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# taz.de -- Hamburger Unterkunft für Geflüchtete: Hier gehen Träume verloren
> Eine Woche nach einem Vorfall in einer Hamburger Geflüchteten-Unterkunft
> haben Bewohner*innen eine Demo organisiert. Sie fordern die
> Schließung des Camps.
Bild: Erfordert Mut: Bewohner*innen der Unterkunft protestieren immer wieder ge…
Hamburg taz | Khaled Agha hat eine starke Stimme. „We are not asking for
luxury“, sagt er in ein Mikrofon vor dem Eingang des S-Bahnhofs
Harburg-Rathaus im Hamburger Süden und macht eine Pause. „We only want
dignity.“ Alles, was sie wollen, sei Würde, sagt Agha, der seit acht
Monaten in einem ehemaligen Großmarkt in Harburg wohnt, einer [1][als
Erstaufnahmeeinrichtung genutzten Unterkunft für Geflüchtete] in der
Schlachthofstraße, mit rund 450 anderen.
Rund einhundert Menschen hören ihm an diesem Sonntagmittag zu. Einige sind
aus der Hamburger Innenstadt gekommen, andere wie Agha aus der Unterkunft.
Die Bewohner*innen haben die Demo unter dem Motto „Let’s resist
together: Abolish the camp“ (Lasst uns gemeinsam Widerstand leisten:
Schafft die Unterkunft ab) selbst organisiert, gemeinsam mit
antirassistischen Initiativen. Vor einer Woche hatte ein leitender
Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Elb Security fünfzehn Bewohner über Nacht
rausgeschmissen und ein Hausverbot gegen sie verhängt. Die Männer
verbrachten die Nacht auf dem Gehweg.
Zuvor hatten rund 200 Bewohner*innen vor der Unterkunft gegen die
menschenunwürdigen Lebensbedingungen im Camp protestiert, darunter auch die
Menschen, die später rausgeschmissen wurden. [2][Die taz und lokale Medien
berichteten].
Der Mitarbeiter, dem Bewohner*innen seit Monaten Willkür und Rassismus
vorwarfen, arbeitet mittlerweile nicht mehr in der Unterkunft. Er ist schon
am auf den Vorfall folgenden Montag versetzt worden, teilt der Träger
Fördern & Wohnen (F&W) auf taz-Anfrage mit. Anzeichen für ein Fehlverhalten
seinerseits, schrieb F&W kurz nach dem Vorfall, gebe es aber nicht.
## Wie konnte es zu nächtlichen Hausverboten kommen?
F&W ist als Anstalt öffentlichen Rechts ein städtisches Unternehmen und für
[3][die Unterbringung von Geflüchteten in ganz Hamburg] zuständig. Den
Standort in der Schlachthofstraße betreibt das Deutsche Rote Kreuz im
Auftrag von F&W – eine Zusammenarbeit, die in Hamburg wie an vielen Orten
Praxis ist, seit 2015 viel mehr Menschen in Hamburg ankamen, als die Stadt
Kapazitäten hatte, sie zu versorgen.
Als Träger ist F&W zwar nicht dauerhaft vor Ort wie das DRK, trägt aber die
Verantwortung, wenn so was passiert wie die nächtlichen Hausverbote
vergangene Woche. Bis F&W der taz bestätigte, dass Menschen nachts der
Unterkunft verwiesen wurden, brauchte es ein paar Tage und mehrere
Nachfragen. „Künftig werden Wegweisungen für maximal zwei Stunden am Stück
ausgesprochen“, schreibt eine Sprecherin schließlich auf die Frage, welche
Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen werden.
Wie es aber überhaupt passieren konnte, dass fünfzehn Menschen die Nacht
draußen verbringen mussten, ist weiter offen. Es müsse aufgeklärt werden,
durch „eine unabhängige und transparente Untersuchung unter Beteiligung
neutraler Organisationen – nicht nur durch die Camp-Verwaltung selbst“,
fordern die Bewohner*innen im Aufruf zur Demo.
Ahmad Alhussein ist einer der fünfzehn Bewohner, die über Nacht der
Unterkunft verwiesen wurden. Er hatte eine schlechte Woche, erzählt er der
taz am Anfang der Demonstration am Sonntag. Er sei krank geworden nach der
Nacht auf der Straße: „I could not go to school the whole week.“ Alhussein
läuft mit durch Harburg bis vor die Unterkunft. Vor dem Tor angekommen hält
er ein Banner, das [4][Bewegungsfreiheit als Menschenrecht] einfordert.
