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# taz.de -- Punkband Östro 430 wieder live: So rotzig, diese Punks
> Östro 430 waren Anfang der Achtziger eine der besten Punkbands in
> Deutschland. Sie sangen über sexuellen Notstand und faschistische Bürger.
Bild: „Ich bin zu cool für dich.“ Links Martina, rechts Bettina von Östro…
Östro 430 waren eine der ersten Punkbands in Deutschland, in den nur Frauen
spielten, zumindest anfangs. Und noch dazu diejenige, die den größten
Krawall im Zeichensystem angezettelt hat. Der Name der 1979 gegründeten
Combo bezieht sich, na klar, einerseits auf das Hormon Östrogen. Die 430
hingegen ist der Nahverkehrscode für Düsseldorf Innenstadt.
Punk war schon ihre Besetzung: Statt einer Gitarre musizierten die Östros
mit E-Piano und Saxofon. Sie spielten erstmals im Mai 1980 auf dem Festival
des Punkfanzines Schmier in Neuss. Die Fehlfarben fanden die Frauen
grandios und engagierten sie als Vorgruppe für ihre Deutschland-Tournee.
Später schafften es Östro 430 sogar in die Bravo.
## Mit den Typen ist nichts mehr los
Vor zwei Jahren brachte das Label Tapete Records das Gesamtwerk der Band,
[1][die schon Riot Grrrl war, bevor das Wort erfunden wurde,] neu heraus.
Im vergangenen Jahr spielten Sängerin Martina Weith und Organistin Bettina
Flörchinger mit neuen Kolleginnen, Bassistin Anja Peterssen und Drummerin
Sandy Black, dann zum ersten Mal nach 36 Jahren wieder live. Inzwischen
hatte dank der Wiederveröffentlichung und der Verfügbarkeit ihrer Musik auf
Spotify et al. eine neue Generation die Band entdeckt.
Nun tanzten Gangs junger Frauen vor der Bühne und sangen mit, als Martina
Weith über den „Sexuellen Notstand“ junger Frauen dies berichtete: „Mit …
Typen ist heut nichts mehr los. Jedes Mal die gleiche Pein. Sie ficken wie
Kaninchen bloß und pennen nach’m Orgasmus ein.“
Heute nennt man so eine Attitüde Self Empowerment: „Ich bin zu cool für
dich!“ Die Östros waren aber auch keine Lila-Latzhosen-Feministinnen: „Mit
Frauen ist es auch nicht einfach. Ich steh nicht nur auf Zärtlichkeit. Pass
auf, dass ich mit dir nicht einschlaf. Wo ist der Mensch, der meine
Geilheit teilt?“
## Sonst bin ich immer die Coole
Sexualität spielte auch in „Sechzehn“ eine Rolle, wo sich die Erzählerin
fragt, was es bedeutet, dass sie den gierigen Blicken eines Jungen mehr als
nur etwas abgewinnen kann: „So ist es mir noch nie gegangen. Ich weiß gar
nicht, was ich tu. Denn noch nie war meine Liebe so ein junger Typ wie du.
Sonst bin ich immer nur die Coole. Jetzt fühl' ich mich wie’n Idiot. So wie
deine große Schwester und es geht mir gar nicht gut.“
In den offiziell noch ziemlich prüden, inoffiziell aber sexuell recht
unbekümmerten frühen Achtzigern drückten Östro 430 aus, was „man“ nicht
laut sagen durfte.
## Arbeitslager fordert der Bürger
Der Anblick von Punks – „dieses Benehmen, so rotzig!“ – weckte in
triebunterdrückten braven Bürgern oft faschistische Fantasien, und auch das
brachte Martina Weith singend auf den Punkt: „Sie selbst misshandeln kleine
Kinder. Sie sagen: Arbeitslager oder aufhängen! Aber bitte öffentlich, im
Fernsehen!“ [2][Hier kann man sich dieses Stück im originalen Video von
damals anhören.] Östro 430 kultivierten ihr Punkimage selbst mit Hingabe
und Humor: „Weiber wie wir, Randale und Bier!“
Auch zum Klassismus der deutschen Gesellschaft, damals wie heute das
Standardprogramm, hatten die Östros was zu sagen. In „Keine Krise kann mich
schocken“ sangen sie über ein Kind aus reichem Haus: „Ich trage nur
Modellklamotten. Aus reiner Seide jedes Hemd. Für'n Studienplatz auf Papis
Knete und dann geh' ich ins Management.“ Das alles vorgetragen zu einer
fröhlichen Melodie.
Am Samstag spielen Östro 430 im Berliner Lido, sie werden auch neue Lieder
vortragen. Vorgruppe sind She-Dog aus Köln. Um acht geht’s los, Tickets
kosten knapp 18 im VVK, 20 Euro an der Abendkasse.
19 Aug 2022
## LINKS
[1] /Frauenrockband-Oestro-430/!5688018
[2] https://youtu.be/exjdIHDE6-w
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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