernt.
Eine Woche vor seinem Tod hatte der Militärgeheimdienst den Imam
einbestellt und ihn gewarnt, sein Leben sei in Gefahr. Schutzmaßnahmen
wurden keine getroffen.
Ein Trauernder bezweifelt, dass es wirklich die ADF war: „Wieso töten sie
eine Einzelperson, wo sie doch sonst bei jedem Angriff Dutzende umbringen
und mehrere Hundert Gläubige in der Moschee waren? Die Behörden müssen den
Mörder finden, auch wenn es einer der ihren ist.“
4 May 2021
## LINKS
[1] https://monusco.unmissions.org/en
[2] /ADF-Rebellen-im-Kongo/!5661450
## AUTOREN
Kennedy Muhindo
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Ostkongo
Beni
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tote bei Protesten in Kongo: Explodierte Gerüchteküche
In Goma in der DR Kongo sind schwere Unruhen ausgebrochen. Auslöser: die
Behauptung, dass nach Uganda auch Ruanda eingreifen soll.
Nachruf auf Laurent Monsengwo: Der Aufrechte
Kongos prominentester Kirchenführer ist tot. Erzbischof Laurent Monsengwo
war für seine Landsleute ein Vorbild im Kampf für Werte in der Politik.
Neue Gewalt im Ostkongo: Kriegsrecht bringt erst mal Krieg
Mindestens 65 Menschen sterben im Ostkongo beim einem blutigen Massaker.
Die Provinz Ituri, wo Rebellen der ADF nun aktiv sind, versinkt in Gewalt.
Gewalt und Protest im Kongo: Kriegsrecht soll Frieden bringen
Präsident Tshisekedi hat im Osten Kongos das Kriegsrecht ausgerufen. Dort
protestieren die Menschen seit Monaten gegen zunehmende Gewalt.
Proteste im Kongo: Aggression auf der Straße
Straßenkämpfe zwischen Ethnien, Morde, Plünderungen: Der Protest gegen die
Unsicherheit im Osten der DR Kongo schlägt in Gewalt um.
Proteste gegen UN-Mission Monusco: Schnauze voll im Kongo
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo breiten sich Streiks und
Proteste aus. Der Staat reagiert mit neuer Gewalt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.