## Geflüchtete wohnten bis vor kurzem auch in Zelten
Wie er zu demonstrieren ist nicht selbstverständlich. Viele
Bewohner*innen hätten sich nach dem, was vergangene Woche passiert ist,
nicht getraut zu kommen, sagt Alhussein. Sie hätten Angst, dass sie für
ihre Teilnahme an der Demo Stress bekommen könnten.
Die Zustände in der Einrichtung stehen schon seit Jahren in der Kritik. Die
Unterkunft ist eigentlich ein Notstandort. Trotzdem wird sie seit 2022, als
viele Menschen aus der Ukraine in Hamburg ankamen, durchgehend betrieben.
Einige Menschen wohnen seit mehr als zwei Jahren hier.
Nach Khaled Agha spricht am Sonntag eine Bewohnerin, die anonym bleiben
möchte, von ihrer Erfahrung in der Unterkunft. „Nach sieben Monaten hatte
ich einen Nervenzusammenbruch“, sagt sie. Als sie nach ihrer Rede das Mikro
abgibt, beginnt sie zu weinen.
Vor einem halben Jahr wohnten rund 1.200 Menschen in der Schlachthofstraße.
Jetzt sind es weniger als halb so viele. Bis Ende September noch wohnten
hier Menschen in Zelten für jeweils acht Personen auf dem Parkplatz. Jetzt
wohnen alle verbliebenen Bewohner*innen in einer Halle, in sogenannten
„Compartments“. Das sind mit dünnen Pappwänden abgetrennte und oben offene
Räume. Die Toiletten und Duschen befinden sich draußen in überdachten,
teils ungeheizten Containern. Das ist besonders im Winter und besonders für
Frauen und Kinder schwer aushaltbar.
## Bewohner*innen traten erfolglos in Hungerstreik
Das wissen sogar die für die Erstaufnahme zuständige Innenbehörde, die für
die Folgeunterbringung zuständige Sozialbehörde und der Träger Fördern &
Wohnen. „Allen Beteiligten“ sei bewusst, dass die Bewohner*innen an
Notstandorten „einer herausfordernden Situation ausgesetzt“ sind. „Wir
wollen am liebsten solche Standorte so schnell wie möglich schließen“, sagt
die F&W-Sprecherin Susanne Schwendtke der taz. „Aber es ist momentan noch
nicht möglich, weil einfach Plätze fehlen.“
So argumentieren auch die Sozial- und Innenbehörde. Obwohl die Zahl der in
Hamburg ankommenden Asylsuchenden sinkt, sei das System „weiterhin stark
ausgelastet“, Stand 17. Oktober zu 95,8 Prozent. „Daher sind die
zuständigen Behörden weiterhin auf Notstandorte wie den an der
Schlachthofstraße angewiesen“, schreibt der Sprecher der Innenbehörde.
Außer der Schlachthofstraße wird in Hamburg nur noch ein anderer
Notstandort weiterhin als Unterkunft genutzt, in der Stengelestraße 38 mit
derzeit 69 Bewohner*innen.
Die Unterkunft in der Schlachthofstraße soll, sobald die Lage der
öffentlichen Unterbringung in Hamburg es zulasse, „in der Belegung
reduziert bzw. perspektivisch auch leergezogen werden“. Ganz aufgeben
wollen die Behörden die Unterkunft nicht, sie „soll weiter als
Reservestandort vorgehalten werden“.
Derweil protestieren die Bewohner*innen weiter gegen die unhaltbaren
Zustände – wie seit Jahren. Im Februar waren einige von ihnen in einen
Hungerstreik getreten. Geändert hat sich an den Zuständen nichts. Sie gaben
den Hungerstreik auf.
Unter ihnen war auch Khaled Agha. „Its a place where people lose their
health and their dreams“, sagt Agha am Sonntag auf der Demo in Harburg. An
diesem Ort verlören Menschen nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihre
Träume. Eigentlich, sagt Agha der taz vor seiner Rede auf der Demo, hätten
sie alle keine Hoffnung mehr. „But we have to have hope.“
19 Oct 2025
## LINKS
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[4] /Freiheit-und-Unfreiheit-von-Migration/!6111582
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
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