# taz.de -- Protest in Hamburger Unterkunft: Geflüchtete drohen mit Hungerstre… | |
> Bewohnende eines Camps für Geflüchtete in Harburg protestieren gegen | |
> miese Zustände. Bei einer Kundgebung kommt plötzlich jemand vom Träger | |
> vorbei. | |
Bild: Das einzige Mittel gegen Massenunterkünfte: Wohnungen für alle | |
Hamburg taz | Arzo Mohid sagt, sie sei wegen der besseren Zukunft aus | |
Afghanistan nach Deutschland gekommen. Jetzt steht die 28-Jährige vor einer | |
[1][Erstaufnahmeeinrichtung in der Schlachthofstraße in Hamburg-Harburg], | |
in der sie seit neun Monaten wohne, mit ihrem Mann und ihrem zweijährigen | |
Sohn. Sie hat Augenringe. „It's no family place“, sagt Mohid. | |
Die Unterkunft „Neuland“ in Hamburg-Harburg [2][war vorher mal ein | |
Großmarkt]. Sie wird vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betrieben und sollte | |
eigentlich nur eine Notunterkunft sein. Seit einer Renovierung 2022 ist sie | |
dauerhaft bewohnt. | |
Aktuell leben hier rund 1.200 Menschen, 996 davon in der ehemaligen | |
Markthalle, in mit Pappstellwänden abgetrennten Räumen. Zwischen vier und | |
12 Personen wohnen in einem Raum. Rund 180 Menschen wohnen in insgesamt 15 | |
Zelten auf dem ehemaligen Parkplatz, in bis zu sechs Doppelstockbetten. | |
Zustände „nicht aushaltbar“ | |
Die Zustände seien nicht aushaltbar, sagt Khaled Agha, 38, der seit einem | |
Monat hier wohnt. An diesem Dienstagvormittag hat er zusammen mit anderen | |
Bewohnenden Protest organisiert. Es gebe nicht genug warmes Wasser zum | |
Duschen, in den Zelten sei es bei Minusgraden sehr kalt, es gebe nicht | |
genug Steckdosen, um Telefone zu laden, und kein stabiles Internet, sagt | |
Agha. Außerdem seien einige Mitarbeitende der Security und des DRK sehr | |
unfreundlich. | |
Um dagegen zu protestieren hätten sich am Dienstag rund 40 Menschen in der | |
Unterkunft zusammengefunden, sagt Agha. Wenn die Zustände sich nicht | |
innerhalb von einer Woche verbesserten, würden einige Bewohnende in den | |
Hungerstreik treten, sagt er. Das habe er auch dem Träger DRK mitgeteilt. | |
Plötzlich kommt jemand vom Träger vorbei | |
Um auf das Gelände der [3][Unterkunft] zu kommen, muss man an einem kleinen | |
weißen Container vorbei, in dem zwei Mitarbeiter der Firma Elb Security | |
sitzen. Bewohnende müssen jedes Mal eine Chipkarte an einen Scanner halten, | |
wenn sie das Gelände verlassen oder betreten. Für die Öffentlichkeit ist | |
die Unterkunft nicht zugänglich. | |
Deswegen stehen heute rund 20 Menschen gegenüber vom Eingang, auf der | |
anderen Straßenseite, um sich mit dem Protest der Bewohnenden zu | |
solidarisieren. Mehrere Hamburger Antira-Gruppen haben eine Kundgebung | |
angemeldet. | |
Auf der taucht plötzlich Dirk Packheiser vom Träger Fördern und Wohnen auf. | |
Die Vorwürfe der Bewohnenden seien nicht wahr, sagt er. Sowohl die Halle | |
als auch die Zelte seien ausreichend beheizt und es gebe eine | |
WLAN-Infrastruktur. Auch gebe es genügend warmes Wasser. Allerdings seien | |
rund 20 Prozent der Sanitäranlagen geschlossen, weil sie repariert werden | |
müssten. Überraschend bietet Packheiser den Protestierenden an, sich davon | |
zu überzeugen: „Können auch gerne reingehen, aber nicht alle.“ | |
So führt Packheiser zusammen mit den Betreiberinnen der Einrichtung, Evelin | |
Cruz Gonzales und Anett Wohlers vom DRK, eine Kleingruppe aus | |
Journalist:innen und Aktivist:innen durch die Unterkunft. In der | |
Halle hält Cruz Gonzáles ein Thermometer hoch: 19,5 Grad Celsius zeigt es | |
an, „Sehen Sie?“ Eine Person aus der Gruppe loggt sich ins WLAN ein, die | |
Übertragung ist allerdings langsam. | |
Duschen und Klos unter freiem Himmel | |
Die Sanitäranlagen befinden sich draußen in Containern. Sowohl von der | |
Halle als auch aus den Zelten sind es mehrere hundert Meter Weg unter | |
freiem Himmel. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wie an diesem Tag wird | |
vorstellbar, was das für die Bewohnenden bedeutet. | |
Cruz Gonzalés zeigt der Kleingruppe einige der Toiletten und der Duschen. | |
In einigen fehlen Wasserhähne, strombetriebene Heizungen sind teils nicht | |
angesteckt. Das liege an Vandalismus, sagt sie. In einer Dusche zeigt ein | |
Test: Das Wasser wird heiß. | |
Die [4][Zelte auf dem ehemaligen Parkplatz] werden durch Notstromaggregate | |
beheizt, die warme Luft durch große Schläuche ins Innere pusten. In einem | |
Zelt, das der Gruppe gezeigt wird, ist es okay warm. | |
Eine Ausnahme, sagt Khaled Agha. Er wohne in einem Zelt und habe vergangene | |
Nacht unter mehreren Decken gefroren. Seiner Einschätzung nach gebe es in | |
rund der Hälfte der Duschen nicht genug warmes Wasser. | |
Innenbehörde weiß vom Hungerstreik | |
Die zuständige Hamburger Innenbehörde schreibt auf taz-Anfrage, man wisse | |
von der Kritik der Bewohnenden der Unterkunft in der Schlachthofstraße. | |
Dort sei es aber „ausreichend warm“. Dass Bewohnende manchmal auf warmes | |
Wasser warten müssten, liege am Boiler. Auch wisse man davon, dass vier | |
Personen einen Hungerstreik angekündigt haben. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass der Träger Fördern und Wohnen wegen | |
[5][schlechter Bedingungen in Unterkünften] kritisiert wird. Khaled Agha | |
gehe es nicht nur um Kritik an den Verantwortlichen, sagt er. „Wir wollen | |
uns nicht gegen sie stellen. Wir wollen, dass sie uns helfen.“ | |
11 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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