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# taz.de -- Protestcamps in Westerland: Punks werten das Sylter Image auf
> Die Insel der Reichen ist etwas langweilig, da helfen die Punks: Mal
> befreien sie eine Wasser-Nixe, mal diskutieren sie mit Wolfgang Schäuble.
Bild: Dank 9-Euro-Ticket mobil: Punks schlendern durch die Fußgängerzone von …
Sylt hat es gerade richtig gut. Sowieso reden alle immer nur von Sylt, wenn
es um Urlaub, Tourismus und reiche Leute geht. Die Insel erfährt nur gerade
obendrauf und auch noch gratis [1][ganz viel Aufmerksamkeit], dem
9-Euro-Ticket und einigen emsigen Punks sei Dank. Ja, den Punks sei Dank!
Vorläufiger Höhepunkt auf Sylt ist nun: Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble
(CDU) stellte sich am Mittwoch bei einer Open-Air-Diskussion zwei der im
Protestcamp in Westerland lebenden Punks, um über Fragen einer gerechten
Vermögensverteilung zu diskutieren.
Kurz zuvor genehmigte die Kreisverwaltung Nordfriesland ein Protestcamp vor
dem Rathaus als Kundgebung. Die Anmelder hätten glaubhaft gemacht, dass sie
ein wichtiges Thema ansprechen wollen, sagte eine Kreissprecherin dem
Hamburger Abendblatt. Sie wollten mit Touristen und Bewohnern über
„Gentrifizierung von Städten und nationalen Urlaubszielen wie Sylt“
sprechen.
Die Punks bringen ein bisschen Leben auf die Insel, machen es „etwas
bunter“, wie eine Urlauberin zitiert wird. Mal pinkelt ein junger Mann in
den Brunnen, mal sperrt der Bürgermeister diesen mit Zäunen ab, damit
keiner darin badet. Darauf stellt eine 51-Jährige Punkerin ein Schild auf:
„Kleingeld für die Freilassung der Wilhelmine. Sie ist unschuldig“. Gemeint
ist die rundliche Bronzefigur, die sich sonst – erlaubterweise – im Becken
ihre Füße wäscht.
## Unterhaltsam – und hochgradig politisch
Das Hamburger Abendblatt ist sogar „vor Ort“, hat für diesen Sommer ein
Sylt-Büro. So bekommen die Reporter hautnah mit, dass Urlauber in nur einer
Stunde einem [2][schlafenden Punk 190 Euro spendeten], der ein
Sammelschälchen neben das Wilhelmine-Schild stellte. Dinge gibt’s!
Das klingt alles ganz unterhaltsam, doch klar ist: Die Punk-Camps vor Ort,
auch die, die zuvor nicht genehmigt wurden, sind hochgradig politisch. Das
9-Euro-Ticket legt die Macht der Mobilität in die Hände der chronisch
Klammen. Drum muss daraus zwingend folgen: Es braucht ein Recht auf Urlaub
an der See und Iglu-Zelte-Camps an jedem Kurort!
Und das gilt auch, weil umgekehrt jeder Küstenort an Nord- und Ostsee
spannende Gäste dringend braucht. Es soll schon Tourismusdirektoren geben,
die sich ärgern, dass das 9-Euro-Ticket [3][nicht für ihre Inselfähren
gilt]. Es sind Orte, die oft einfach nur das jährliche
Veranstaltungsprogramm abspulen und in denen nur Erwartbares passiert.
Dagegen hilft Punk.
Das [4][gilt längst schon für Sylt]. Es war die [5][Band Die Ärzte], die
vor über 20 Jahren texteten: „Oh ich hab solche Sehnsucht, ich verlier den
Verstand, ich will zurück nach Westerland“. Sie verliehen der Insel damit
einen Glanz, den sie gar nicht verdiente. Natürlich wurde nun auch schon
Ärzte-Star Bela B. dieser Tage zu Sylt interviewt, der in Westerland 1987
ein legendäres „Abschiedskonzert“ gegeben haben soll. „Die Natur dort ist
schön“, sagte er. Und er habe mit Sylt seinen „Frieden“ gemacht.
Die Autorin war lange [6][nicht auf Sylt], hat aber qualifizierte
Vorurteile: Es kann dort nur langweilig sein, weil da viele Reiche Häuser
haben. Andererseits steigen Immobilienpreise mitunter gerade dann, wenn es
eine spannende Protestkultur gibt.
Den anderen Insel-Direktoren sei gesagt: Das Westerland-Lied lässt sich auf
alle Orte umdichten, die auf „land“ enden.
6 Aug 2022
## LINKS
[1] /Lindner-Hochzeit-auf-Sylt/!5863864
[2] https://www.abendblatt.de/region/schleswig-holstein/sylt/article235718957/P…
[3] /Anti-Nachhaltigkeits-Tourismus/!5604609
[4] /Erinnerung-an-den-Chaostag-auf-Sylt/!5855444
[5] /Die-Aerzte-und-das-neue-Album-Hell/!5719875
[6] /Klima-wandelt-sich-Gesellschaft-auch/!5828920
## AUTOREN
Kaija Kutter
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dabei.
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