# taz.de -- Diakonie-Vorstand über Entlastungen: „Die soziale Zielgenauigkei… | |
> Finanzminister Lindner will Steuern für alle senken. Maria Loheide von | |
> der Diakonie fordert mehr Entlastungen für jene, die am Existenzminimum | |
> leben. | |
Bild: Nicht alle haben Schwein im Verteilungskampf | |
taz: 48 Millionen Menschen will Bundesfinanzminister Christian Lindner mit | |
[1][seinem Inflationsausgleichsgesetz] entlasten. Klingt nach dem großen | |
Wurf, oder? | |
Maria Loheide: Wir bemängeln, dass dem Paket insgesamt [2][die soziale | |
Zielgenauigkeit fehlt.] Vor allen Dingen müssten die Menschen entlastet | |
werden, die am Existenzminimum leben. Also diejenigen, die wenig Geld | |
haben, die keine Einkommensteuer und auch sonst wenig Steuern zahlen. | |
Wer wird denn aus Ihrer Sicht nicht entlastet? | |
Ich habe zum Beispiel gerade mit einer Dame gesprochen, die eine kleine | |
Rente hat, aber zu viel, um Wohngeld zu beantragen oder irgendwelche | |
anderen Sozialleistungen. Das heißt, sie leidet am meisten unter der | |
Inflation, unter [3][den steigenden Energiepreisen und | |
Lebensmittelpreisen]. Sie fällt sozusagen bei allem raus, muss sich aber | |
täglich enorm viel abknöpfen, kann sich keinen Urlaub mehr leisten, kein | |
Theater und kein Kino mehr. | |
Wer profitiert noch nicht – außer den Menschen mit geringerer Rente? | |
Es sind tatsächlich die, die wenig verdienen oder ganz auf Sozialleistungen | |
angewiesen sind. Eine neue Gruppe, die jetzt durch die steigende Inflation | |
in Not gerät, sind diejenigen, die bislang gut zurechtkamen. Langsam aber | |
sicher trifft es auch die, die im mittleren Bereich verdienen. | |
Wie hoch die Belastungen für die Bürger:innen im Herbst konkret werden, | |
kann derzeit noch niemand genau sagen. Sicher ist, wer arm ist, den | |
treffen gestiegene Lebenshaltungskosten stärker. Und dass diese steigen | |
werden, ist klar. Hat die Bundesregierung das ausreichend im Blick? | |
Nein. Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass sie sich mehr mit den | |
Menschen unterhält. Was jetzt die Lebensmittel kosten, das geht ins | |
Portemonnaie. Und der große Batzen an höheren Energiekosten kommt ja erst | |
noch. | |
Wären Einmalzahlungen für diese Gruppen sinnvoll, um etwa höhere | |
Energiekosten abzufedern? | |
Nein, nicht wirklich. Was getan werden muss, ist, Menschen, die nahe am | |
Existenzminimum leben, die Zugänge zu Wohngeld- und Energiezuschüssen zu | |
erleichtern. Dafür müsste man die Bemessungsgrenzen verändern, nach denen | |
jemand dazu berechtigt ist, Wohngeld zu empfangen. | |
Zusätzlich sollten bestimmte Leistungen für bestimmte Einkommensgruppen | |
kostenlos oder vergünstigt zur Verfügung gestellt werden. Das schließt auch | |
Kulturangebote ein oder Angebote, die in den Städten gelten. Auch das ist | |
ein Teil der Existenzsicherung und der gesellschaftlichen Teilhabe. Zum | |
anderen müssten die Regelsätze für Hartz IV oder für die Grundrente an die | |
Inflation angepasst werden. | |
Viele Menschen werden sich in den kommenden Monaten einschränken müssen. | |
Welche Schlüsse ziehen Sie für sich und Ihre Arbeit daraus? | |
Ich bin gegen Panikmache. Aber was wir in unseren Beratungsstellen merken, | |
ist, dass die Menschen Ängste und Sorgen haben, dass sie teilweise | |
verzweifelt sind und enttäuscht von der Politik. Und auch deswegen brauchen | |
wir weniger Gießkanne, sondern zielgerichtete nachhaltige Entlastung. Ich | |
persönlich brauche keine Energiepauschale, kriege aber trotzdem die 300 | |
Euro an Unterstützung. Menschen, die Angst vor den hohen Heizkosten im | |
Herbst haben, brauchen aber das Geld. | |
10 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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