# taz.de -- Proteste gegen Gesetz in Frankreich: Für den Rechtsstaat auf die S… | |
> Hunderttausende haben in ganz Frankreich gegen das neue Sicherheitsgesetz | |
> protestiert, das Aufnahmen von Polizeieinsätzen verbieten würde. | |
Bild: Am Samstag wurde in Paris gegen das neue Sicherheitsgesetz protestiert | |
PARIS taz | Zwei Tage [1][nach der Veröffentlichung neuer, schockierender | |
Bilder von Polizeigewalt] haben in ganz Frankreich mehr als hunderttausend | |
Menschen gegen das neue Sicherheitsgesetz protestiert. Das Innenministerium | |
sprach von 133.000 Teilnehmern, die Veranstalter von mehr als 500.000. | |
Am Rande der Kundgebungen lieferten sich teils vermummte Demonstranten | |
Auseinandersetzungen mit Polizisten, bei denen mehr als 60 Beamte verletzt | |
wurden. Die Polizistinnen und Polizisten gingen ihrerseits mit | |
Schlagstöcken gegen Demonstranten und Fotografen vor und verletzten einen | |
freien Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP am Kopf. Der 24-Jährige war | |
laut der Organisation Reporter ohne Grenzen erst vor vier Jahren aus der | |
syrischen Stadt Aleppo nach Frankreich geflohen. | |
Der Platz der Republik in Paris war schwarz von Demonstrantinnen und | |
Demonstranten, die den Verzicht [2][auf das umstrittene Gesetz] fordern. | |
Die Teilnehmer des „Marsches der Freiheiten“ kritisierten vor allem das | |
geplante Verbot, Polizisten in „schädigender Absicht“ zu filmen. „Unser | |
Leben hängt an einem Film“, stand auf einem von Hand beschrifteten Karton, | |
den eine Frau in die Höhe hielt. | |
Innerhalb von einer Woche hatten zwei Filmaufnahmen Polizeigewalt | |
dokumentiert: Am Montag hatten Polizistinnen und Polizisten Geflüchtete | |
brutal vom Platz der Republik vertrieben. Am Donnerstag zeigte ein | |
neunminütiges Video des Onlinemagazins Loopsider, wie vier Beamte den | |
schwarzen Musikproduzenten Michel Zecler krankenhausreif schlugen. | |
„Das war eine schlechte Woche für die Freiheit und den Rechtsstaat“, sagte | |
der Chef der Sozialisten, Olivier Faure, der zusammen mit den Parteichefs | |
von Linkspartei La France Insoumise und Grünen in Paris auf die Straße | |
ging. Aufgerufen zu der Demonstration hatte das Kollektiv Stop Loi Sécurité | |
Globale, dem Gewerkschaften, Journalistenvertreter und | |
Menschenrechtsorganisationen angehören. „Ohne Bilder, die von der | |
Zivilgesellschaft gefilmt werden, wird die Polizeigewalt ungestraft | |
bleiben“, erklärte das Kollektiv. | |
Allein in Paris versammelten sich 46.000 Menschen, die vom Platz der | |
Republik zur Bastille zogen. Dort warfen Vermummte zum Ende der Kundgebung | |
Feuerwerkskörper und Steine auf Polizisten und zündeten Autos an. Ein | |
Polizist, der am Boden lag, wurde von Demonstranten mit den Füßen getreten | |
und geschlagen. | |
Bereits am vergangenen Wochenende waren rund 22.000 Menschen in ganz | |
Frankreich [3][gegen das Gesetz] auf die Straße gegangen. Der Zorn der | |
Demonstrantinnen und Demonstranten richtet sich vor allem gegen | |
Innenminister Gérald Darmanin, einen konservativen Hardliner, der für den | |
umstrittenen Artikel 24 verantwortlich ist. Die Nationalversammlung hatte | |
dem Sicherheitsgesetz am Dienstag in erster Lesung zugestimmt. | |
## „Diese Bilder sind nicht akzeptabel“, sagt Emmanuel Macron | |
Als Signal an die Kritiker kündigte Regierungschef Jean Castex hinterher | |
an, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die den Text umschreiben soll. | |
Sein Angebot sorgte allerdings unter den Abgeordneten für solche Empörung, | |
dass der Premierminister zurückrudern musste: Die Kommission soll nun | |
lediglich Vorschläge vorlegen. | |
In dem Durcheinander meldete sich am Freitagabend erstmals Präsident | |
Emmanuel Macron zu Wort. „Diese Bilder sind nicht akzeptabel. Sie machen | |
uns Schande“, schrieb Macron auf Facebook zu dem Film, der zeigt, wie die | |
Polizisten den wehrlosen Zecler verprügeln und rassistisch beschimpfen. Die | |
Polizisten, die Gesetze durchsetzen müssten, sollten diese Gesetz auch | |
respektieren, forderte der Staatschef, der sich ausdrücklich zur Meinungs- | |
und Pressefreiheit bekannte. „Frankreich darf Hass und Rassismus nicht | |
gedeihen lassen.“ | |
Auch der Fußball-Nationalspieler Kylian Mbappé nahm zu dem Video Stellung. | |
Auf Twitter sprach er von „nicht hinnehmbarer Gewalt“. Die gewalttätigen | |
Polizisten, die in ihrem Bericht zudem falsche Angaben machten, sind | |
inzwischen vom Dienst suspendiert und in Polizeigewahrsam. | |
Anmerkung der Redaktion: der Text wurde nach den Auseinandersetzungen | |
zwischen Polizei und Demonstrierenden aktualisiert. | |
28 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christine Longin | |
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