| # taz.de -- Geflüchtetenunterkunft in Hamburg: War der Rausschmiss illegal? | |
| > Ein Security-Mann setzte Bewohner einer Geflüchtetenunterkunft in Hamburg | |
| > über Nacht vor die Tür. Die Stadt sieht immer noch kein Fehlverhalten. | |
| Bild: Berufung aufs Grundgesetz: Protest vor der Flüchtlingsunterkunft | |
| Es war eine ungemütliche Nacht: Vom 12. auf den 13. Oktober verbrachten 15 | |
| Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung in Hamburg-Harburg die Nacht auf dem | |
| Gehweg. Der Grund: [1][Ein Securitymitarbeiter hatte ihnen ein Hausverbot | |
| erteilt]. | |
| Jetzt hat sich der Hamburger Senat zum Fall geäußert. Er widerspricht der | |
| Darstellung der Bewohner*innen, übernimmt die Argumente des Trägers, der | |
| städtischen Einrichtung Fördern & Wohnen (F&W), und erkennt immer noch | |
| „kein Fehlverhalten“ des Securitymitarbeiters, der mittlerweile versetzt | |
| wurde. Das hat eine Anfrage der Linksfraktion ergeben. Dabei ist eine Frage | |
| weiter offen: Durfte der Sicherheitsdienst die Bewohner*innen über | |
| Nacht überhaupt auf die Straße setzen? | |
| Am Tag vor den nächtlichen Hausverboten hatten rund 200 Bewohner*innen | |
| vor der Notunterkunft in einem ehemaligen Großmarkt in der | |
| Schlachthofstraße [2][gegen die Zustände im Camp demonstriert]. Darunter | |
| waren auch Männer, die später am Abend rausgeschmissen wurden. Die | |
| Betroffenen, ihre Unterstützer*innen und andere Bewohner*innen | |
| sagen, die Hausverbote seien wegen der Proteste verhängt worden. Das wäre | |
| rechtlich eindeutig problematisch, sagte der Jurist Joschka Selinger von | |
| der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) der taz. | |
| Dem widerspricht der städtische Träger der Unterkunft Fördern & Wohnen. Es | |
| habe „temporäre Wegweisungen“ für vier Stunden gegeben, sagte eine | |
| Sprecherin zur taz. Diese seien gegenüber acht Bewohnern ausgesprochen | |
| worden, die zuvor erheblich gestört hätten. Es sei darum gegangen, „die | |
| Nachtruhe der über 500 Bewohnenden, darunter viele Familien mit Kindern, zu | |
| schützen“. | |
| ## Polizei rückt mit 17 Streifenwagen an | |
| Ganz ähnlich stellt es der Senat dar, wenn auch aus dessen Antwort immer | |
| noch nicht hervorgeht, dass es fünfzehn Menschen waren, die Nacht draußen | |
| verbrachten, wie Betroffene berichten. | |
| Der Senat ergänzt die Darstellung von F&W damit, dass neben den acht | |
| Männern eine weitere Person für acht Stunden „wegen erheblicher Störung des | |
| Betriebs“ der Unterkunft verwiesen worden sei. Dazu komme eine andere | |
| Person, die für acht Stunden „wegen erheblicher Störung des Betriebs“ sow… | |
| für weitere zwei Stunden „wegen Beleidigung und Bedrohung“ vor die Tür | |
| musste. | |
| Der [3][Securitymitarbeiter hatte am betreffenden Abend zur Unterstützung | |
| die Polizei gerufen], die mit 17 Streifenwagen kam, und zwar keine | |
| polizeilichen Maßnahmen ergriff, aber die „Wegweisungen“ mit durchsetzte. | |
| Der Mitarbeiter, dem Bewohner*innen schon lange vor dem Vorfall Willkür | |
| und Rassismus vorwarfen, habe nichts falsch gemacht, findet der Senat: „Es | |
| gibt kein Fehlverhalten“, teilte er mit. Dass der Sicherheitsmann versetzt | |
| wurde, habe „personalfürsorgerische Gründe“. Auch weist die Stadt die | |
| Kritik zurück, dass die Betroffenen durch sein Verhalten über Nacht | |
| obdachlos wurden: „Es wurde weder ein Hausverbot erlassen, noch gab es | |
| Obdachlosigkeit. Der zugewiesene Bettplatz hatte weiterhin Bestand.“ | |
| Weiter offen bleibt die Frage, ob es erlaubt ist, Menschen, die | |
| verpflichtet sind in einer Unterkunft zu wohnen, über Nacht | |
| rauszuschmeißen. Die Juristin Lena Frerichs von der GFF weist darauf hin, | |
| dass es bisher nur sehr wenige Gerichtsurteile über vergleichbare Fälle | |
| gibt. Eins haben sie gemein: „Es wird deutlich, dass jeder Mensch den | |
| Anspruch auf Unterbringung in der Nacht hat“, sagt Frerichs. | |
| Auf die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage der Rausschmiss geschah, liefert | |
| der Senat keine eindeutige Antwort. Er beruft sich vordergründig auf die | |
| Hausordnung der Unterkunft: Sogenannte „temporäre Wegweisungen“, die der | |
| Senat von „unbefristeten Hausverboten“ abgrenzt, würden „auf der Grundla… | |
| der Einhaltung der Hausordnung sowie der Wahrung des sozialen Friedens | |
| innerhalb der Einrichtung ausgesprochen“. | |
| Das Problem mit der Hausordnung: Die Bewohnenden kannten sie bisher nicht. | |
| Sie müssen bei Ankunft nur sechs Regeln, darunter ein Rauchverbot für | |
| Innenräume, unterschreiben. Erst einen Tag nach dem Vorfall wurde ein | |
| Zettel in der Unterkunft ausgehängt mit einem QR-Code, der auf die digitale | |
| Hausordnung verweist. | |
| Darin steht, dass im Falle von Konflikten „die Verlegung einzelner oder | |
| aller Konfliktparteien in eine andere Unterkunft“ veranlasst werden kann. | |
| Von „Wegweisungen“ über Nacht steht da nichts. | |
| Die Linke übt scharfe Kritik an der Antwort des Senats und nennt sie | |
| befremdlich. „In der fraglichen Nacht wurde willkürlich gehandelt“, sagt | |
| Carola Ensslen, fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion in der | |
| Bürgerschaft. Sie weist darauf hin, dass [4][der Begriff Wegweisungen in | |
| der Regel polizeiliche Maßnahmen bei häuslicher Gewalt] meint. Ensslen | |
| kritisiert die Polizei, die die Maßnahme mit durchgesetzt hat, sieht aber | |
| die Stadt in der Verantwortung: „Der Senat muss endlich die Menschenrechte | |
| der Bewohner*innen achten.“ | |
| Die Bewohner*innen der Unterkunft fordern weiter Aufklärung und wollen | |
| in den kommenden Wochen wieder demonstrieren, dafür, dass das Camp | |
| geschlossen wird. | |
| 27 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Protest-in-Hamburger-Unterkunft/!6116494 | |
| [2] /Hamburger-Unterkunft-fuer-Gefluechtete/!6114324 | |
| [3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/nach-protest-lage-in-hamburger-unter… | |
| [4] /Haeusliche-Gewalt-in-Schleswig-Holstein/!6098198 | |
| ## AUTOREN | |
| Amira Klute | |
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