| # taz.de -- FDP-Chef für Neun-Euro-Ticket-Aus: Die Stop-Being-Poor-Mentalität | |
| > Das 9-Euro-Ticket steigert die Mobilität – auch für jene, die sie sich | |
| > sonst nicht leisten können. Warum wehrt sich der Finanzminister so | |
| > dagegen? | |
| Bild: Es sollte völlig egal sein, ob das Ticket zum Pendeln oder in der Freize… | |
| Nicht alles, was es für lau gibt, ist wertlos. Shoplifter wissen es. | |
| Influencer mit üppigen Giftings wissen es. Alle, die schon mal was | |
| geschenkt bekommen haben, wissen es. | |
| Und der Finanzminister? Müsste das am besten wissen. Schließlich | |
| finanzieren Steuerzahler_innen ihm seine BahnCard 100, seinen Dienstwagen | |
| oder die Security auf der [1][Sylt-Hochzeit]. Und doch steht ihm seine | |
| Stop-Being-Poor-Mentalität im Weg, uns anderen ein durchgängiges | |
| 9-Euro-Tickets zu gönnen, welches, man ahnt es, gar nicht gratis ist, | |
| sondern 9 Euro pro Monat kostet. In Luxemburg, Malta und einigen | |
| europäischen Städten ist kostenloser Nahverkehr Standard – ohne dass | |
| hässlich rumgegeizt wird, als lebe maus nicht in einem der reichsten Länder | |
| der Welt. | |
| Wer fürs Militär und Milliardär_innen die Spendierhosen anzieht und in | |
| sozialen Fragen auf einmal eine zerrissene Jogginghose trägt, steht nicht | |
| peinlicher da als Genoss_innen, die vornerum auf arm machen, während sie | |
| hintenrum ihren Wohlstand bunkern. Christian Lindner tut, als ob er das | |
| 9-Euro-Ticket aus eigener Tasche zahlt und nicht von denselben | |
| Steuergeldern, die ihm sein Gehalt von über 10.323,29 Euro im Monat | |
| finanzieren. | |
| In der Debatte um die [2][Fortsetzung des Tickets] argumentieren | |
| Gegner_innen des Angebots, dass viele der Fahrten „unnötig“ seien, also | |
| Menschen reisen, die sonst zu Hause geblieben wären. Dabei sollte es egal | |
| sein, ob das Ticket zum Pendeln oder in der Freizeit genutzt wird, das | |
| Signal ist eindeutig: Es steigert die Mobilität – auch für jene, die sie | |
| sich sonst nicht leisten können. Warum würden Politiker_innen die | |
| einschränken wollen? | |
| ## Wer nicht zahlen kann, riskiert Knast | |
| Ganz einfach: Manche Gruppen sind im öffentlichen Raum unerwünscht. Es wäre | |
| verfassungswidrig, Menschen aufgrund von Merkmalen wie Armut, Queerness, | |
| Transsein oder Schwarzsein den Zutritt zu bestimmten Orten zu verbieten. | |
| Doch es gibt Maßnahmen, die ihnen den Alltag erschweren beziehungsweise die | |
| zur Kriminalisierung oder Sanktionierung dieser Gruppen führen. | |
| Ein Beispiel ist die Urinary Leash (zu Deutsch: Harnleine). Dahinter steckt | |
| eine durch Architektur und Gesetze herbeigeführte Mobilitätseinschränkung. | |
| Historisch hat es sich bewährt, in Ländern wie den USA Schwarzen Menschen | |
| oder Frauen durch den fehlenden Zugang zu Toiletten den Bewegungsradius | |
| stark einzugrenzen. Auch heute wirkt die Urinary Leash vor allem für arme, | |
| behinderte und trans Personen: Wer nicht jederzeit und überall aufs Klo | |
| kann, bleibt eher in der Nähe des eigenen Zuhauses. | |
| Bei öffentlichen Verkehrsmitteln ist es ähnlich: Wer auf sie angewiesen | |
| ist, jedoch nicht zahlen kann, riskiert Knast. Denn wo Geldstrafen nicht | |
| bezahlt werden können, greift die Ersatzfreiheitsstrafe. 9 Euro sind zwar | |
| immer noch nicht nichts, aber deutlich günstiger als die regulären Tarife. | |
| Ob zahlreiche zerstochene Porsche-Reifen das Ticket wohl attraktiver machen | |
| würden? | |
| 10 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hengameh Yaghoobifarah | |
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