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# taz.de -- Protest auf der Reichen-Insel: Sylt will Recht auf ruhige Urlaube
> Der Kreis Nordfriesland will das Protestcamp der Punks auf der
> Nordseeinsel nicht mehr genehmigen. Der Schutz von Anwohnern und
> Urlaubern gehe vor.
Bild: Stresst manche Urlauber: Punker-Camp auf Sylt
Hamburg taz | Das Punker-Camp auf Sylt soll aufgelöst werden. Wie die
Kreisverwaltung Nordfriesland mitgeteilt hat, soll ein Antrag auf
Verlängerung negativ beschieden werden. „Wir mussten sorgsam abwägen
zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und den Grundrechten der
Anwohner, der Einwohner und der Urlaubsgäste, die durch das Protestcamp
beeinträchtigt wurden“, sagt Kai Mintrop von der Versammlungsbehörde.
Dass es die Punks nach Sylt zog, hat seinen [1][Ursprung im 9-Euro-Ticket]
und einer interpretationsfähigen Äußerung des Geschäftsführers von Sylt
Marketing, Moritz Luft. Der hatte laut Hamburger Morgenpost Anfang Mai
gesagt, die Insel sei „nicht optimal gerüstet für das 9-Euro-Ticket und den
zu erwartenden Ansturm“. Viele verstanden das so, dass Leute, die sich die
Tour zur Insel normalerweise nicht leisten würden, der Insel fern bleiben
sollten. Die Leute kamen erst recht, auch einige Punks.
Als dann auch noch [2][Finanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang Juli
eine mondäne Hochzeit auf der Insel feierte], machte sich eine Gruppe Punks
zur ersten Protestaktion auf – allerdings vor dem falschen Hotel. Mitte
Juli zogen mehrere Hundert Demonstranten unter dem Motto „Sylt entern!
Make The Rich Pay“ von Westerland nach Kampen. Und seit Anfang August
existierte das [3][Protestcamp der Punks im Rathauspark] mit dem Ziel, die
Vermögensverteilung und die Privilegien der Wohlhabenden infrage zu
stellen.
Ein einen knappen Monat genehmigtes Protestcamp müsse reichen, findet jetzt
die Kreisverwaltung. Anwohner hätten sich zunehmend beschwert – über das
Grölen und Streiten im Camp, das Klirren, der mit Flaschen befüllten
Einkaufswagen und auch darüber, dass Leute „ihre Notdurft in einer
Telefonzelle, im Gebüsch sowie einer Garageneinfahrt verrichteten“, statt
die bereitgestellten Klohäuschen zu nutzen.
## Vier Wochen Aufmerksamkeit seien genug
„Bis zu einem gewissen Grad müssen Anwohner Lärm und andere Nachteile durch
Protestcamps und Demonstrationszüge hinnehmen“, sagt Mintrop. Das habe das
Bundesverfassungsgericht klargestellt. Es habe aber auch Grenzen festgelegt
– sowohl zur Art der Beeinträchtigung als auch der Dauer.
Die Teilnehmer hätten ihre Anliegen nun vier Wochen lang in der
Öffentlichkeit vertreten können und viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen,
argumentiert die Verwaltung. „Damit haben die Protestierer ihr Grundrecht
verwirklicht und den Zweck der Versammlung erreicht.“ [4][Den Anwohnern und
Urlaubern könnten deshalb keine weiteren Eingriffe in ihre Grundrechte
durch das Camp mehr zugemutet werden].
Der Kreis verweist beispielhaft auf die Beschwerde einer Touristin, deren
Ferienwohnung direkt neben dem Rathauspark lag und die nachts keinen Schlaf
fand – „nie“, wie sie dem Kreis schrieb. Damit sei das Grundrecht des
Gastes auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt worden. Die Störung
der Nachtruhe verletze überdies das Grundrecht auf Eigentum, das gelte auch
für die Nutzung privater Grundstücke als Klo.
## Punks wollen sich wehren
Die Punks wollen den negativen Bescheid des Kreises nicht hinnehmen. „Wir
werden auf jeden Fall Widerspruch einlegen“, kündigt deren Sprecherin Lara
an. Dass die Beschwerden ihre Gründe haben, leugnet sie nicht. „Wir haben
eine Nachtruhe, an die sich nicht gehalten wird“, sagt sie. „Wir sind da
auch gestresst.“ Viele Leute seinen nur einen Tag zum Camp gekommen,
darunter auch eine Menge Sauftouristen, die dann in die Büsche gemacht
hätten. „Da kann man nicht hinterhersein“, sagt Lara.
Am Mittwoch hätten sich die Punks mit Vertretern der Behörden
zusammengesetzt, berichtet sie. In den kommenden zwei Tagen werde nicht
geräumt. Mit der Polizei sei eine bessere Kommunikation vereinbart worden.
Die Punks und die Polizei seien daran interessiert, dass alles friedlich
bleibe.
31 Aug 2022
## LINKS
[1] /Das-Neun-Euro-Ticket-im-Pfingst-Test/!5856562
[2] /Lindner-Hochzeit-auf-Sylt/!5863864
[3] /Protestcamps-in-Westerland/!5868167
[4] https://www.nordfriesland.de/Kreis-Verwaltung/Aktuelles/Kreis-Nordfriesland…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Sylt
Grundrechte
Punk
Protest
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